Drei Projekte in Eimsbüttel und Winterhude zeigen, wie Verdichtung auf bislang wenig genutzten Flächen funktioniert. Die Vorteile überwiegen, auch weil auf diese Weise dringend benötigter Wohnraum in Hamburg entsteht.

Anette Bethune

Beim Wort Verdichtung fällt vielen zunächst nur Negatives ein: Grünes weicht Beton, Freiraum geht verloren, alles wird enger. Verdichtung kann jedoch auch mit Verschönerung einhergehen, insbesondere, wenn die Lücke für neuen Wohnraum genutzt wird. Ein Beispiel hierfür ist das Projekt in der Hoheluftchaussee 21.

Wo früher ein in die Jahre gekommener, hässlicher eingeschossiger Klinkerbau zu sehen war, der sich nie in die lieblos zusammengewürfelte Nachbarschaft einfügte, ist jetzt ein Wohn- und Geschäftshaus mit markanter Glasfassade zu sehen. Das Projekt nennt sich Living Tower XXS und stellt so etwas wie die Altersvorsorge des Hamburger PR-Unternehmers An­dreas Fischer-Appelt dar, wie er bei der Begehung des Gebäudes augenzwinkernd erzählt. Es ist sein erstes Wohnprojekt, in das er investiert. Und er will es gut machen, wie der Unternehmer betont. Noch allerdings sind die neun Mietwohnungen mit Flächen zwischen 70 und 120 Quadratmeter nicht bezogen, ebensowenig wie die Büroetage im ersten Obergeschoss und die Ladenfläche im Erdgeschoss. Dafür waren alle Flächen in kürzester Zeit vergeben. Ende Juni/Anfang Juli sollen die ersten Mieter bereits einziehen können.

Mit spitzer Feder habe man rechnen müssen, erzählt Fischer-Appelt. Es sei nicht leicht gewesen, die vielen Vorgaben der Genehmigungsbehörden in Einklang zu bringen mit dem Wunsch, bezahlbaren Wohnraum in einem architektonisch ansprechenden und energieeffizient ausgestalteten Gebäude zu erstellen. „Mir ist Architektur sehr wichtig“, sagt der Unternehmer. Stolz verweist er dabei auf den Preis, den 2004 der Firmensitz seiner Agenturgruppe „Waterloohain“ im Bezirk Eimsbüttel nach dem Umbau durch den Hamburger Architekten Carsten Roth erhalten hatte.

Dieses Mal hat er sich vom Hamburger Büro blauraum Architekten beraten lassen. Auch dieser Bau hat Chancen, so etwas wie Leuchtturmcharakter im Bezirk zu bekommen. Denn Architekt Volker Halbach, zugleich Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten (BDA) in Hamburg, hat sich etwas Besonderes einfallen lassen: Das sechsgeschossige Gebäude erhielt eine bewohnbare Doppelfassade. So verbergen sich hinter der verspiegelten Glasfront sogenannte Holzlaubenloggien. „Sie fungieren auch als Pufferzone zwischen der stark befahrenen Straße und den dahinter liegenden Schlafräumen“, sagt Halbach. Zudem dienen sie bei Brandgefahr als schnelle Möglichkeit, das Gebäude gefahrlos zu verlassen.

Apropo Feuer: Bewusst hat sich Fischer-Appelt gegen eine Dämmung der Fassade mit Styroporplatten und damit gegen ein preiswertes und umstrittenes Verbundsystem entschieden. Stattdessen kam umweltfreundlichere Mineralwolle zur Anwendung. Auch so können die künftigen Bewohner geruhsam schlafen: Eine integrierte Lüftungsanlage garantiert einen lautlosen und regelmäßigen Luftaustausch.

Die Wohnräume wurden indes zur straßenabgewandten ruhigen Südseite hin verlagert. Und hier überrascht tatsächlich, wie wenig man von der vierspurigen Ausfallstraße hört. Wer die Dachterrasse des 120 Quadratmeter großen Penthauses oder einen der Balkone der Mietwohnungen betritt, hört Vögel zwitschern und blickt in zum Teil begrünte Hinterhöfe.

Dass fast die gesamte Fläche des Grundstücks für die Bebauung genutzt werden konnte, wird an der großzügig ausgelegten Dachlandschaft im ersten Obergeschoss deutlich. So entstanden Erweiterungsflächen für ein Lebensmittelgeschäft im Nebengebäude. Allerdings musste das Gebäude ein wenig zurückgesetzt geplant werden. Dadurch soll mehr Platz für Fußgänger geschaffen werden, denn Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke schwebt so etwas wie eine Flaniermeile auch auf dieser Seite der Ausfallstraße vor – eine Vorgabe, die alle Investoren einhalten müssen, die hier bauen wollen.

Im Gegenzug dürfen die Investoren in die Höhe gehen. Fischer-Appelt und das Büro blauraum wussten das zu nutzen, indem der Living Tower XXS sechs Etagen erhielt – und damit die maximal erlaubte Geschosszahl. Auch dies untermauert ein wenig den Leuchtturmcharakter. Noch – denn weitere Wohnbauvorhaben sind auf dieser Seite der Hoheluftchaussee längst in der Entstehung.

Eine weitere hässliche Baulücke – ebenfalls in Eimsbüttel – verschwindet bald in der Tegetthoffstraße. Hier plant Architekt Babis C. Tekeoglu im Auftrag von Grundstückseigentümer und Bauherr Michail Papadopoulos einen Neubau mit elf Wohnungen. Sie sollen Wohnflächen zwischen 25 und 55 Quadratmeter bieten. „Wir hatten ursprünglich vor, hier vier Loft-Wohnungen mit einem Penthaus und einer Büroeinheit im Erdgeschoss zu planen, und hatten dafür auch bereits eine Baugenehmigung vorliegen“, sagt der Architekt. Dann habe sich der Bauherr, der seit 35 Jahren mit Familie in Hamburg lebt, entschieden, doch eher bezahlbaren Wohnraum für Studenten oder Pärchen anzubieten.

Wenn alles gut geht und die Behörden kein Veto einlegen, soll der eingeschossige Bestand bald abgerissen und mit dem Bauvorhaben im Juli begonnen werden. „Der Neubau könnte dann voraussichtlich im Mai oder Juni 2016 bezogen werden“, freut sich Tekeoglu, der sich bereits seit gut zehn Jahren mit dem Thema „Baulückenmanagement“ beschäftigt.

Seiner Meinung nach gibt es noch viel „ungenutztes Potenzial“ in Hamburg, um Wohnraum zu errichten. „Zum Beispiel auf so manchem Dachboden“, ergänzt der Architekt. Auch deshalb plant er für circa zwei Wochen – vor Abbruch des Bestands in der Tegetthoffstraße – dort eine Info-Box einzurichten. Hier will er Grundstückseigentümern und Hausbesitzern zeigen, wie Flächen genutzt werden können. Zugleich soll dort über Baurecht und Fördermittel informiert werden. Denn nicht jede Baulücke kann ohne weiteres bebaut werden. Das zeigt eine Planung in der Sierichstraße. Dort wird zunächst das Räumungskommando anrücken, um das Gelände auf mögliche Gefahren zu untersuchen. Danach hofft Architekt und Investor Bernd Gruber ein Gebäude errichten zu können, dass sich von seiner Höhe und seinem gesamten Erscheinungsbild her harmonisch in sein Umfeld anpasst. „Das war mir wichtig. Ich habe den Neubau nur ein wenig moderner interpretiert als die unter Denkmalschutz stehenden Gebäude in der Nachbarschaft“, sagt der 75-jährige Architekt.

Die Planungen des Architekten überzeugen, und zwar nicht nur die Genehmigungsbehörden, sondern auch Kaufinteressierte: Drei der geplanten fünf Wohnungen in dem Neubau sind bereits reserviert. Dabei weist bislang nur ein Bauschild auf die Planung hin, die eine rotverklinkerte Fassade mit weißen Putzelementen vorsieht.

Wer sich für eine der verbliebenen Wohnungen interessiert, muss mit Kaufpreisen rechnen, die sich an einem Quadratmeterpreis von etwa 7000 Euro orientieren. Dafür bekommt man allerdings hochwertig ausgestattete Wohnungen mit Parkettboden und Fußbodenheizung. Schallschutzfenster und eine Lüftungsanlage werden dafür sorgen, dass sich der Lärm an der stark befahrenen Sierichstraße auch hier in Grenzen hält. „Und nach hinten raus plane ich in Südwestausrichtung einen schönen Garten für die Bewohner“, sagt Gruber.

Dazu mehr unter Tel. 53 78 97 03.www.bauluecken-management.deUnter www.hamburg.de/bsu/wohnungsbau ist eine Karte mit potenziell bebaubaren Flächen hinterlegt.