Die Ärzte in Miami sprechen von einem Wunder: Trotz eines Geburtsgewichts von nur 280 Gramm hat das Mädchen überlebt - und entwickelt sich prächtig.
New York. Als sie geboren wurde, war sie buchstäblich nur eine Handvoll: 24 Zentimeter groß und 280 Gramm schwer. Ihre Füßchen bedeckten gerade einmal eine Fingerkuppe, ihre statistischen Überlebenschancen lagen nahezu bei null. Doch nun macht Amillia Taylor weltweit Schlagzeilen als das Wunder-Baby von Miami. Sie hat nur 21 Wochen und sechs Tage im Bauch ihrer Mutter verbracht - wenige andere Frühchen haben bisher eine so kurze Schwangerschaft überlebt.
Ihre Eltern Sonja (37) und Eddie Taylor (46) waren überglücklich, als die Ärzte im Baptist Kinderkrankenhaus von Miami ihnen erklärten, dass sie ihre Tochter nach vier langen Monaten heute abholen und nach Hause bringen dürfen. Ursprünglich wollten die Experten Amillia noch für ein paar Tage zur Beobachtung in der Klinik behalten.
"Seit ihrer Geburt habe ich mein Schicksal in die Hände Gottes gelegt", sagte Vater Eddie. "Jetzt will ich nur an ihrer Seite sein." Und die Mutter meinte: "Sie sieht jetzt wie ein richtiges Baby aus. Ich kann sie zum ersten Mal fühlen, wenn ich sie halte."
Die Lebensgeschichte der kleinen Amillia hatte im vergangenen Frühjahr begonnen. Damals war die Lehrerin Sonja Taylor aus dem Miami-Vorort Homestead schwanger geworden: Nachdem sie jahrelang vergeblich versucht hatte, ein Kind zu bekommen, hatte sie sich für das In-Vitro-Verfahren entschieden - die Befruchtung im Reagenzglas. Doch schon im vierten Monat gab es Komplikationen. Die Gebärmutter entzündete sich.
Die Experten im Baptist-Kinderkrankenhaus versuchten alles, um den Fötus im Bauch der Mutter zu halten. Doch das kleine Mädchen hatte andere Pläne. Am 24. Oktober musste es per Kaiserschnitt zur Welt gebracht werden. Die Schwangerschaft bedrohte nicht nur das Leben des Kindes, sondern auch das der Mutter.
Krankenschwester Olga Garcia: "Wir konnten es nicht fassen. Amillia versuchte nach ihrer Geburt zu schreien. Und dies nach nur 21 Wochen und sechs Tagen." Eine normale Schwangerschaft dauert zwischen 37 und 40 Wochen.
"Amillia ist ein Wunder, eine medizinische Sensation", sagte auch der Neonatologe Dr. William Smalling, der dem Säugling auf die Welt geholfen hat. "Die Versorgung war in den vergangenen Monaten wie das Navigieren in unbekannten Gewässern. Wir wussten noch nicht einmal, was der normale Blutdruck für ein so kleines Baby ist." Er habe den Eltern deshalb nicht zu viel Hoffnung gemacht, sagte der Arzt, der täglich mit ihnen in Kontakt war.
Doch Sonja und Eddie Taylor glaubten an ihre Tochter, nannten sie Amillia. Der Name stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Kämpfer oder harter Arbeiter.
In den ersten sechs Wochen nach der Geburt durften Vater und Mutter ihr Kind nicht berühren und nur durch das Fenster der Intensivstation betrachten. Dr. Paul Fassbach, der zum Experten-Team gehört, das Amillia betreut hat: "Es war Tag für Tag eine medizinische Achterbahnfahrt. Das Baby hatte Hirnblutungen, Atem- und Verdauungsprobleme. Sein Herz und seine Lunge waren sehr schwach." Der Mediziner gibt unumwunden zu: "Natürlich haben wir auf der Intensivstation alle unser Bestes gegeben. Aber dies ist nicht die Norm. Hier war sehr viel Glück im Spiel."
Amillias Mutter glaubt, dass jedoch ein ganz anderer Faktor entscheidend war: "Meine Tochter wollte leben. Sie hat vom ersten Tag an gekämpft." Natürlich sei sie in den vergangenen Monaten durch ein Wechselbad der Emotionen gegangen. "Doch ich wusste immer, dass sie es schaffen würde."
Anfang dieser Woche bekam das Mädchen erstmals die Flasche. Fassbach: "Ihr Zustand ist exzellent. Wir gehen davon aus, dass sie ein ganz normales Leben führen kann. Sie wiegt inzwischen zwei Kilo und ist stolze 62 Zentimeter groß." Mutter Sonja Taylor: "Sie kommt mir richtig dick vor . . ."
Dennoch muss das Rekord-Frühchen noch hin und wieder mit Sauerstoff versorgt werden und Vitamin E für die Haut bekommen. Wenn Amillia sich weiter so prächtig entwickelt, hat sie eine gute Zukunft vor sich. Untersuchungen ergaben, dass gesunde Frühchen in ihrer Kindheit schnell ihre Defizite aufholen. Dr. William Smalling: "Wir haben viele neue Erkenntnisse gewonnen und müssen nun neu definieren, wann ein Frühchen lebensfähig ist."
Amillia übrigens wird in wenigen Tagen eine Schwester bekommen. Sonja und Eddie Taylor haben ein 16 Jahre altes Mädchen adoptiert. "Wir haben so viel Glück gehabt. Wir möchten gern etwas davon abgeben."