Hamburg. Hamburg fördert Grünflächen auf Gebäuden mit hohen Zuschüssen. Das verbessert Raum- und Stadtklima – und die Maßnahme kann noch mehr.
Hätten Sie gedacht, dass Hamburg weltweit für seine Gründach-Strategie bewundert wird? Ist tatsächlich so. Von überall her kommen Anfragen – aus Kanada, China, Korea. Hanna Bornholdt, Projektleiterin für die Gründachstrategie aus dem Amt für Landschaftsplanung und Stadtgrün, freut sich: „Das ist ein Trend, den viele Großstädte jetzt auch für sich entdeckt haben.“
Gerade hat die promovierte Landschaftsarchitektin einer 60-köpfigen Gruppe aus Prag gezeigt, wo es auf Hamburgs Dächern bereits reichlich grünt.
„Die Gebäude der IBA Internationalen Bauausstellung bieten sich dafür wunderbar an“, erzählt Hanna Bornholdt. Außerdem gehe die Umwelt- und die Stadtentwicklungsbehörde direkt nebenan auch mit gutem Vorbild voran – dort wurden sämtliche Dachflächen mit pflegeleichten Sukkulenten, Gräsern und Wildblumen im Rahmen der IBA Bauausstellung bepflanzt.
Viele Flächen liegen noch brach
Auch in der HafenCity und anderswo sind schon viele ähnliche Biotope dieser Art in luftiger Höhe zu entdecken. Alles gut also? Nicht wirklich. „Zehn Prozent der Fläche Hamburgs sind Dächer, davon rund die Hälfte Flachdächer. Noch liegt das Meiste dieser 35 Quadratkilometer brach“, räumt die Landschaftsarchitektin ein.
Dabei seien dies die Dachlandschaften von morgen, wirbt die Umweltbehörde in einem Schreiben. Sie könnten zu Gärten, Wiesen, Sportplätzen, Lounges und Grünflächen werden, „wo man bestens Pause machen, chillen und den Sonnenauf- und -untergang genießen kann“.
Eine „attraktive Alternative“, ergänzt Umweltsenator Jens Kerstan, angesichts der „zunehmenden baulichen Verdichtung unserer Stadt“. So entstünde Lebensraum für Pflanzen und Tiere.
Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Tatsächlich schwärmen seit einigen Jahren vier Bienenvölker vom begrünten Dach der Umweltbehörde über die Elbinsel täglich aus, um Nektar zu sammeln. Wer sich davon überzeugen will – eine Kamera macht das Beobachten möglich.
Fragt man Architekt Johann-Christian Kottmeier gibt es keinen Zweifel an den Vorzügen begrünter Dächer. Sieben davon hat er bereits geplant, erstmals 1984 in Allermöhe. „Und alle diese Dächer ,funktionieren’ noch“, erzählt er nicht ohne Stolz. Eines sei praktisch seit 27 Jahren von niemandem mehr angefasst worden, fügt er hinzu. Das zeige, wie wenig Pflege ein Gründach brauche.
Großer Gestaltungsspielraum
„Dort kann man alles machen, vom englischen Rasen bis zur wilden Wiese.“ Er selbst lässt auf einem Teilbereich seiner gut 300 Quadratmeter großen Dachlounge in Ottensen alles gedeihen, was sich dort ansiedeln möchte.
„Die Dachbahnen sind so wurzelfest und gut versiegelt, da richten auch die Samen von Ahorn- oder Birken keinen Schaden an. Die werden dort nicht größer als ein paar Zentimeter.“
Trotz Hitze schön kühl im Schlafzimmer
Er selbst liebt es, an lauen Sommerabenden oben in seinem Terrassengarten mit Rasenfläche zu sitzen und auf die Fläche mit Gräsern und Wiesenblumen zu schauen. „Wenn der Wind so durch die Gräser streift – das hat was!“
Dass es jetzt so trocken und heiß ist, bereitet dem viel beschäftigten Planer keine Sorgen. „Die Pflanzen erholen sich schon wieder“, ist er sicher.
Sein Gründach sorge jedenfalls dafür, dass er und seine Frau trotz Hitze gut schlafen könnten. „Das sollte man nicht unterschätzen. Unterhalb dieser Flächen bleibt es kühl und im Winter warm.“ Gut also fürs Stadt-und Raumklima.
Voraussetzung für die Förderung
Um ein Gründach planen und gefördert zu bekommen, müssen die Bedingungen stimmen. Die werden von der Umweltbehörde wie folgt definiert: mindestens eine 20 Quadratmeter große Begrünungsfläche und die Dachfläche darf maximal um 30 Grad geneigt sein.
Außerdem erhalten ausschließlich Eigentümer die Förderung, die ihr Dach freiwillig begrünen. Maximal 50.000 Euro werden je Maßnahme gegeben.
Maximal 60 Prozent der Kosten werden übernommen
Im Gegenzug werden die Kosten für die Herstellung einer Dachbegrünung mit natürlichem Erscheinungsbild (extensiv) auf etwa 25 bis 50 Euro pro Quadratmeter beziffert, die Kosten für die Pflege und Unterhaltung auf 0,50 bis zwei Euro pro Jahr.
Mit 30 bis maximal 60 Prozent wird eine Maßnahme bezuschusst. „Auf der städtischen Webseite ist ein Online-Fördermittel-Rechner hinterlegt, der nach Eingabe aller Daten einen guten Überblick über die mögliche Fördersumme gibt“, sagt Hanna Bornholdt.
Mit dem Ergebnis der Berechnung könne man sich anschließend an die IFB Hamburg wenden, die bei allen weiteren Schritten begleite.
Längere Haltbarkeit als ein Bitumendach
„Ein Gründach ist zwar im ersten Moment teurer als ein Kies- oder Bitumendach, gleichzeitig fallen aber viele Kostenpunkte weg“, erläutert Kottmeier. So müsse nahezu kein Blech verwendet werden, weil die UV- und wasserundurchlässige Folie sich wie eine zweite Haut auf alle Flächen lege. „Das ist von Vorteil auch bei Niveauunterschieden, beispielsweise wenn ein Schornstein zu berücksichtigen ist.“
Bei entsprechender Planung könne man sogar auf die Regenrinne verzichten, so der Architekt. Und während ein normales Flachdach meist alle 20 bis 30 Jahre saniert werden müsse, halte ein Gründach gut 40 Jahre oder sogar länger, fügt er hinzu.
Pia Schneider-Lademann und ihr Mann mögen sich ein Leben ohne ihre begrünte Dachterrasse nicht vorstellen. „Sie ist für uns ein Luxus in der Stadt“, erzählt die Unternehmensberaterin.
Gartenidyll mit Beeten und Podest
Bei der Planung halfen ihr die Landschaftsarchitekten Wiggenhorn & van den Hövel. Die machten aus der gut 80 Quadratmeter großen Fläche ein so gelungenes Gartenidyll mit Beeten, in denen abends Felsenbirnen verschiedener Wuchsart angestrahlt werden, dass die Dachterrasse jüngst in die engere Wahl beim Hamburger Preis für Grüne Bauten kam.
Clou der Planung: Die Fläche wurde unter anderem durch ein Podest zoniert. Dort kann man jetzt auf Liegen in die Baumwipfel schauen.
Auch Johann-Christian Kottmeier möchte nicht mehr auf seine große Dachlounge verzichten. „Hier kann ich den Jahreswechsel in luftiger Höhe erleben, und das mitten in Ottensen.“