Es geht um die Zukunft von mehr als 5000 Arbeitsplätzen im Werftenverbund ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS)

Hamburg. Die Nordseewerke in Emden standen am Freitag still, auch bei HDW in Kiel ruhte der Betrieb. Die Beschäftigten machten sich zur Großdemonstration nach Hamburg auf – zu ihren Kollegen, zum Werkstor von Blohm & Voss. Es geht um die Zukunft von mehr als 5000 Arbeitsplätzen im Werftenverbund ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) und die Frage, ob es an den Standorten außer dem Bau von U-Booten und Marineschiffen überhaupt noch zivilen Schiffbau geben wird.

Seit der TKMS-Vorstand Pläne vorgelegt hat, Unternehmensteile verkaufen zu wollen, laufen Gewerkschaften und Betriebsräte Sturm gegen übereilte Entscheidungen. „Ich habe schon einiges mitgemacht an Demos, aber was ich hier sehe – da werden mir die Knie weich“, ruft der Betriebsratsvorsitzende der Nordseewerke Emden, Fritz Niemeier, vom Podium aus den Beschäftigten zu. Mehr als 1500 haben sich vor ihm versammelt, schwenken Fahnen, halten Plakate hoch („Nehmt uns nicht den Wind aus den Segeln“), um zu hören, wie ihre Arbeitnehmervertreter die Lage beurteilen und was der Vorstand mitzuteilen hat.

Anlass für die Protestveranstaltung war die Aufsichtsratssitzung am gleichen Tag in der B&V-Firmenzentrale. Der Gang für TKMS-Chef Hans Christoph Atzpodien am Mittag vor die Belegschaft dürfte ein schwerer gewesen sein. Mit „Buh“-Rufen wird er empfangen, mit Zwischenrufen seine Ansprache übertönt. „Die Sorge um die Arbeitsplätze teilen wir“, „Wir kämpfen für Beschäftigung und suchen nicht das Heil im Ausverkauf“, „Umbau statt Abbau“ – mit höhnischem Lachen muss er fertig werden. In Emden sind noch 1400 Beschäftigte im Boot, dort sollen 720 TKMS-Mitarbeiter nach einem Verkauf Windanlagen bei Siag fertigen.

Bei HDW mit mehr als 2000 Beschäftigten sollen 180 Mitarbeiter zur Maschinen- und Stahlbaugruppe Rönner wechseln, die nach Gewerkschaftsangaben keine tarifgebundenen Löhne zahlt. Und bei der auf Jachtbau spezialisierten Blohm & Voss-Werft befürchten die insgesamt rund 1700 Mitarbeiter, dass die „weiße Seite“ ebenfalls verkauft wird. Die Furcht ist groß, dass bei TKMS nur noch der militärische Schiffbau übrig bleibt. Damit allein sei das Unternehmen nicht überlebensfähig, wettert die Bezirksleiterin der IG Metall Küste, Jutta Blankau. Sie ermahnt den Vorstand zu sozialer und gesellschaftspolitischer Verantwortung. Als der Werftenverbund vor gut vier Jahren besiegelt wurde, kamen damals noch mehr als 9000 Mitarbeiter unter der Führung von ThyssenKrupp zusammen.

Aus Angst um den Verlust von noch mehr Arbeitsplätzen haben die Werftarbeiter am frühen Morgen die Reise angetreten, auch Betriebsrat Niemeier. Für seine Kollegen legt er sich in Hamburg mächtig ins Zeug. Von den Aufträgen für vier Fregatten müssten zwei in Hamburg, zwei in Emden gebaut werden: „Damit das klar ist!“ Kräftiger Applaus. Und wenn sich nun Politiker in Niedersachsen für die Werftarbeiter engagierten, werden sie sich an ihren Worten auch nach der Bundestagswahl messen lassen müssen: „Damit das klar ist!“ Tosender Beifall. Niemeier prangert Managementfehler an, hebt die Zukunftsängste junger Menschen hervor und mahnt: „Wenn wir das nicht geschlossen durchstehen, wird das ein Sterben auf Raten.“ Noch liegen, wie an diesem Mittag, zwei Kreuzfahrtschiffe in den Reparaturdocks und drehen sich die Kräne über dem Werftgelände.