Die neue Hubinsel “Thor“ wird heute in Hamburg getauft. Es entsteht ein Milliardenmarkt für Montageanlagen und Spezialschiffe.
Hamburg. Der Hafengeburtstag bildet den festlichen Rahmen für die Einführung der Hubinsel "Thor". Am Montag beginnt der erste Einsatz für die neue Spezialplattform des Baukonzerns Hochtief in der Nordsee. 90 Kilometer nordwestlich von Borkum soll die Anlage beim Aufbau des Windparks Bard Offshore 1 mitarbeiten. Die "Thor", die heute an den Landungsbrücken getauft wird, ist eines der zwei größten deutschen Montageschiffe.
"Hochtief war einer der Ersten und ist heute einer der großen Wettbewerber in diesem Geschäft", sagte Hochtief-Sprecher Bernd Pütter dem Abendblatt. Die "Odin", die kleinere Schwester der "Thor", wurde bereits bei verschiedenen Windparkprojekten in Nord- und Ostsee eingesetzt, zuletzt beim Aufbau des ersten deutschen Windparks Alpha Ventus 45 Kilometer nördlich von Borkum.
Aufbau von Windparks auf See beginnt im großen Stil
"Mit der ,Thor' erhöhen wir unsere Reichweite beträchtlich, denn die Plattform kann an allen geplanten Windparkstandorten in der Nordsee stehen", sagte Pütter. Die Hubinsel ist 70 Meter lang und 40 Meter breit. Sie trägt einen Kran mit 500 Tonnen Hubkraft und besitzt vier 82 Meter lange Beine, die für die Montage ins Meer abgesenkt werden. Damit kann das Spezialschiff, gebaut in Danzig, in Wassertiefen von 50 Metern eingesetzt werden.
Fast zehn Jahre lang hatte es von den ersten Genehmigungen für Offshore-Windparks in der deutschen Nord- und Ostsee bis zur Vollendung von Alpha Ventus Ende 2009 gedauert. Jetzt soll das Geschäft im großen Stil beginnen, nicht nur in Deutschland, sondern bei den meisten Nordsee-Anrainern und in der Ostsee. Nach Branchenschätzungen sollen in Europa in den kommenden Jahren jährlich rund 800 Anlagen installiert werden. Bis 2030 investieren die beteiligten Unternehmen nach Schätzung der EU-Kommission in Offshore-Windparks rund 200 Milliarden Euro.
Unsicherheiten bei der Planung, aber auch fehlende Kabelanbindungen an das Landstromnetz haben viele deutsche Offshore-Windparkprojekte in den vergangenen Jahren verzögert. Jetzt zeigt sich ein neuer Engpass: Es mangelt an Montageplattformen für die Arbeit in den Windparks weit draußen auf See. "Für die heute bestehenden Offshore-Windparkpläne in Europa braucht man mindestens 20 bis 30 Installationsschiffe, hinzu kommen zahlreiche Versorgungsfahrzeuge", sagt der Ingenieur Sönke Pohl vom norwegischen Zertifizierungsunternehmen Det Norske Veritas (DNV). DNV, einer der Hauptkonkurrenten des deutschen Schiffs-TÜVs Germanischer Lloyd (GL), gilt als eines der erfahrensten Prüfungs- und Beratungsunternehmen für Energieprojekte auf dem Meer. "Die beteiligten Unternehmen in Deutschland haben relativ wenig Offshore-Erfahrung", sagt DNV-Ingenieur Jost Bergmann. "Mit den aufwendigen Windparks, die jetzt in 40 bis 50 Meter Wassertiefe gebaut werden, geht man im Prinzip den dritten Schritt vor dem ersten, anders als etwa in Dänemark, wo Windparks zunächst in flachem Wasser errichtet wurden. Bei den Projekten, die jetzt in Deutschland beginnen, wird man Schiffe brauchen, die alle drei Tage eine Windturbine auf ihrem Fundament installieren, sonst rentiert sich das nicht."
Deutsche Werften hoffen auf Aufträge der Offshore-Branche
Der schwer angeschlagenen deutschen Werftbranche gilt die Offshore-Windkraftindustrie als Hoffnungsträger. Die Nordseewerke in Emden stellen den Werftbetrieb Schritt für Schritt ein und bauen künftig Stahlkomponenten für Windkraftanlagen. Das Werftunternehmen Nordic Yards mit Betrieben in Wismar und in Rostock-Warnemünde hofft auf rettende Aufträge für Offshore-Installationsschiffe noch in diesem Jahr. Dabei könnte es um einen Auftrag für Hubschiffe gehen, den Hochtief und die Bremer Beluga-Reederei vorbereiten. Wer den Zuschlag bekomme, sei aber noch nicht entschieden, sagte Hochtief-Sprecher Pütter.
Das RWE-Tochterunternehmen Innogy hat sein erstes Offshore-Montageschiff bereits Ende 2009 bestellt und eine Option auf ein zweites gebucht. Das Schiff kostet 100 Millionen Euro. Gebaut wird es allerdings auf der Daewoo-Werft in Südkorea.