Im Dezember 2008 erhielt der deutsche Mediziner Prof. Dr. zur Hausen den Medizin-Nobelpreis. Er gilt als Darwin-Kenner. Wie hat Darwin seine...

Im Dezember 2008 erhielt der deutsche Mediziner Prof. Dr. zur Hausen den Medizin-Nobelpreis. Er gilt als Darwin-Kenner. Wie hat Darwin seine Forschungen beeinflusst?


Hamburger Abendblatt:

Als Vizepräsident der Leopoldina, der nunmehr Nationalen Akademie der Wissenschaften, haben Sie 2005 die Jahrestagung "Evolution und Menschwerdung" organisiert, Sie sind Herausgeber des gleichnamigen Buches. Wann sind Ihnen Darwins Gedanken erstmals begegnet?

Prof. Dr. Harald zur Hausen:

Schon in der Schulzeit wurden wir mit den Gedanken Darwins vertraut gemacht, und es hat mich interessiert. Gelesen habe ich ihn aber viel später.



Abendblatt:

Wann?

Zur Hausen:

Die englische Ausgabe seines Gesamtwerkes habe ich vor acht oder zehn Jahren gelesen. Seine Theorie ist aus heutiger Sicht eine grandiose Geistesleistung des 19. Jahrhunderts und weit darüber hinaus. Er stellte die Biologie auf neue Grundlagen, die bis heute gelten. Er wurde übrigens am 1. Oktober 1857, zwei Jahre bevor er das Werk "Die Entstehung der Arten" veröffentlichte, Mitglied der Leopoldina, die damals noch "Kaiserliche Leopoldinisch-Carolinische Akademie der Naturforscher" hieß.



Abendblatt:

Gibt es in Ihren Forschungen Beispiele, die die Evolutionstheorie bestätigen?

Zur Hausen:

Eigentlich arbeiten wir ständig nach den darwinschen Prinzipien von Variation und Selektion. Wenn wir Zellen in Gewebekulturen mit Substanzen behandeln, dann üben wir einen Selektionsdruck aus. Die mutierten, also genetisch veränderten Zellen, fischen wir heraus und testen sie weiter. So funktioniert etwa die Erforschung von Wirkstoffen.



Abendblatt:

Was würden Sie Darwin gern fragen?

Zur Hausen:

Ich würde gern mehr über die Grundlagen seiner Theorie erfahren. Welche Beobachtungen auf seiner Weltreise, welche seiner zahlreichen Experimente haben ihn zu welcher Hypothese veranlasst? Es ist doch erstaunlich, wie vieles zu seiner Zeit noch nicht erforscht war, und wie zutreffend er formuliert hat. Als Darwin seine Werke verfasste, kannte er die Versuche von Gregor Mendel nicht, auch wenn dieser fast zur gleichen Zeit den Grundstock der modernen Genetik schuf.



Abendblatt:

Was vermuten Sie, würde Darwin heute tun?

Zur Hausen:

Er würde mit großer Freude sehen, dass seine Vorstellungen richtig sind, dass die Beweise für seine Theorie erdrückend sind und dass die Lebenswissenschaften seitdem große Fortschritte gemacht haben. So hat die Molekularbiologie beispielsweise inzwischen die Voraussetzungen dafür geschaffen, in Lebensprozesse gezielt einzugreifen, Organismen gezielt zu verändern. Damit hat der Mensch neue Werkzeuge, in den Verlauf der Evolution einzugreifen. Welcher wissenschaftlichen Fragestellung Darwin sich heute zuwenden würde, das vermag ich nicht einzuschätzen.