Die Wahl der weiterführenden Schule ist nicht leicht. Auch bei den Kinder setzt der Stress diesbezüglich bereits ab der dritten Klasse ein.

Garbsen. Bei der Wahl der weiterführenden Schule sollten Eltern auch auf die Meinungen ihrer Kinder hören. „Kinder können sich und ihre schulischen Leistungen in der Regel sehr gut einschätzen“, sagte Ingrid Neumann, Zweite Vorsitzende des Verbandes der niedersächsischen Schulpsychologen (VNS), in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Garbsen. „Gemeinsam mit der Empfehlung der Lehrer und dem eigenen Bild können sich die Eltern dann die beste Entscheidung zum Wohl des Kindes treffen.“ Für viele Familien bedeute die Wahl der weiterführenden Schule großer Stress, der sich auch oft auf die Kinder übertrage.

„Der Stress setzt bei den meisten Betroffenen bereits im dritten Schuljahr ein“, betonte Neumann, die seit mehr als 30 Jahren in Garbsen schulpsychologische Beratungen für Eltern, Kinder und Lehrer anbietet. Dann würden die Kinder häufig erstmals von ihren Eltern unter einen besonderen Druck gesetzt, um die Empfehlung für das Gymnasium zu erhalten. „Der kontinuierliche Druck wurde in den vergangenen Jahren immer mehr direkt in die Grundschulen verlagert.“ Denn für viele Väter und Mütter in Niedersachsen gebe es neben dem gymnasialen Bildungsweg kaum eine Alternative. Der Leistungsdruck ist laut Neumann kontraproduktiv. „Dies führt nicht selten zu Versagensängsten und macht krank.“ Mit der Zeit entstehe ein regelrechter „Angst-Stress-Kreislauf“ mit dem Ergebnis, dass die Kinder schlechtere Leistungen brächten und dadurch auch nicht die gewünschte Empfehlung für das Gymnasium erhielten.

Die Eltern der derzeit rund 81 000 Viertklässler in Niedersachsen erhalten in diesen Tagen die Empfehlungen für den Verlauf des weiteren Bildungsweges. Die Wahl des Bildungsganges liegt zwar laut niedersächsischem Schulgesetz (§6) in der Verantwortung der Erziehungsberechtigten, viele Väter und Mütter fürchten aber Nachteile für ihre Sprösslinge, wenn sie sie etwa ohne eine entsprechende Empfehlung auf das Gymnasium schicken. Insbesondere wenn die Empfehlung Hauptschule laute, ignorieren viele Eltern den Rat. So gingen beispielsweise 2008 nur 13,2 Prozent der Schüler auf eine Hauptschule, obwohl deutlich mehr Kinder (22,4 Prozent) eine solche Empfehlung hatten.

Aus Sicht von Neumann ist der Schulalltag an den Gesamtschulen in Niedersachsen sehr viel besser als ihr Ruf. „Wir haben hier heute nicht nur eine neue Lehrergeneration, die sich immer besser auf die Bedingungen einstellt, auch die Mischung der Schüler ist meistens sehr viel besser als früher“, sagte Neumann. Daher sei auch die Befürchtung, Schüler vonGesamtschulen würden schlechter einen Ausbildungsplatz finden „vollkommen gegenstandslos.“ Die Eltern sollten sich bei ihrer Entscheidung von sozialem Druck frei machen und an das Wohl ihrer Kinder denken. Mit der falschen Entscheidung erweise man den Kindern keinen Gefallen.