Rostock. Dass Schweine eine soziale Ader haben, ist bereits bekannt. Wie hilfsbereit sie sind, haben nun Forscher in Norddeutschland gezeigt. Wieso genau sie helfen, ist aber noch unklar.
Schweine haben sich bei einem Experiment als hilfsbereite Tiere erwiesen und eingesperrte Artgenossen befreit. Bei Versuchen am Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf bei Rostock befreiten sie in den meisten Fällen innerhalb einer bestimmten Zeit Artgenossen, die zuvor von ihrer Gruppe getrennt worden waren. Dazu mussten die helfenden Tiere mit ihren Schnauzen kleine Türen öffnen.
„Mich überrascht es nicht, dass sich Schweine gegenseitig helfen“, sagte Liza R. Moscovice vom FBN der Deutschen Presse-Agentur. Es sei bereits bekannt gewesen, dass sie empfänglich für die Gefühle von Artgenossen seien und eine starke soziale Wahrnehmung hätten. Aus ihrer Sicht ist die Frage nach der Motivation hinter den Hilfsaktionen die eigentliche interessante.
Lauten Artgenossen wird schneller geholfen
Dieser Frage soll das Projekt „Lass mich raus!“, an dem auch Veterinärmediziner der Universität Wien mitarbeiten, weiter erforschen. In den „Proceedings B“ der britischen Royal Society hat das Team nun erste Ergebnisse veröffentlicht.
Für seine Tests teilte das Team mehr als 70 Schweine in Gruppen von 8 bis 10 Tieren ein. Bei mehreren Testläufen wurde jeweils ein Tier von seiner Gruppe getrennt. Der Rest der Gruppe blieb im gewohnten Stall, an den jedoch zwei Boxen angeschlossen wurden. Diese waren jeweils durch ein Fenster und eine Tür - nur zu öffnen von der Stallseite - mit dem Stall verbunden. In eine der beiden Boxen setzten die Forscher dann das abgesonderte Tier.
Der Studie zufolge öffneten Schweine häufiger und schneller die Tür, hinter der sich der Artgenosse befand, als die Tür zu der leeren Box. Zudem stellten die Autoren einen positiven Effekt fest zwischen der Zeit, die ein Schwein in Richtung des Fensters mit dem eingesperrten Tier schaute, und der Wahrscheinlichkeit, dass dieses Tier tatsächlich die Tür öffnet. Eingesperrten Schweinen, die besonders deutlich ihren Unmut bekundet hätten, sei schneller geholfen worden als anderen.
Empathie oder egoistischere Beweggründe?
Laut Moscovice besteht der Vorteil im Vergleich zu früheren Arbeiten darin, dass die Tests in der für die Tiere gewohnten Atmosphäre stattfanden und die Schweine viele Optionen für andere Verhaltensweisen gehabt hätten. Gegen Empathie als Motivation spricht, dass sich das erhöhte Stresslevel der eingesperrten Tiere anscheinend nicht auf die helfenden Tiere übertragen hat. Das legen Messungen des Stresshormons Cortisol bei den Tieren nahe.
Dieses Phänomen soll nach Aussage Moscovices weiter erforscht werden. Bislang könnten auch andere, egoistischere Beweggründe nicht ausgeschlossen werden, etwa die Reaktion auf bestimmte Reize.
Moscovice hält es für wichtig, das Bewusstsein für das Sozialverhalten und die kognitiven Fähigkeiten von Nutztieren zu stärken. Dies würde oftmals unterschätzt. „Diese Forschung unterstreicht wirklich, dass Schweine in ihrem sozialen Gefüge bleiben wollen. Und es ist stressig für sie, getrennt zu werden, auch bei kurzen Trennungen.“
Dies sollte in der Haltung berücksichtigt werden. Außerdem werde deutlich, dass Schweine sehr neugierig seien und gern Kontrolle über ihre Umwelt hätten. Auch das könne man gegebenenfalls in Haltungen berücksichtigen. So könne man den Tieren beispielsweise verschiedene Optionen geben, wenn es darum gehe, sie von einem Areal zu einem anderen zu bekommen. Türen öffnen könnten sie schließlich.