Im Uniklinikum Eppendorf sind pro Quartal 600 Kinder mit Krebserkrankungen in ständiger Betreuung. Jetzt soll diese Versorgung noch weiter ausgebaut werden.
Das Kind ist müde und schlapp, mag nicht spielen und hat leichtes Fieber - Symptome, wie sie bei jedem kleinen Infekt auftreten können, der schnell wieder vergessen ist. "Wenn allerdings nach vier Tagen keine Besserung eingetreten ist, sollten Eltern mit ihrem Kind einen Kinderarzt aufsuchen, um der Ursache genauer auf den Grund zu gehen", rät Prof. Reinhard Schneppenheim, Direktor des Kinderkrebszentrums am Universitätsklinikum Eppendorf. Denn wenn solche allgemeinen Beschwerden andauern, kann auch eine beginnende Leukämie dahinterstecken. Akute Leukämien sind die häufigsten bösartigen Erkrankungen bei Kindern und treten vor allem im Vorschulalter auf. Die häufigste Form ist die akute lymphatische Leukämie, wesentlich seltener ist die akute myeloische Leukämie.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung kommt es zu typischen Anzeichen, die den Kinderarzt dazu veranlassen, das Kind gleich in die Onkologie zu überweisen. "Klassische Zeichen sind z. B. Hautblutungen, entweder als flohstichartige Blutungen oder großflächige blaue Flecken ohne Verletzung, und deutlich sichtbar angeschwollene Lymphknoten", sagt Schneppenheim.
Hautblutungen sind fast immer auf eine starke Verminderung der Blutplättchen zurückzuführen, weil das Knochenmark gefüllt ist mit Leukämiezellen, sodass es keine normalen Zellen mehr bilden kann, aus denen sich die Blutplättchen sowie weiße und rote Blutkörperchen ableiten. "Die Verminderung der roten Blutkörperchen zeigt sich daran, dass die Kinder meistens leistungsgeschwächt sind, nicht mehr laufen oder spielen mögen und sich öfter hinlegen. Auch die normalen weißen gehen zurück, sodass die Infektabwehr geschwächt ist, deswegen kommt es zu Infekten mit hohem Fieber", erklärt der Onkologe.
In der Klinik wird das Kind gründlich untersucht, ein Blutbild und andere Laborwerte überprüft. Mit dem Ultraschall können die Ärzte feststellen, ob Leber und Milz vergrößert sind.
"Um ganz sicherzugehen, wird das Knochenmark auf bösartige Zellen untersucht, weil diese in 25 Prozent der Fälle im Blut nicht zu finden sind", sagt Schneppenheim. Bei einer akuten lymphatischen Leukämie sind über 90 Prozent der Zellen im Knochenmark bösartig.
Wenn ein Patient morgens in die Klinik kommt, werden die Untersuchungen so rasch durchgeführt, dass nachmittags die Diagnose feststeht und die Ärzte mit den Eltern das Aufklärungsgespräch führen, in denen die Erkrankung, ihr natürlicher Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die Behandlung ist eine Chemotherapie mit einer ganzen Reihe verschiedener Medikamente, die sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte als wirksam erwiesen haben. Sie besteht aus Therapieblöcken, nach denen die Patienten wieder nach Hause gehen. Die gesamte Therapie dauert ein halbes Jahr und kann mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden sein. "Die häufigsten Nebenwirkungen sind schwere Infektionen, Schleimhautentzündungen im Mund mit offenen Stellen und Haarausfall. Die Übelkeit kann gut medikamentös behandelt werden", sagt Schneppenheim.
Doch sind diese Strapazen überstanden, ist in den meisten Fällen das Schlimmste vorüber, und Kinder und Eltern können aufatmen: Die Erfolgsrate dieser Therapie liegt bei der akuten lymphatischen Leukämie auf Anhieb bei 80 Prozent. Wenn es zum Rückfall kommen sollte, kann man noch mit einer weiteren Therapie Heilerfolge erzielen.
Wenn die Therapie nicht erfolgreich ist, oder die Leukämie innerhalb der nächsten zwei Jahre wieder auftritt, wird eine Knochenmarktransplantation notwendig. Die Erfolgsquote der Therapie wird immer besser, sodass sie immer seltener nötig ist", berichtet Schneppenheim.
Bei der selteneren akuten myeloischen Leukämie ist eine Knochenmarktransplantation häufiger erforderlich. Die Kinder bekommen zuerst die Chemotherapie und erhalten dann, wenn möglich, eine Knochenmarkspende von einem identischen Familienspender.
Jedes Jahr werden in dem Zentrum am UKE 120 Kinder mit Krebserkrankungen neu behandelt, 600 pro Quartal sind in ständiger Betreuung. Jetzt soll dort die Versorgung von Kindern mit Hirntumoren weiter ausgebaut und durch einen weiteren Spezialisten verstärkt werden.
Hirntumoren sind die zweithäufigste Krebserkrankung bei Kindern. "Es ist nicht nur eine bösartige Erkrankung, sondern dieser Tumor zerstört eventuell auch lebenswichtige oder für die Entwicklung eines Kindes notwendige Strukturen und Hirnareale. Auch eine Operation ist deswegen immer problematisch. Deswegen muss man manchmal entscheiden zwischen Überleben und einer gewissen Behinderung. Das erfordert viel Erfahrung, und deswegen sollten diese Tumoren nur in Zentren behandelt werden, in denen man viele solcher Tumoren sieht. Wir wollen ein Zentrum für Hirntumoren in Deutschland werden", so Schneppenheim.
Der häufigste Hirntumor bei Kindern ist das Medulloblastom. Es kann alle Altersgruppen vom Neugeborenen bis zum Jugendlichen betreffen und zeigt sich durch Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, ohne dass ein Infekt vorliegt, Gleichgewichtsstörungen, Sehstörungen, Schiefhals, Sehen von Doppelbildern.
Die Therapie besteht aus mehreren Säulen: Zunächst wird in einer Operation der Tumor entfernt, dann folgen in der Regel Chemo- und Strahlentherapie. Insgesamt dauert die Behandlung ein halbes bis ein Jahr. Die Erfolgsrate ist sehr unterschiedlich: "Beim Medulloblastom reicht die Heilungsrate von 30 bis 80 Prozent, je nach Untergruppe", sagt Schneppenheim.
Im Forschungsinstitut, das von der Fördergemeinschaft des Kinderkrebszentrums in Kooperation mit dem UKE betrieben wird, erforschen die UKE-Spezialisten neue Wege, um Hirntumoren und Leukämien besser bekämpfen zu können. "Wir wollen die Entstehung von Leukämie und Hirntumoren besser verstehen, um dabei neue Angriffspunkte für eine Therapie zu finden. Das Ziel ist angewandte Forschung, die auch in therapeutische Vorgehensweisen umsetzbar ist", betont Schneppenheim.