Die Bilanz der Hamburger Stararchitekten Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg ist beeindruckend. Mit ihren Entwürfen machten sie weltweit Furore. Manches würde ihr Büro gmp in der Hansestadt anders machen

Wie alles anfing, daran erinnerte Volkwin Marg in seiner Rede zum 80. Geburtstag von Meinhard von Gerkan unlängst in der Zeitschrift „der Architekt“: „Naiv inserierten wir im Hamburger Abendblatt ,Architektenzeichnungen fertigen billigst, Tel. 451026.’ Darauf meldete sich nur ein Taxifahrer für seinen Garagenbau. Aber bauen konnten wir noch gar nicht.“

Das war 1964/1965. Mittlerweile haben die beiden geübten Entwerfer, die damals schon etliche Preise für ihre Auftraggeber holten, eines der renommiertesten Architekturbüros aufgebaut – mit 13 Standorten weltweit. Fast 600 Preise, darunter über 310 erste Preise sowie zahlreiche Auszeichnungen für beispielhafte Architektur, haben die beiden Altmeister mit ihrem Büro gmp errungen. Den „bejubelten Erfolgen stehen auch ärgerliche Fehlschläge gegenüber“, wie Marg in der Rede einräumt. Dazu zählt er neben dem Berliner Hauptbahnhof, der später „kostspielige Verstümmelungen erlitt“, das „nicht enden wollende Management-Desaster“ für den Berliner Flughafen BBI. Unbestritten ist jedoch: Nach Plänen von gmp entstanden nicht nur Flughäfen, Stadien und ganze Städte wie Lingang in China, sondern auch mehr als zwei Dutzend Villen sowie Mehrfamilienhäuser. Dazu gehören in Hamburg das Wohnensemble an der Saarlandstraße/Alte Wöhr sowie die Wohnbebauung Jenfelder Au.

Volkwin Marg, 78, bezeichnet die Architektur, für die er seit einem halben Jahrhundert steht, als „wertkonservativ, doch zeitlos“. Auch Meinhard von Gerkan – beide führen mittlerweile den Titel eines Professors – ist der Überzeugung, Architektur dürfe nicht modisch sein: „Alle großen Bauten sind primär geprägt durch strukturelle Ordnung – was wir machen, ist also Kon­s­truktivismus, sozusagen – unverbrämt.“ Ein Wohnhaus sollte als Hülle für die Vielfalt des menschlichen Daseins möglichst selbstverständlich gestaltet sein, sagt der Architekt.

Das Wohnhaus am Strandweg in Blankenese, oberhalb des kleinen Restaurants „Kajüte S.B. 12“ und einer der jüngeren Entwürfe des Büros, verdeutlicht in puristischer und klassischer Bauweise die Architekturauffassung des Büros: Festigkeit, Dauerhaftigkeit und Schönheit sind danach wichtige Kriterien für ein Wohnhaus. Villen, so heißt es, werden als individuelle Gebäude gesehen, zwischen Tradition und Moderne. „Ihre Formen- und Materialsprache soll vor allem den ,Geist des Ortes’ widerspiegeln, denn ob Holz, Putz oder Glasfassade – jede Immobilie soll auf ihre Weise mit der Topographie verschmelzen“, sagt Nikolaus Goetze, der die Büros von gmp in Hamburg-Elbchaussee, Shanghai und Hanoi leitet.

Behaglichkeit, Bezahlbarkeit und Energieeffizienz sind dabei weitere Kriterien, die das Büro bei seinen Entwürfen auch an den Geschosswohnungsbau anlegt. Ein gutes Beispiel sei das Projekt Harderweg in Hamburg-Osdorf, betont Goetze. Hier entstanden nach Entwürfen von gmp vor zwei Jahren 63 Sozialwohnungen, überwiegend familiengerechte sowie einige Altenwohnungen (Mehrgenerationenhaus) im Effizienzhaus-55-Standard für rund 1000 Euro pro Quadratmeter. Das Büro gewann damit den Wettbewerb der Hamburger Wohnungsbauoffensive. „Das ist eine gute Adresse geworden“, freut sich Goetze. Die Wohnungsgrundrisse ermöglichten eine flexible Nutzung, die Energietechnik sei solide, „aber nicht übertrieben“, die Grünflächen seien Teil des Ensembles.

Und wie fällt das Urteil der Stararchitekten aus, wenn sie die Arbeiten anderer Architekten in Hamburg bewerten sollen? Die Aufstockung eines zweigeschossigen, in Holzbauweise errichteten Wohnhauses von 1959 in der Bebelallee findet Goetze vorbildlich.

Ganz anders fällt seine Bewertung hinsichtlich der Sophienterrassen an der Außenalster aus: „Viel zu oft entstehen singuläre Objekte, denen der Bezug zu Nachbargebäuden fehlt. Urbanität erreicht man bei der Verdichtung viel besser, wenn man auf Ensembles setzt.“ Die Planungen für die Sophienterrassen erfüllten diese Kriterien nicht: „Die Stadthäuser und Villen, für die immerhin bis zu 15.000 Euro pro Quadratmeter verlangt werden, wirken zusammenhanglos und wie Fremdkörper, strahlen eher Seelenlosigkeit und Unfreundlichkeit aus“, sagt der Büroleiter. Das Gelände sei zudem eingezäunt, videoüberwacht und mit „Durchgang verboten“-Schildern versehen. „Die Chance, auf dem ehemaligen Bundeswehr-Gelände eine kleine Stadt in der Stadt zu errichten, ist damit vertan worden“, sagt Goetze.

Apropos seelenlose Architektur: Findet der Planer den Vorwurf auch mit Blick auf Quartiere wie die HafenCity berechtigt, wo viele Bürger sich an der würfelartigen Einheitsarchitektur stören? Die Antwort ist ausweichend. „Viel wichtiger ist, dass die Nutzungsvielfalt der Hafencity, bestehend aus Gewerbe, Büro, Wohnen und Kultur, immer wieder aufs Neue überprüft und angepasst wird.“ Die Ausrichtung der Olympischen Spiele in 2024 oder 2028 böte die Chance, dass sich das Quartier als städtebaulicher Motor entpuppe, der entscheidende Impulse für die Zukunft Hamburgs gebe.

Goetze ist sicher: Das Konzept von Oberbaudirektor Jörn Walter, urbane Quartiere mit Wohnungen, Arbeitsplätzen und Bildungseinrichtungen zu planen, aufgelockert mit Plätzen zum Verweilen, ist richtig. „Die Zahl der Single­-Haushalte wird weiter zunehmen, in Hamburg liegt sie schon bei über 50 Prozent. Auch Migration und veränderte Bedingungen von Familie und Arbeitsalltag wirken auf die Metropole ein. Dafür brauchen wir eine verdichtete Stadt und entsprechenden Wohnraum, der sich allen Lebensphasen anpasst.“ Dem Trend zu „seelenloser Architektur“ könne man entgegenwirken, wenn man Architektur als Kunst mit gesellschaftlich-sozialer Bindung verstehe. „Das ist unsere Haltung“, sagt Goetze. Bei gmp versuche man, dieses Verständnis auch bei Bauherren und Investoren herzustellen.

Die beiden Altmeister geben ihr Wissen mittlerweile in der Architekturakademie Academy for Architectural Culture (aac) in der ehemaligen Seefahrtschule an der Rainvillenterrasse in Altona weiter. Nikolaus Goetze fördert hier außerdem den Knowhow-Transfer aus Fern-Ost: „Wir können im Wohnungsbau viel von den Asiaten lernen, beispielsweise die Klimafreundlichkeit der Gebäude. Das beginnt bei der Ausrichtung des Hauses zur Sonne und reicht bis zur architektonisch erzeugten Verschattung – Kriterien, die bei der Stadtverdichtung nicht vernachlässigt werden sollten.“