Verletzungen im Knie bedeuteten bisher: heftige Schmerzen und ein Kunstgelenk. Ärzte haben jetzt eine neue schonende Therapie entwickelt: Knorpelgewebe des Patienten wird mit besonderer Technik vermehrt und in das Knie eingesetzt. Seit Anfang des Jahres übernehmen Krankenkassen die Kosten.

Es sorgt für reibungslose Bewegungen und ist sozusagen der "Stoßdämpfer" unseres Körpers: der sogenannte hyaline Knorpel, der jede Gelenkfläche überzieht - ein widerstandsfähiger Puffer, der aber auch sehr empfindlich ist. Denn das Knorpelgewebe kann sich nicht selbst regenerieren.

Das bedeutet: Wenn bei einer Verletzung, wie zum Beispiel einem Kreuzbandriss im Kniegelenk, der Knorpel beschädigt wird, können tiefe Defekte entstehen, die ohne Therapie zu dauernden Schmerzen und Funktionseinschränkungen in dem betroffenen Gelenk führen. Bei schweren Knorpelschäden im Kniegelenk hieß das für den Patient früher in der Regel, dass er ein Kunstgelenk brauchte. Heute gibt es schonendere Methoden, die in den 90er-Jahren entwickelt wurden und vielen Patienten diese Endoprothese ersparen können.

Eines dieser Verfahren ist die Transplantation körpereigener Knorpelzellen, die folgendermaßen funktioniert: "Bei einer Gelenkspiegelung (Arthroskopie) wird aus einer unbelasteten Ecke der Knorpelfläche ein winziges Stück Knorpel entnommen. Dann wird dieses Gewebe im Labor mit speziellen Techniken vermehrt. Das neu gezüchtete Knorpelgewebe wird in ein Vlies mit einer dreidimensionalen Struktur, einem Gitternetzwerk, eingelassen.

Diese Aufbereitung der Knorpelzellen dauert ungefähr drei Wochen. "Dann wird in einer zweiten Arthroskopie dieses Vlies, das vorher genau auf die Größe des Knorpeldefektes zugeschnitten wurde, in das Kniegelenk des Patienten eingesetzt und festgenäht", sagt der Orthopäde Dr. Carsten Lütten. Er und sein Kollege Dr. Johannes Holz wenden dieses Verfahren bereits seit 2002 bei ihren Patienten in der Park-Klinik Manhagen in Großhansdorf an.

Die Bänder rund um das Kniegelenk müssen stabil sein

Zunächst war diese Behandlung nur einem kleinen Patientenkreis vorbehalten, weil das aufwendige und teure Verfahren nicht von den Krankenkassen bezahlt wurde und die Patienten die Kosten komplett selbst tragen mussten. "Aber seit Anfang dieses Jahres haben wir mit allen privaten und gesetzlichen Krankenkassen einen Vertrag geschlossen, sodass jetzt bei allen unseren Patienten die Kosten für dieses Verfahren vollständig übernommen werden", erklärt Lütten.

"Mit der Knorpeltransplantation kann man Defekte bis zu einer Größe von zwei mal drei Zentimetern behandeln", sagt Johannes Holz. "Wir können dem Patienten auch mehrere Transplantate dieser Größe einsetzen. Allerdings ist die Methode nur geeignet, wenn es sich um umschriebene, klar abgegrenzte Löcher im Knorpel handelt." Das seien meistens Knorpelschäden, die als Folge einer Verletzung aufgetreten sind. Verschleißerscheinungen, bei denen die gesamte Knorpelfläche im Kniegelenk abgerieben ist, wie etwa bei einer schweren Arthrose, könne man damit nicht behandeln.

Und das Verfahren macht nur dann Sinn, wenn die Bänder im und um das Kniegelenk herum stabil sind. "Das heißt: Bei einem Kreuzbandriss mit einem Knorpelschaden würden wir zunächst den Bänderriss operieren und dabei bereits Knorpelzellen für das Transplantat entnehmen. Einsetzen können wir das neue Gewebe aber erst, wenn der Kreuzbandriss komplett ausgeheilt ist, sodass die Zellen in einem stabilen Gelenk heranreifen können", erklärt Lütten. Auch wenn der Patient erst später operiert werden möchte, ist das möglich. "Wir können die Zellen für bis zu zwei Jahre nach der Entnahme einfrieren. In diesem Zeitraum kann der Patient den Zeitpunkt bestimmen, der für ihn am günstigsten ist."

Denn für die Nachbehandlung nach der Transplantation muss er etwas Zeit aufbringen, auch wenn die Methode gegenüber den ersten Knorpeltransplantationen in den 90er-Jahren heute schon einen entscheidenden Vorteil hat. "Durch die feste Verankerung des Transplantates ist das Gelenk sofort nach dem Eingriff bewegungs- und übungsstabil. Das heißt, der Patient kann das Gelenk sofort normal bewegen", betont Holz.

Allerdings muss er das Bein für die ersten zwei Wochen komplett entlasten und an Gehstützen gehen. Dann wird die Belastung nach und nach erhöht, bis der Patient nach sechst Wochen das Bein wieder voll belasten kann. Bis das neue Knorpelgewebe aber richtig fest ist, dauert es ungefähr ein Jahr. "Deswegen sollten die Patienten ein Jahr warten, bevor sie wieder Leistungssport treiben", sagt Lütten. Sie dürfen schon vorher wieder schwimmen oder Radfahren. Ungünstig hingegen seien Sportarten, die mit schnellen Stopp- und Drehbewegungen verbunden sind und so den Knorpel im Kniegelenk zusätzlich belasten. Dazu gehören zum Beispiel Basketball, Squash oder Tennis.

Sind die Knorpeldefekte kleiner als einen Quadratzentimeter, haben die Orthopäden andere Methoden zur Verfügung, mit denen der Knorpelschaden schon während einer Operation behandelt werden kann. Das Prinzip ist in allen Verfahren ähnlich: Der unter dem Knorpelschaden liegende Knochen wird angebohrt. Dadurch wandern mit dem Blut Stammzellen in den Defekt, der mit einer dreidimensionalen Matrix abgedeckt wird. Sie bildet sozusagen ein Gerüst, in dem sich die Stammzellen ansiedeln und zu Knorpelzellen weiterentwickeln.

Stammzellen wandern im Knochen nach oben

Holz und Lütten sind jetzt an einer internationalen Studie beteiligt, in der eines dieser Verfahren getestet werden soll. "Dabei bohrt man den Knorpeldefekt so aus, dass ein zylinderförmiges Loch entsteht. In dieses Loch wird ein vorgefertigter Zylinder mit einer dreidimensionalen porösen Struktur eingelassen. Die Stammzellen, die aus den Bohrlöchern im Knochen nach oben hochwandern, wachsen in dieses Gerüst hinein und entwickeln sich an der Oberfläche zu hyalinartigem Knorpel", erklärt Holz.

Erste Ergebnisse seien vielversprechend. Allerdings sei diese Methode nur bei Knorpeldefekten bis zu einer Größe von elf Millimetern anwendbar.

"Wir können die Zellen für bis zu zwei Jahre einfrieren. In diesem Zeitraum kann der Patient den Zeitpunkt selbst bestimmen."