Im Hochsicherheits-Rinderstall des Friedrich-Loeffler-Instituts auf der Ostseeinsel Riems ist es stiller geworden. Nur noch wenige, mittlerweile zu kräftigen Rindern herangewachsene Tiere stehen in dem abgeschotteten BSE-Stall auf dem Gelände des Tiergesundheitsinstitutes. Der größte Rinderseuchen-Versuch auf dem europäischen Festland steht vor dem Abschluss. "Unser Ziel, den Weg des Erregers vom Darm in das Hirn zu beschreiben, haben wir erreicht", erklärt der Leiter des Projektes, der Prionenforscher Dr. Martin Groschup.

Im Frühjahr 2003 infizierten die Wissenschaftler 56 Kälber mit BSE-Gewebe von verendeten britischen Rindern. Alle vier Monate wurden mehrere Tiere geschlachtet, um Gewebeproben und Körperflüssigkeiten zu untersuchen. Das Projekt sollte klären, wo sich die BSE-Erreger - falsch gefaltete Prionen-Proteine - während der langen Inkubationszeit im Körper der infizierten Rinder aufhalten. Die Prionen sammeln sich im Hirn und töten viele Nervenzellen. Folge sind die BSE-typischen Symptome: Torkeln, Zittern, Wahrnehmungsstörungen bis hin zum Tod.

Jahrelang waren die Prionen erst kurz vor dem Ausbruch der Krankheit im Zentralen Nervensystem nachweisbar. "Unsere Ergebnisse belegen, dass die Erreger vom Darm über das vegetative Nervensystem in das Zentrale Nervensystem aufsteigen und nicht den Weg über das Lymphsystem nehmen. Sie benutzen sowohl das Rückenmark als auch den Vagusnerv", erklärt Groschup (der Vagusnerv ist an der Steuerung zahlreicher Organe beteiligt). Jetzt sei erstmals der komplette Weg der BSE-Erreger von der Aufnahme über die Nahrung bis ins Gehirn der Rinder beschrieben.

In den 90er-Jahren hatte die Rinderseuche in Großbritannien ihren Höhepunkt erreicht. Schockierende Bilder ließen den Rindfleisch-Absatz nach der Entdeckung des ersten BSE-Falles in Deutschland im November 2000 einbrechen. Hinzu kam die Angst, dass der Verzehr von BSE-verseuchtem Fleisch die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (vCJK) beim Menschen auslöst.

Die Riemser Ergebnisse kommen nun zu einem Zeitpunkt, zu dem die Seuche zwar nicht als überwunden, aber als gut kontrolliert gilt. Mit dem Ausschalten der Infektionsquellen durch das im Dezember 2000 verhängte Verfütterungsverbot von Tiermehl verschwand die Seuche langsam aus den Ställen. In diesem Jahr wurden mit den gesetzlich vorgeschriebenen Schnelltests bislang vier BSE-infizierte Rinder in Deutschland entdeckt. Sie waren vor dem Verfütterungsverbot geboren worden. Seit Ausbruch der Krankheit wurden in Deutschland 409 Tiere positiv getestet.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung geht davon aus, dass bei einer mittleren Inkubationszeit von fünf bis sechs Jahren noch bis 2008 BSE-Fälle in Deutschland zu erwarten sind - vorausgesetzt, das Verfütterungsverbot hat spätestens Mitte 2002 gegriffen.

Aus Forschersicht sollten die Tests zunächst beibehalten werden. Der Grund: Allein sieben der 16 im Jahr 2006 entdeckten BSE-Rinder trugen keine Anzeichen einer Erkrankung.