Hamburg. Die Baugruppe StadtFinken erfüllt sich in Barmbek-Süd den Traum vom Wohneigentum. Der Quadratmeter-Preis ist nur einer ihrer Vorteile.

Simone Brandenburg (58) denkt bereits an ihr Leben im Alter und hat das Passende für sich und ihren Mann Dietrich (66) gefunden. Die 35-jährige Melanie Menrath hingegen freut sich zusammen mit ihrem Mann Michael (39) und der einjährigen Tochter Emma „auf die netten Nachbarn und das Leben in der Gemeinschaft“.

Und genau das ist das Stichwort, das alle 42 Parteien der Baugruppe StadtFinken verbindet: Sie werden 22 Stadthäuser wenige Schritte vom Eilbekkanal im Baugebiet Finkenau beziehen – teilweise werden die Häuser mit drei Parteien belegt.

„Am 31. August 2018 ist Schlüsselübergabe, dann können wir endlich einziehen“, erzählt Menrath, die als strategische Einkäuferin bei der Hamburger Sparkasse arbeitet. Sie freut sich auf ihr neues Leben in einer nagelneuen Maisonette-Wohnung – vor allem auf den großen Gemeinschaftsgarten. „Wo gibt es das noch – einen 23 mal sechs Meter großen Garten in solch zentraler Lage in der Stadt?“

Nicht alle werden sofort einziehen

Die war der Hauptgrund für ihre Entscheidung, der Baugruppe beizutreten. „Es gibt zum Beispiel ein Ärztehaus in der Nähe und kurze Wege in die City. Und ich kenne schon alle Nachbarn, bevor ich überhaupt eingezogen bin“, zählt sie die Vorzüge des Projektes auf, die auch ihre Nachbarin Simone Brandenburg aus Marienthal überzeugt haben.

Sie ist die Einzige, die den Einzug in ihre Eigentumswohnung erst in einigen Jahren plant, „wenn ich Haus und den Garten nicht mehr bewirtschaften kann“. Sie freut sich auf die voraussichtlich gute Nachbarschaft: „Es wird schön sein, dann vertraute Menschen um sich zu haben.“ Bis es so weit ist, vermietet sie zunächst ihre Wohnung.

Zusammen bauen und wohnen ist ein Trend, der nicht nur durch einen Gemeinschaftsgedanken, sondern auch durch eine vorteilhafte finanzielle Komponente besticht. Das kann Jim Ulrici, Projektentwickler der in Hamburg ansässigen Conplan Betriebs- und Projektberatungs-GmbH, bestätigen.

1500 Euro Ersparnis pro Quadratmeter

Er betreut derzeit drei Baugruppen – als Projektleiter auch die StadtFinken. „Wer mit einer Baugruppe baut, spart im Schnitt 1500 Euro pro Quadratmeter im Vergleich zum schlüsselfertigen Projekt, das über einen Bauträger für einen Bauherren errichtet wird. Bei den StadtFinken liegen wir derzeit bei einem Qua­dratmeterpreis von circa 4400 Euro.“

Neben der Marge für den Investor, die beim Bauen mit einer Baugruppe entfällt, sind es in Hamburg vor allem die städtischen Grundstücke, die das Zusammenbauen erschwinglicher werden lassen. Kein Wunder also, dass die Nachfrage groß ist.

Aus 22 Stadthäusern setzt sich das Projekt zusammen. Die Bewohner teilen sich einen Gemeinschaftsgarten.
Aus 22 Stadthäusern setzt sich das Projekt zusammen. Die Bewohner teilen sich einen Gemeinschaftsgarten. © Jim Ulrici | Jim Ulrici

„Die Stadt ist hier gut aufgestellt und unterstützt Baugruppen, indem sie diese Grundstücke auch für Baugruppen reserviert“, erklärt Ulrici. Hamburg habe somit vorteilhafte Strukturen geschaffen, freut er sich und verweist dabei auf die Agentur für Baugemeinschaften, die bei der Hamburger Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen angesiedelt ist.

Eigenes Förderprogramm für Baugemeinschaften

Doch es sind nicht nur die günstigen Grundstücke, die das gemeinschaftliche Bauen in Hamburg attraktiv machen. Die Stadt bietet darüber hinaus mit der Investitions- und Förderbank Hamburg ein eigenes Förderprogramm für Baugemeinschaften, insbesondere für genossenschaftlich orientierte Baugemeinschaften, an.

Dass das Interesse für diese Wohnform groß ist, zeigt sich nach Einschätzung des Projektleiters an der guten Resonanz auf wiederkehrenden Messen und Info-Veranstaltungen.

Ganz ohne Networking geht es jedoch nicht: Auf der Plattform www.hamburg.de/baugemeinschaften finden zukünftige Bauherren nicht nur Informationen rund um Baugruppen, sondern können sich direkt über konkrete Gruppen, die derzeit in Hamburg noch planen oder schon bauen, informieren.

Unter der Rubrik „Mitglieder gesucht“ kann man zudem Kontakt mit den Baugruppen aufnehmen, die noch nach weiteren Mitgliedern suchen. „Eine tolle Sache“, findet Ulrici, um zugleich auf die Kehrseite der Medaille hinzuweisen: „Bauen in einer Baugruppe ist ein langer, demokratischer Prozess, der viel Zeit, Geduld und Einvernehmen braucht.“

Dialogbereitschaft sollte vorhanden sein

So dauert es im Schnitt bis zu vier, fünf Jahre, bis ein Projekt abgeschlossen ist. Ulrici: „In der Zeit trägt die Gruppe das Risiko, denn man hat keinen Investor im Rücken, der haftbar gemacht werden kann. Im Schnitt vergehen zehn bis zwölf Sitzungen, bis sich eine Gruppe intern gefunden und den Entscheidungsprozess verinnerlicht hat.“

Eine Baugruppe sei demnach auch nicht für jedermann das Richtige. „Man muss eine gewisse Dialogbereitschaft mitbringen und seine Meinung auch mal zurücksetzen können, ohne das Projekt grundsätzlich infrage zu stellen“, resümiert der Experte, der schon oft auch als Mediator und hin und wieder sogar als Seelsorger tätig war. „Wer konkrete Vorstellungen von seinem Eigentum hat und von diesen nicht abrücken mag, ist bei einer Baugruppe falsch“, stellt der Projektleiter fest.

Aussicht auf Gemeinschaft überwiegt

Wie solche Kompromisse aussehen können, hat Simone Brandenburg erlebt. „Ich habe, wie alle anderen in der Baugruppe, Abstriche machen müssen. Es gibt keinen Fahrstuhl, obwohl meine Wohnung im ersten Stock liegt, ich habe zur Gartenseite keinen Balkon und ein Kamin ist nicht realisierbar – alles Dinge, die ich mir am Anfang gewünscht habe. Ich habe diese Abstriche aber gern gemacht, denn diese Dinge sind mir letztlich nicht so wichtig wie die Perspektive, im Alter in einer guten Gemeinschaft zusammenleben zu können.“

Auch das Mobilitätskonzept, auf das sich alle in der Gruppe geeinigt haben, und der ökologische Anspruch an das Projekt, bestärkt die 58-Jährige darin, den StadtFinken anzugehören. Dabei wurde beim gemeinsamen Planen auch das Individuelle nicht aus den Augen gelassen. „Es ist zwar richtig, dass wir viele gemeinsame Standards teilen, zum Beispiel bei den Fliesen, beim Parkett und anderen Materialien, dennoch sind alle Wohnungen individuell geplant.“

Drei Wohnungen werden zunächst vermietet

Jede Einheit – insgesamt werden drei laut Ulrici zunächst vermietet – sei nach den individuellen Wünschen der jeweiligen Bauherren entworfen worden, erklärt Simone Brandenburg.

Dafür gesorgt hat unter anderem der Architekt Oliver Otte von Mudlaff & Otte Architekten, die in diesem Fall eng mit dem Studio Witt/MoRe Architekten zusammengearbeitet haben. „Es ist eine Menge Arbeit gewesen, 42 individuelle Grundrisse zu erstellen, aber man bekommt etwas Einmaliges dafür zurück, nämlich die konkrete Freude und Zufriedenheit der Menschen, die in die Wohnungen einziehen“, sagt Otte rückblickend. Ein für den Architekten bislang unbekanntes Gefühl: Die StadtFinken sind sein erstes Baugruppenprojekt.

„Die Projekte, die wir bisher für Bauträger und Investoren planten, umfassten drei, vier Musterwohnungen zur Auswahl und waren nicht so individuell“, sagt er und lobt die Zusammenarbeit mit Conplan und der Baugruppe als Bauherr. Otte scheint auf den Geschmack gekommen zu sein. Er würde es jederzeit wieder wagen, für eine Baugruppe zu entwerfen. „Die StadtFinken haben mich nicht abgeschreckt“, sagt der Architekt lachend.

Anfragen zum Mietraum an vorstand@wohnprojekt-StadtFinken.de