Eigentlich plante das Ehepaar für sich und seine drei Söhne eine Kaffeemühle in Bargteheide. Doch ein Hamburger Architekt entwarf etwas völlig anderes - und überzeugte.
Hamburg. Einige bleiben unvermittelt stehen, andere schauen eher verstohlen - eines ist aber sicher: Das Pultdachhaus mit den orange- und anthrazitfarbenen Eternitplatten im herauskragenden Obergeschoss sorgt in der Neubausiedlung am Rande von Bargteheide (Kreis Stormarn) für Aufsehen. Der Grund: Es tanzt zwischen all den vornehmlich rot verklinkerten Häusern sozusagen aus der Reihe.
"Wir wissen, dass unser Haus polarisiert", sagt Annette G., "aber wir haben gelernt, damit umzugehen. Einige sagen, das Haus ähnele einem Verwaltungsbau, andere zeigen sich aber auch fasziniert von der Architektur." Nur für die Kinder sei es oft schmerzhaft, wenn sie die zum Teil abschätzigen Kommentare der häufig und gern an ihrem und den anderen Neubauten vorbeiziehenden Passanten hörten.
Für Annette und Sven G. indes besteht kein Zweifel: Das Haus würden sie wieder so bauen. Nicht nur, weil es ihnen gegenüber der Doppelhaushälfte, in der sie vorher wohnten, ein völlig neues Lebensgefühl vermittelt. Sie sind auch stolz darauf, ein von der Architektur her ungewöhnliches Haus zu besitzen, eben ein Unikat.
Ursprünglich hatten sie allerdings vor, eine ganz konventionelle Kaffeemühle zu bauen. Mit viel Platz für die drei Kinder im Obergeschoss und einem großen Wohn- und Essbereich im Erdgeschoss, in dem zugleich ihr Schlafzimmer und das Elternbad angesiedelt sind. Doch daraus wurde nichts, denn sie wandten sich an den Architekten Dirk Landwehr ( www.trapez-architektur.de ), nachdem ein erster Anlauf bei einem anderen Architekten eher uninspiriert verlaufen war. Auch Landwehr wiegelte zunächst ab und sagte: "Kaffeemühle - das kann ich nicht!" Daraufhin ließ er drei Wochen nichts von sich hören. "Wir waren in dieser Zeit ein wenig ratlos", erinnert sich Annette G.. Immerhin war ihnen der Architekt von einem guten Freund und Partner von Sven empfohlen worden, mit dem er zusammen eine Firma im Baugewerbe betreibt.
Dann aber meldete sich der Hamburger Planer wieder und kündigte gleich drei völlig verschiedene Entwürfe an. "Jeder für sich so schön, dass ich damals jubelnd durchs Haus gelaufen bin", sagt Sven G. Doch ein krankes Kind machte damals seine Frau zum kritischen Gegenpart: Mal war der Grundriss nicht alltagstauglich genug, mal war die bebaute Fläche einfach zu einnehmend für das circa 600 m⊃2; große Grundstück in Bargteheide.
So machte sich Dirk Landwehr mit seinem Team noch einmal an die Arbeit. Diesmal war der Entwurf perfekt, nur eine Sache war anders: Statt der bislang von dem Architekten angedachten Hausverblendung mit Lärchenholz verpackte er das Haus mit farbigen Eternitplatten.
"Dieser Sprung passte einfach zu der gesamten Entstehungsgeschichte des Hauses und auch zu dem Wunsch der Bauherren, mit mir etwas Neues zu wagen", erinnert sich der Architekt, der sich zu diesem Zeitpunkt schon einen Namen gemacht hatte mit zum Teil unkonventionellen Entwürfen für die Erweiterung und den Bau öffentlicher und gewerblicher Gebäude. "Wohnhäuser hatte ich bis dahin nicht mehr als vier oder fünf realisiert", sagt der Planer.
Doch das Bargteheider Ehepaar machte den Sprung mit. "Wir haben ein wenig gestutzt, uns dann ein ebenfalls mit orangefarbenen Eternitplatten versehenes Gebäude in einer benachbarten Stadt angeschaut und uns darauf geeinigt, zumindest zur Straße hin das Erdgeschoss mit dunklem Klinker zu verblenden", sagt Annette G. So sollte im unteren Bereich eine Anbindung zur Nachbarschaft hergestellt werden. Für die nach Süden hin ausgerichtete Gartenfront wurde indessen eine über die gesamte Breite des Hauses angelegte, elektronisch ausfahrbare Markise angedacht - gestreift in Orange und Anthrazit. Die drei Kinderzimmer im herauskragenden Obergeschoss erhielten dagegen dunkle Verschattungsrollos.
Der eigentliche Clou des Hauses ist für Besucher auf den ersten Blick gar nicht sichtbar: Hinter der Spiegeltür, direkt nach Betreten des Hauses, verbirgt sich ein wandhohes Schuhregal, das auch vom Hauswirtschaftsraum dahinter zugänglich ist. "Eine Idee, die wir aus unserem Alltag mit den Kindern eingebracht haben", sagt Sven G. Ein schönes Beispiel dafür, wie in diesem Haus Funktionalität und Kreativität zusammengefunden haben.
Dirk Landwehr belegt längst an einem weiteren Projekt in Volksdorf, dass er gern mit Bauherren neue Wege beschreitet. Einem Siedlungshaus, das nicht abgerissen, sondern modernisiert und erweitert werden sollte, verpasste er einen über die gesamte Gartenfront des Hauses gläsernen Kubus im Erdgeschoss. "Die Situation ähnelt der in Bargteheide. Auch hier sind die Eigentümer bereit, Neues zu wagen. In Bargteheide war dies auch möglich, weil der Bezug zum Baugewerbe da war. Und ich freue mich, dass wir mit dem Haus der Bauordnung ein Schnippchen schlagen konnten, denn die Vorgabe lautete, nur anderthalbgeschossig zu bauen. Das ist mir mit dem Haus gelungen, und die drei Jungen haben Zimmer ohne Schrägen erhalten."