Ulm. Ihre eigene Großmutter hat sich noch nicht vorstellen können, dass eine Frau als Pfarrerin eine Gemeinde leiten kann. Jetzt leitet ihre Enkeltochter sogar die gesamte Evangelische Kirche in Deutschland (EKD): Margot Käßmann hat sich mit Charme und Charakter ihren Weg an die Spitze erkämpft. Die Wahl der geschiedenen Landesbischöfin zur ersten weiblichen EKD-Ratsvorsitzenden ist ein Umbruch. „Wem der liebe Gott ein Amt gibt, gibt er auch die Kraft es auszuführen“, gab ihre Großmutter ihr bei der Einführung als Pfarrerin mit auf den Weg. Als Käßmann vor zehn Jahren Bischöfin von Hannover wurde, war dies bereits eine kleine Revolution und konservative Kritiker organisierten Proteste. Erst zum zweiten Mal stieg damals eine Frau in das Bischofsamt auf.

Plötzlich führte eine Mutter von vier damals schulpflichtigen Kindern – in Hosen und mit einem flotten Kurzhaarschnitt – die größte evangelische Landeskirche. Käßmann gewann die Herzen vieler Menschen im Sturm. Mit ihrer frischen und sympathischen Art gelang es ihr selbst bei kirchenfernem Publikum, Interesse für den Glauben zu wecken. Als Ratsvorsitzende kündigt sie nun an, sich von sinkenden Mitgliederzahlen und finanziellen Nöten nicht lähmen zu lassen. Seit langem ist Käßmann – gemeinsam mit ihrem Vorgänger im Amt, dem Berliner Bischof Wolfgang Huber – Sprachrohr der evangelischen Kirche.

Als lächelndes Gesicht der evangelischen Kirche warb sie schon vor ihrer Wahl hartnäckig in Talkshows oder auf der Kanzel für das Anliegen der Protestanten. Auch bei Tiefschlägen in ihrem Leben hielten Kirche und Menschen zu der Theologin. Sie durchstand eine Krebserkrankung und nach ihrer Ehescheidung sprach der Kirchensenat ihr das Vertrauen aus. Die im oberhessischen Marburg geborene Pfarrerin studierte in Tübingen, dem schottischen Edinburgh, Göttingen und Marburg. Sie war Mitglied im weltweiten Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen und Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentages. In ihrer Freizeit spielt sie mit ihrem Hund und joggt um den Maschsee in Hannover. (dpa)