Meere puffern die Wirkung des Klimawandels, weil sie Treibhausgase speichern. Das aber lässt sie saurer werden.
Gegen den Klimawandel hat der Mensch bislang einen mächtigen Verbündeten: die Meere. Wenn wir durch Industrie und Verkehr Treibhausgase in die Atmosphäre pusten, nehmen die Ozeane weltweit ein Drittel davon auf. Damit puffern sie einen großen Teil des Klimawandels ab. Doch die Meere zahlen auch einen Preis, sie versauern. Dies passiert auch vor unserer Haustür, in der Nordsee.
Meine Kollegin Maybritt Meyer und ich wollen als Klimaforscher am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg abschätzen, wie viel Kohlendioxid (CO2) die Nordsee in einem Jahr aufnimmt. Dafür brauchen wir vor allem zwei Informationen. Zum einen, wie hoch der Anteil des CO2 in der Luft ist im Vergleich zum Wasser. Sind die Anteile gleich, bleibt alles, wie es ist. Je größer jedoch der Unterschied – zum Beispiel: viel Kohlendioxid in der Atmosphäre und wenig im Wasser – desto höher ist der „Druck“ für das CO2, sich im Wasser zu lösen. Ein internationales Team hat diese Daten während mehrerer Ausfahrten gemessen.
Gleichzeitig spielt der Wind eine wichtige Rolle, ihn haben wir genauer unter die Lupe genommen. Je stärker er bläst und die Wasseroberfläche aufwirbelt, desto größer ist der Austausch mit der Atmosphäre. Das Meer wird wie durch einen Quirl gemixt und CO2 kann effektiv aufgenommen werden. Umfassende Messdaten von allen Punkten der Nordsee gibt es allerdings nicht. Wie kann also der Wind in die Rechnung einbezogen werden?
Bisher nutzten wir dazu Modell-Datensätze, die weltweit und relativ grobmaschig die Windstärke jeweils nur einmal pro 100 Kilometer Gitterbreite erfassen. Mit ihrer Hilfe berechneten wir, wie schnell oder langsam das Wasser Kohlendioxid aufnehmen kann. Doch gerade an den Küsten ist der Wind besonders wechselhaft, sodass die grobmaschigen Daten kaum die Realität abbilden. Unsere Partner vom Helmholtz-Zentrum in Geesthacht untersuchen die Küsten mit feineren Rechenmodellen. Mit dem sogenannten Downscaling – einer komplexen Rechensimulation – können für Regionen mit wenigen Daten die Datenlücken sinnvoll geschlossen werden. Das Zentrum errechnete für uns einen neuen Wind-Datensatz mit einer Auflösung von fünf bis zehn Kilometern Gitterbreite für die gesamte Nordsee.
Diese Daten verglichen wir mit Messdaten von vier Stationen – zwei nah an der Küste, zwei auf Bohrplattformen im offenen Meer. Die Ergebnisse zeigen: Der Wind an den Küsten wurde tatsächlich bisher stark unterschätzt! Die feineren Daten bilden ihn viel genauer ab. Für das offene Meer hingegen stimmen die Messdaten gut mit den älteren Winddaten überein. Wir errechneten die CO2-Bilanz erneut und waren erstaunt: An den Küsten wird mehr als doppelt so viel Kohlendioxid aufgenommen wie bisher vermutet! Die ganze Nordsee hat in einem Jahr insgesamt 34 Prozent mehr vom Treibhausgas geschluckt als bisher angenommen.
Doch was bedeutet das? Wir wissen nicht, wann der marine Kohlendioxidspeicher voll sein könnte. Doch je mehr CO2 ein Meer aufnimmt, desto saurer wird es. In der Nordsee ist die Versauerung in vollem Gang, die Änderung des pH-Werts im Wasser kann Lebewesen und Pflanzen beeinträchtigen. Sie müssen ihren Stoffwechsel anpassen, Muscheln und Krebse können Probleme bekommen, ihre Kalkschalen zu bilden.
So können wir mit verfeinerten Methoden immer genauere Prognosen abgeben, viele zeigen die drastischen Folgen unseres Handelns. Ich möchte deshalb die Bundesregierung aufrufen, die vereinbarten Klimaziele des Abkommens von Paris 2015 einzuhalten und den Ausstoß von Treibhausgasen jetzt effektiv zu drosseln.
Die Forschung zum Klimawandel in Hamburg
Exzellenzcluster: Die Klimaforschung in Hamburg genießt internationales Renommee. Das Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit der Universität Hamburg (CEN), das Max-Planck-Institut für Meteorologie, das Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und das Deutsche Klimarechenzentrum bilden gemeinsam den Exzellenzcluster für Klimaforschung (CliSAP).
Präsentation Einmal im Monat präsentieren CliSAP-Forscher den Lesern des „Hamburger Abendblatts“ Ergebnisse aus ihren Gebieten. Johannes Pätsch ist Informatiker am Centrum für Erdsystemforschung und Nachhaltigkeit (CEN) der Universität Hamburg. Er erforscht, wie viel Kohlendioxid die Nordsee in einem Jahr aufnimmt