Hamburg. Am Wochenende stellt die Stattbau Hamburg an der Uni Baugemeinschaften vor. Zwei Beispiele zeigen, wie die Stadt davon profitiert.
Für Uschi Linke, Mitbegründerin von zwei Genossenschaften, darunter einer Dachgenossenschaft, steht fest: „Baugemeinschaften sind innovativ und haben Hamburg vorangebracht.“ Nicht zuletzt seien sie es gewesen, die das erste Passivhaus gebaut und das Thema Autofreies Wohnen in der Hansestadt populär gemacht hätten, fügt die Rentnerin hinzu. Sie selbst lebt seit Jahrzehnten in Wohnprojekten – derzeit im „Parkhaus“ am Park-Fiction in St. Pauli.
Wie ambitioniert und fortschrittlich denkend viele Baugemeinschaften sind, wird sich auch wieder auf den 12. Hamburger Wohnprojekte-Tagen erweisen. Sie finden am 23. und 24. September in der Universität Hamburg statt. Hier informieren nicht nur Fachleute, wie man eine Baugemeinschaft gründet und welche Organisationen einem dabei zur Seite stehen. Sie sind auch eine Plattform, um Kontakte zu knüpfen und zu erfahren, wie es sich in einer solchen Gemeinschaft lebt. So sind zum Beispiel am kommenden Sonnabend von 10 bis 12 Uhr Rundgänge und Besichtigungen zu zahlreichen Projekten geplant. Auch zu einer Hausgemeinschaft in St. Pauli.
Dort hat vor Kurzem die Baugemeinschaft kleinefreiheit Wohnkollektiv Richtfest gefeiert. Der Traum vom eigenen Haus – eigentlich sind es drei Gebäude – wird auf dem Gelände der ehemaligen Pestalozzi-Schule in der Kleinen Freiheit verwirklicht: 28 öffentlich geförderte Wohnungen, ein Café und eine Grünanlage, auf dem auch ein Kinderspielplatz entstehen soll, sind geplant. Hier will das Wohnkollektiv nicht nur wohnen, sondern dazu beitragen, den Charme St. Paulis zu bewahren. Denn viele wohnen bereits im Quartier und wissen, dass es mehr ist als eine Vergnügungsmeile.
Ein von der Stadt gefördertes Bauprojekt
Wenn alles klappt, sind die drei Häuser Anfang 2017 bezugsfertig. „Vielleicht aber auch noch in diesem Jahr“, hofft Sabine Langohr, Sprecherin der Baugemeinschaft. Hinter allen Mitgliedern liegt ein langer Weg. Joachim Regelien, Mitbegründer des Kollektivs, erinnert sich: „2005 kam zum ersten Mal die Idee auf, eine Baugemeinschaft zu gründen.
Ende 2010 wurden die Pläne dann konkret, als wir mit der Stattbau Hamburg einen Projektentwickler fanden.“ Seitdem ist das Wohnkollektiv ein von der Stadt Hamburg sozial gefördertes genossenschaftliches Bauprojekt, das unter dem Dach der Schanze e. G. (www.stattbau-hamburg.de) angesiedelt ist. 2013 kam es dann zur ersten Tuchfühlung mit den Architekten, dem Büro Heyden und Hidde Architekten aus St. Pauli – nachdem endlich die Finanzierung des Projekts gesichert war.
Dieser Punkt gehört ebenso wie die Suche nach einem geeigneten Grundstück zu den großen Hürden eines jeden Projekts. Nur wenige Baugemeinschaften sind in der Lage, dieses selbst zu finanzieren und als Eigentümer zu bewohnen. Die meisten wollen öffentlich gefördert bauen und in ihrem Haus, das sie als Kollektivbesitz verwalten, eine Wohnung mieten.
Dazu Stattbau-Geschäftsführer Tobias Behrens: „Man kann entweder eine eigene Genossenschaft oder eine andere Organisation gründen, um förderfähig zu sein, oder sich einer der traditionellen Hamburger Wohnungsgenossenschaften anschließen.“ Außerdem rät er, nicht nur innenstadtnah nach Grundstücken zu suchen. „Man hat viel mehr Chancen, schnell ein Grundstück zu bekommen, wenn man bereit ist, an den Stadtrand zu ziehen“, sagt Behrens.
Der Zusammenschluss war nötig
Die erste deutsch-türkische Baugemeinschaft „Mit Mekan gemeinsam älter werden“ hat Glück gehabt. Die Gruppe von etwas mehr als 50 Mitgliedern im Alter von 58 bis 80 Jahren zählt bald zu den Bewohnern der Neue Mitte Altona. Um ans Ziel zu gelangen, musste sie so manche Hürde bewältigen. So handelte es sich ursprünglich um zwei getrennt agierende Baugemeinschaften: die Baugemeinschaft „Gemeinsam älter werden“ und die Baugemeinschaft „Mekan“, türkische Bezeichnung für Heim.
Beide haben „fusioniert“, um ihr Ziel, als Senioren unter einem Dach zu wohnen und sich im Alltag zu unterstützen, realisieren zu können. Die Idee kam an, nicht nur bei der Stadt und dem Bezirk, die sich einen inklusiven und integrativen Stadtteil auf dem früheren Bahnareal wünscht. Sondern auch bei der Baugenossenschaft Kaifu-Nordland, die nun für die Baugemeinschaft dort einen Neubau errichtet.
Es ist für beide Seiten eine Win-win-Situation: Die Baugenossenschaft hätte ohne die Baugemeinschaft nie den Zuschlag bekommen, das Grundstück kaufen zu dürfen. Und die Baugemeinschaft hätte nie den Bau eines eigenen Hauses mit 47 Wohnungen für ältere Menschen finanzieren können – vom Kauf des teuren Grundstücks ganz zu schweigen.
Dietmar Baaß, Vorstandsmitglied bei der Kaifu-Nordland, zum weiteren Vorgehen: „Die Baugemeinschaft wird Mitglied bei uns als Genossenschaft und wir vermieten die Wohnungen an die Baugemeinschaft. Idealerweise, so ergänzt er, gehe die Baugemeinschaft in einer besonderen Form in der Genossenschaft auf und sei offen für Altmitglieder der Genossenschaft.
Die Gesprächskultur in den Gruppen unterscheidet sich
Doch die Senioren wünschen sich bei Neubelegungen ein Vorschlagsrecht. „Neue müssen zum Konzept und in die Gruppe passen“, sagt Fatma Celik von der Baugemeinschaft „Mit Mekan gemeinsam älter werden“. 80 Prozent der Mitglieder, so die Türkin, die mit ihrem Mann den interkulturellen Seniorentreff „Mekan“ in Altona leitet, seien Frauen. Für sie nicht verwunderlich: „Frauen sind risikobereiter und eher bereit, im Alter noch einmal einen Neuanfang zu wagen“, so ihre Beobachtung .
Viele Treffen haben seitdem stattgefunden. Zusammen mit den Partnern von SML-Architekten, die den Architektenwettbewerb gewonnen haben, wurde diskutiert, was im Rahmen der öffentlichen Förderrichtlinien machbar ist und was nicht. „Die Treffen waren sehr konstruktiv, weil die Mitglieder der Baugemeinschaft realistisch und kompromissbereit waren“, sagt Architekt Benedikt Schmitz. Zum Wunschkatalog der Senioren gehören ein Dachgarten, Balkone statt Loggien, ein Sitzbereich vor der Tür und helle Farben. Außerdem ist ein „kultursensibler“ Pflegedienst im Haus vorgesehen.
Die deutschen und die türkischen Seniorinnen und Senioren wissen, dass sie vor einer großen Herausforderung stehen. Nicht nur, dass nicht alle der türkischen Mitglieder hinreichend Deutsch sprechen, beide Gruppen haben auch verschiedene kulturelle Hintergründe, stammen aus verschiedenen sozialen Milieus. Schon jetzt zeichnen sich unterschiedliche Gesprächskulturen ab. Man wird wohl lernen müssen, die Unterschiedlichkeiten zu tolerieren und sich anzunähern. Bis dahin hat die Baugemeinschaft aber noch Zeit, denn vor 2018 werden sie ihre Wohnungen nicht beziehen können.
Anmerkung der Redaktion: Ein nicht autorisiertes Zitat wurde aus dem Text gestrichen.