Hamburg. Zu Besuch bei Jan Reinecke, Interessenvertreter von Kriminalbeamten. Er lebt mit Familie im Umland – um den nötigen Abstand zu finden.
Beschaulich geht es zu in der Straße, in der Jan Reinecke mit seiner Frau Yazmin und den beiden Töchtern wohnt. Wenn sich Besuch ankündigt, kann dies der Hamburger Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) schon von Weitem sehen.
Das findet er auch gut so: „Man hat sofort im Auge, wer sich in unserer Wohnsiedlung bewegt.“ Zwar habe das ab und zu den Nachteil, dass manches leicht als „eng“ empfunden werde, „aber die Vorteile überwiegen“, sagt der 41-Jährige.
Nie wird er vergessen, wie er das erste Mal den Müll herausbrachte und von allen auf der Straße freundlich gegrüßt worden sei. „Das wäre in Eppendorf, wo meine Frau und ich zuvor ohne Kinder wohnten, so nie passiert“, sagt Reinecke, der sich vor seiner Zeit als freigestelltes Personalratsmitglied mit Wirtschaftskriminalität beschäftigt hat.
Auch in der Wohnsiedlung wurde schon eingebrochen
Das bedeutet aber nicht, dass am neuen Wohnort, wo die Familie in einer 120 Quadratmeter großen Doppelhaushälfte mit Keller wohnt, nur Freude, Friede, Eierkuchen herrscht. „Auch in unserer Gegend wird viel eingebrochen. Sogar in unserer Wohnsiedlung haben sie es schon versucht“, erzählt Reinecke. Dennoch hält sich die Sorge des Kommissars in Grenzen, auch sein Haus könnte mal ins Fadenkreuz von Kriminellen geraten. „Bei uns ist nicht viel zu holen“, sagt er schmunzelnd. Und da das Wohnzimmerfenster freien Einblick gewähre, sei dies von außen gut zu erkennen.
Andererseits gibt es schon ein paar Vorkehrungen, um den Zugang ins Haus zu erschweren. „Wir haben Bewegungsmelder an der Terrasse und einen Sperrriegel an der Terrassentür“, sagt Reinecke. Er geht davon aus, dass dies reicht, um Einbrecher abzuschrecken. „Wer nicht binnen weniger Minuten reinkommt, versucht es woanders.“
Einbrüche verlagern sich ins Umland
Reinecke kann nicht verstehen, warum es in Bauordnungen nicht längst eine Vorschrift gibt, wonach nur Türen und Fenster einer bestimmten Widerstandsklasse eingebaut werden dürfen. „Das wäre doch das Einfachste, oder? Und würde der Polizei eine Menge an Arbeit mit Strafanzeigen und nachfolgende Ermittlungen sparen“, sagt der BDK-Landesvorsitzende, der die Interessen von rund 1500 Kriminalisten in Hamburg vertritt.
Gering seien zudem die Chancen, Täter zu fassen – schon aus personellen Gründen. „Die Soko ,Castle‘ arbeitet zwar in Hamburg sehr erfolgreich, aber das führt nur dazu, dass sich die Kriminalität verlagert – ins Umland.“ Das zeige die Zunahme an Einbruchsdelikten auch in Stormarn. Problem: Die Polizei dort ist angesichts der begrenzten Mittel überfordert. Tatsächlich ist der Kreis bei der Aufklärung von Straftaten bundesweit das Schlusslicht.
Den Schaden haben wir längst sozialisiert
Der Kommissar schaut deswegen nur selten „Tatort“. „Was dort gezeigt wird, ist weit entfernt von der Realität. Wenn überhaupt, dann schaue ich nur die überzeichneten ,Tatorte‘ mit Ulrich Tukur oder Axel Prahl als Kommissare.“ Die seien zumindest witzig. Dann fügt Reinecke ernst hinzu: „In Wirklichkeit sind wir doch längst dabei, den Schaden zu sozialisieren.“
Alle wüssten, dass die Bundesbürger gut gegen Einbruchs- oder Autodelikte versichert seien. „Außer den Betroffenen spürt doch keiner mehr schmerzhaft den Schaden.“ Und die Industrie beziehungsweise die Hersteller könnten gut damit leben, beklagt der einstige Jäger von Wirtschaftskriminellen. „Schauen Sie sich das Gesundheitswesen an: Dort kann ein Kassenpatient bis zum heutigen Tag nicht nachprüfen, was der Arzt in Rechnung stellt.“ Alle beklagen stattdessen steigende Kosten im Gesundheitswesen.
„Die Politik wird eigentlich immer nur dort tätig, wo der Druck durch die Öffentlichkeit wächst“, sagt Reinecke. Schon jetzt sei beispielsweise absehbar, dass es zu personellen Engpässen komme, wenn mehr Stellen bei der Polizei von Frauen besetzt werden. „Grundsätzlich ist das gut so, aber man muss doch einkalkulieren, dass einige von ihnen durch Mutterschaft zeitweilig ausfallen werden.“ Das geschehe aber nicht. „Die Politik will, dass sich Menschen sicher fühlen. Sie sind es aber nicht.“ Das Leben im Umland, die täglichen Fahrten mit dem Fahrrad zur Arbeit – „ich brauche 45 Minuten bis zum Präsidium in Alsterdorf“ – helfen ihm, Abstand zu finden. „Wir hätten uns in Hamburg aber auch kein Haus mit Garten leisten können“, räumt der Familienvater ein. Der Wegzug von Eppendorf war also notwendig – und gut.
Vertrauen in die Polizei darf nicht verloren gehen
„Die Sozialkontrolle durch die Nachbarn hier gibt uns ein Gefühl von Sicherheit.“ Insbesondere, wenn man ab und zu vergisst, den Schlüssel an der Haustür abzuziehen oder sie weit offen stehen lässt, um schnell mal nach den Kindern zu sehen. „Das ist mir alles schon passiert – zum Glück ohne Schaden“, gesteht Yazmin Reinecke. Dort, wo sie geboren sei, in Mexiko-Stadt, wäre so etwas undenkbar. „Leider.“ Jan Reinecke nimmt den Faden auf. „In Mexiko gibt es viele Menschen, die nicht mehr auf den Schutz durch die Polizei vertrauen und einen Sicherheitsdienst beauftragen.“ Soweit dürfe es hierzulande nicht kommen. „Das Vertrauen in die Polizei darf nicht verloren gehen.“
Er beobachtet mit Sorge, dass in den Elbvororten das offenbar der Fall sei. „Dort wird immer öfter auf Sicherheitspersonal gesetzt.“ Mehr Polizeipräsenz bedeute aber nicht automatisch mehr Sicherheit. „Wo die Polizei oft auftaucht, sind die Menschen alarmiert.“ Wie ist es eigentlich um das Sicherheitsgefühl der Familie bestellt, wenn sie in Hamburg ist? „Dann bin ich entspannt, während mein Mann mich ermahnt, wegen der vielen Taschendiebe mehr auf meine Handtasche zu achten“, erzählt Yazmin Reinecke. Ihre Sorge: „Wenn die Mädchen ohne uns abends unterwegs sind. Dann ist es hier bei uns recht einsam und dunkel.“