Vor allem die Einwohner in Los Angeles und San Francisco leben auf einem Pulverfass.

Kalifornien sollte sich für ein schweres Erdbeben innerhalb der nächsten 30 Jahre rüsten. Nach den Berechnungen von Seismologen wird der "Goldene Staat" an der amerikanischen Westküste bis 2037 von einem schweren Erdstoß der Stärke 6,7 auf der Richterskala erschüttert werden. Das Beben kann aber auch stärker werden. Dies ist das Ergebnis einer jetzt vorgestellten Studie, an der unter anderem die US-Behörde Geological Survey und das südkalifornische Erdbebenzentrum mitwirkten.

Die Wahrscheinlichkeit für ein schweres Beben in dem Westküstenstaat liege bei 99,7 Prozent, teilten die Wissenschaftler mit. "Immer wenn sich die Erde bewegt, denken die Leute hier über Erdbeben nach, aber zehn Tage später haben sie es schon wieder vergessen, das sollten sie besser nicht", so der Seismologe David Schwartz vom Geological Survey in Menlo Park. Vor allem die Einwohner in den Großräumen Los Angeles und San Francisco leben auf einem Pulverfass. Sie sind nicht nur durch die großen Verwerfungen Hayward-Graben und San-Andreas-Graben bedroht, sondern auch einem Netzwerk kleinerer Gräben ausgesetzt, die teilweise noch nicht erforscht sind. Das gefürchtete "Big One" könnte nach den neuen Berechnungen weite Gebiete in Schutt und Asche legen. Ein katastrophales Beben der Stärke 7,5 oder mehr ist zu 46 Prozent wahrscheinlich, so die Prognose. Dabei sei Südkalifornien noch mehr gefährdet als die Region um San Francisco im Norden.

Die Vorhersagen beruhen auf einem neuen Untersuchungsmodell, das Informationen aus den Bereichen Seismologie, Erdbeben-Geologie und Erdvermessung verbindet. Der Bericht soll Städteplanern, Baubehörden und Hausbesitzern dabei helfen, die Straßen und Gebäude in stark gefährdeten Gebieten "erdbebensicherer" zu machen. Besondere Sorge macht den Forschern in Nordkalifornien die Hayward-Falte, die sich durch dicht besiedelte Vororte um San Francisco zieht. Dort stoßen zwei geologische Platten aufeinander; die eine bewegt sich tief unter der Erdoberfläche langsam nach Norden, die andere nach Süden. Durchschnittlich alle 140 Jahre entlädt die Hayward-Verwerfung den angestauten "Stress", das letzte Beben fand 1868 statt - vor 140 Jahren. "Egal wie man es dreht, wir befinden uns haargenau in dem Zeitbereich, in dem es gemäß früherer Beben passieren sollte", erklärt David Schwartz.

Bei dem Beben in San Francisco 1906 hatte der nördliche San-Andreas-Graben seine Spannung entladen. Das Beben der Stärke 7,9 und das nachfolgende Feuer töteten 3000 Menschen. 28 000 Häuser wurden zerstört, 250 000 Menschen wurden obdachlos. Das südliche Ende der San-Andreas-Verwerfung, nahe Los Angeles, hat sich in den vergangenen 300 Jahren relativ ruhig verhalten, warnen die Wissenschaftler. Doch sie stoßen auf taube Ohren. Einer Umfrage aus 2006 zufolge machen sich nur neun Prozent der Kalifornier "häufig Gedanken" über Erdbeben.