Hamburg. Bettina Hagen und ihr Mann Ralph Larouette leben in Harvestehude unterm Dach – ohne Fahrstuhl. Trotzdem für das Paar kein Problem.
Es gibt Menschen, denen alles zu gelingen scheint: Sie lieben das, was sie tun, entwickeln aus ihrer Leidenschaft erfolgreiche Unternehmen, führen ein erfülltes Privatleben und sind fest verankert in einem internationalen Freundeskreis.
Mit Bettina Hagen (65) und Ralph Larouette (68) haben sich zwei dieser seltenen Spezies zusammengefunden. Gemeinsam gründeten das ehemalige Top-Model und der Werbefachmann Mitte der 70er-Jahre ein Unternehmen für Strickdesign, das sie über 25 Jahre gemeinsam betrieben.
Im Jahr 1999 eröffneten sie das Restaurant „3Tageszeiten“ in Winterhude. Während sich ihr Ehemann um den Betrieb kümmerte, hat sich Bettina Hagen in ihrem Atelier so ganz nebenbei erfolgreich als Kunstmalerin etabliert.
Früher bewohnte das Paar einen Loft
Ein solch schillerndes Paar weckt Neugier – nicht zuletzt auf ihren Einrichtungsstil, der ebenso unkonventionell zu sein verspricht wie die Menschen.
Spontan bittet das Paar zum Besuch in seine 140 Quadratmeter große Altbauwohnung in Harvestehude, die sie seit 2014 bewohnen. Vorher haben sie in einem fast 400 Quadratmeter großen Loft in Winterhude gelebt.
Durch ein gepflegtes Treppenhaus geht es zu Fuß hinauf in die Dachetage – wer im fortgeschrittenen Alter ein Haus ohne Fahrstuhl bezieht, traut sich noch viel zu.
Auf dem Treppenabsatz vor der Eingangstür stehen zahlreiche Leinwände, beklebt mit bunt bemalten Bierdeckeln. Hier sind wir richtig.
Fehlender Fahrstuhl war vielleicht ihr Glück
Schon der Rundgang durch die Wohnung zeigt einen großzügigen und zugleich intimen Zuschnitt, der ideal für dieses Paar scheint: Über einen breiten, offenen Eingangsbereich mit Oberlicht geht es links ins Wohn- und Esszimmer mit angrenzendem Balkon.
Ein großzügiges, von beiden genutztes Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer mit Podest zum Fenster und Blick auf den Harvestehuder Kirchturm, ein Ankleideraum, Küche, Bad und Gäste-WC befinden sich im hinteren Teil der Wohnung.
„Wir hatten ein wahnsinniges Glück, diese Wohnung gefunden zu haben“, erzählt Bettina Hagen. Zufällig hatte der Vermieter noch diese eine Wohnung im Angebot. „Viele schreckte vielleicht, dass ein Fahrstuhl fehlt oder nur ein Duschbad vorhanden ist. Aber das war uns vollkommen egal.“ Kein Zweifel: Hier leben zwei kompromisslose Individualisten.
Möbel sind keiner Stilrichtung zuzuordnen
Ein Eindruck, den auch die Einrichtung bestätigt. Ins Auge fallen die zahlreichen, fast archaisch wirkenden Holzmöbel, verteilt über alle Räume. Sie wirken wie aus der Zeit gefallen, lassen sich keiner Stilrichtung oder Möbelmarke zuordnen.
Vor allem der große Tisch im Esszimmer mit den robusten Stühlen und dem Weinregal versprüht rustikale Gemütlichkeit. Ein Gefühl, das durch die hell gebeizten Holzdielen des Zimmers noch verstärkt wird.
Die Möbel hat Ralph Larouette während einer Australienreise einem befreundeten Möbeltischler und -designer abgekauft und via Container nach Hamburg schaffen lassen.
Ihm gefiel vor allem ihre traditionelle Machart, die sich an den handwerklichen Traditionen der Quäker (eine christliche Sekte) erinnert. Statt Schrauben oder Verleimungen basiert ihr Halt auf intelligenten Stecksystemen. „Das ist große Handwerkskunst, die man so bei uns nur sehr selten findet“, sagt Larouette.
Handgefertigte Teppiche setzen wohnliche Akzente
Aus gleicher Quelle stammen auch die beiden Schreibtische im Homeoffice: Die Platten wirken hart wie Granit und an den Rändern wie angesengt.
Es ist das Holz von eukalyptusartigen, von Blitzen getroffenen Bäumen, welche der Tischler bevorzugt verarbeitet hat. Ralph Larouette: „Nach dem Einschlag glimmt die Glut über Jahre weiter im Innern des Baumes und schafft so diese einmalige Struktur.“
Im Schlafzimmer schaffen hell gebeizte Dielen eine freundliche Atmosphäre. „Wir lieben Holzböden, weil sie jedem Raum eine warme und gleichzeitig puristische Note geben und sich jedem Stil anpassen“, sagt Bettina Hagen.
Wohnliche Akzente setzen sie mit einzelnen, handgefertigten Teppichen, wahlweise unifarben oder gemustert.
Besonders individuell sind die Möbel, die Bettina Hagen beigesteuert hat. Da wären zum einen die alten Polstersessel im Wohnzimmer, die sie mit aus Neuengland importierten Stoffen neu hat beziehen lassen.
Upcycling wird in dieser Wohnung praktiziert
„Die habe ich vor dem Sperrmüll bewahrt. Ich kann einfach keine gut erhaltenen Möbel wegwerfen“, sagt sie. In ihr hat der Trend zum Upcycling – also der kreativen Neuinterpretation alter Gegenstände – eine leidenschaftliche Vertreterin gefunden, wie sich an vielen Stellen zeigt.
Denn zu entdecken sind auch ein mit Kringeln versehener Lampenschirm, ein bunt bemalter Stuhl im Schlafzimmer und wild verzierte Steine.
Dass das Paar keine Blumen kauft, sondern frisch vom Feld pflückt, versteht sich fast von selbst. Diese konsequent nach eigenen Vorstellungen gestaltete Wohnkulisse krönen die Kunstwerke der Hausherrin.
Ihre Acrylbilder zeigen Landschaften, Stillleben von Fischen, Harlekins und Fantasieszenarien in irisierenden Farben. Sie alle entfalten eine eigentümliche Sogwirkung. Es scheint, als hätte die Künstlerin in einer Art Trance innere Bilder und Traumvisionen auf die Leinwand gebannt.
Dies prägt natürlich auch die Grundstimmung in den Räumen – und überträgt sich auch auf Besucher.
Gemalt wird im heimischen Atelier
Was aus Mangel an Platz nicht hängt, stapelt sich an den Wänden der Wohnräume.
Ab und zu tauscht Bettina Hagen die Bilder aus – je nach Stimmung. „Ich male zu Hause, hier ist mein Atelier, hier habe ich ideales Licht“, erzählt die Künstlerin. Ihre Staffelei brauche nur wenig Platz – „im Grunde genügt mir eine winzige Ecke“.
Wenig Raum reicht also hier für ein Maximum an Selbstentfaltung. Das gilt auch für Ralph Larouette. Der Spross einer Hugenottenfamilie, von Haus aus mit der französischen Küche und Lebensart groß geworden, ist „Gebieter“ in der Küche.
Fast täglich fertigt er dort raffinierte, einfache Gerichte. Larouette, der mit seinem verschmitzten Gesichtsausdruck an den französischen Schauspieler Pierre Richard erinnert, hält nicht viel von Hightech-Küchen: „Wenn ich das Kochen an eine Maschine delegiere, entfremde ich mich vom sinnlichen Akt der Zubereitung.“
Der Gastronom in ihm wird wieder lebendig
Von solchem Denken profitierten lange Zeit die Gäste des Gastronomen. Ende 2017 zog er einen Schlussstrich. „Es fehlte mir plötzlich der Kick, alles lief zu sehr in eingefahrenen Bahnen“, erzählt Larouette.
„Allmählich wird er aber wieder hungrig“, so Bettina Hagen und lacht. „Ja, das stimmt. Ich kann mir vorstellen, gemeinsam mit einem neuen Gastronomen durchzustarten, indem ich ihn coache und berate“, sagt Larouette.