Hamburg. Sonja Schrepfer untersucht, wie sich ein Aufenthalt in der Schwerelosigkeit auf die Blutgefäße auswirkt.
In Gedanken kann der Mensch überall hinfliegen – sogar zum Mars. In der Realität setzt der Körper uns Grenzen. Selbst wenn die Technik so weit wäre: Würden Menschen allein den etwa sieben Monate langen Hinflug zum roten Planeten verkraften? Die kosmische Strahlung kann das Erbgut schädigen; langanhaltende Schwerelosigkeit schwächt das Immunsystem, Muskeln und Knochen schwinden, wenn sie nicht genügend belastet werden. Und ob weitere Gesundheitsgefahren auf einer solchen Reise drohen könnten und was sich dagegen tun ließe, ist bisher kaum erforscht.
Die Hamburger Wissenschaftlerin Sonja Schrepfer will das ändern: Im Auftrag der Nasa untersucht die 41-jährige Medizinerin vom Universitären Herzzentrum derzeit mit ihrem Team in den USA, wie sich die Blutgefäße verändern, wenn man für einen längeren Zeitraum im Weltall ist. Für ihre Forschungen, die zunächst für etwa zwei Jahre geplant sind, erhält Schrepfer von der US-Raumfahrtagentur ein Stipendium über 750.000 US-Dollar (etwa 670.000 Euro).
Beim Tag des Wissens am kommenden Sonnabend am UKE wollen sich die 41-Jährige und ihre Mitarbeiter ab 17 Uhr live mit einer Videoübertragung aus ihrem Labor in San Francisco zuschalten. Während der Veranstaltung im Hörsaal des Gebäudes N55 (Campus Lehre, Martinistraße 52, Eingang Süderfeldstraße) sollen die Zuschauer zum Beispiel ein Zellkulturlabor zu sehen bekommen, in dem Zellen in Schwerelosigkeit schweben.
Weltraumforschung war bisher nicht Schrepfers Schwerpunkt. Sie leitet am Universitären Herzzentrum eine Arbeitsgruppe, die Stammzellen nutzen will, um Herzmuskelzellen zu erzeugen, die etwa bei Patienten nach einem Herzinfarkt das zugrunde gegangene Gewebe ersetzen können. Dabei geht es den Forschern um die Frage, wie diese Zellen beschaffen sein müssen, damit das Immunsystem eines Patienten sie nicht als fremd erkennt und zerstört. Außerdem beschäftigte sich die Wissenschaftlerin auch mit Arterienverengungen.
Besuch im Space Center brachte sie zur Nasa – ein Zufall
Zur Nasa kam Schrepfer durch einen Zufall. Sie und ihr Mann – auch er ist Herzforscher – nahmen 2013 an einem Kongress in Texas teil. An einem Nachmittag besuchten die beiden das Space Center Houston. „Die Ausstellung dort hat mich sehr beeindruckt“, erzählt Schrepfer. Am Ende gab es eine wissenschaftliche Präsentation der Nasa; dort wurden die Besucher aufgefordert, sich online eingehender zu informieren, wenn sie wissenschaftlich interessiert seien. „Auf dem Heimflug nach Hamburg haben mich die Themen zukünftige Mars-Mission, Weltall und Krankheiten im All nicht losgelassen“, erzählt Schrepfer. So entwickelte sie mit ihrem Mann ihre Studienidee.
Zurück in Hamburg stellte die Medizinerin fest, dass 14 Tage später die Frist für ein Förderprogramm der Nasa ablief. „Kurzerhand habe ich die von uns im Flugzeug entwickelte Idee zusammengeschrieben und eingereicht“, erzählt Schrepfer. „Und wir haben tatsächlich das Stipendium erhalten.“ Seit Dezember 2015 lebt das Paar nun in San Francisco; Kollegen aus Hamburg unterstützen die Forscherin vor Ort.
In Zellkulturexperimenten konnten die Hamburger Wissenschaftler bereits zeigen, dass die sogenannte glatte Muskulatur der Gefäßwände sich in der Schwerelosigkeit dahingehend verändert, dass sich die Gefäße verengen können und ein Gefäßverschluss droht.
Die Ursache könnte sein, so vermuten die Forscher, dass bestimmte kleine Erbgutstücke – sogenannte micro-RNAs – die eine wichtige Rolle bei der Steuerung von Genen spielen, durch die Schwerelosigkeit in ihrer Funktion gestört werden. „Wir versuchen nun, auf der RNA-Ebene kleinste Veränderungen in der Zellregulierung zu finden“, erläutert Schrepfer.
Ihre Erkenntnisse überprüfen die Forscher bisher mit Mäusen, die sie für vier Wochen auf die ISS schicken, wo die Tiere spezielle Tests durchlaufen. Bereits im April analysierten die Forscher Gefäße von den ersten zehn Mäusen, die von der ISS zurückkamen. Vor Kurzem seien weitere zehn Mäuse von der Raumstation zurückgekehrt, so Schrepfer. Erste Ergebnisse werden ihr zufolge voraussichtlich Ende November vorliegen. „Die besondere Herausforderung ist, dass wir mit einzigartigem Probenmaterial arbeiten“, erläutert die Medizinerin. „Es gibt keine Möglichkeit, diese Versuche zu wiederholen wie es sonst in der Forschung üblich ist, falls ein Versuch nicht klappen sollte.“
Bisher deute einiges darauf hin, dass Astronauten bei längeren Aufenthalten in der Schwerelosigkeit ein „signifikant erhöhtes Risiko“ für kardiovaskuläre Erkrankungen hätten, sagt Schrepfer. „Wir versuchen, den Mechanismus zu verstehen und eine prophylaktische Therapie zu entwickeln.“
Schrepfers Forschungsergebnisse sind grundsätzlich für Weltraumflüge von Bedeutung, bei denen Menschen länger im All sind. Die mit Abstand längste Mission bisher wäre eine Reise zum Mars. Ob und wann erstmals Menschen zum roten Planeten fliegen könnten, ist allerdings unklar. Die Nasa hat schon vor Jahren eine bemannte Mars-Mission angekündigt, rechnet aber derzeit erst mit einem Start frühestens ab 2030.
Vor Kurzem explodierte eine Falcon-9-Rakete von Space X
Schneller gehen sollte es nach den Plänen von Elon Musk. Dem US-Milliardär gehört neben dem Elektroauto-Hersteller Tesla das Unternehmen Space X, das Raketen und Raumkapseln entwickelt. Mit dem Frachter „Dragon“ versorgt es die Astronauten auf der ISS mit Vorräten und Ersatzteilen.
Eine modifizierte, vorerst unbemannte Variante der „Dragon“-Kapsel namens „Red Dragon“ soll 2018 auf dem Mars landen, wie Space X im Frühjahr dieses Jahres ankündigte. Und mit einem neuen, noch zu entwickelnden Frachter könnte später dann eine bemannte Mission starten, so die Pläne.
Allerdings hat das Unternehmen mit Rückschlägen zu kämpfen. Vor wenigen Tagen explodierte eine Falcon-9-Rakete von Space X auf dem US-Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida. Es war schon der zweite Vorfall dieser Art: Bereits im vergangenen Sommer hatte Space X eine Rakete bei einer Explosion verloren. Es gilt deshalb als sehr wahrscheinlich, dass Elon Musk seine ambitionierten Pläne verschieben muss. Dass er sie aufgeben wird, ist jedoch nicht zu erwarten.
Sonja Schrepfer erhofft sich von ihren Forschungen für die Nasa auch Erkenntnisse, die ihr helfen könnten, bei Gefäßverengungen auch neue Therapieansätze für Patienten auf der Erde zu entwickeln.