Berlin. Textilketten bieten „grüne“ Kleidung so günstig an wie konventionell erzeugte Ware. Gespart wird dabei an anderer Stelle.
80 Milliarden Kleidungsstücke jährlich produziert die weltweite Textilindustrie. Jeder Deutsche kauft im Schnitt fünf Teile pro Monat, der Konsum von Kleidung hat sich hierzulande von 2000 bis 2010 fast verdoppelt. Etwa 90 „grüne“ Händler, aber auch die großen Textilketten wie C&A oder H&M setzen verstärkt auf nachhaltige und ökologische Mode: Hergestellt aus biologisch angebauter Baumwolle, verarbeitet unter fairen Arbeitsbedingungen. Im Preis jedoch unterscheidet sich die Biokleidung manchmal kaum noch vom konventionell erzeugten Restsortiment: T-Shirts kosten sieben Euro, Hemden 15. Bioware zu Billigpreisen: Wie geht das?
C&A verkaufte 2014 eigenen Angaben zufolge mehr als 130 Millionen Bioprodukte. Noch liegt der Marktanteil nachhaltiger Mode in Deutschland bei unter fünf Prozent. „Das Angebot aber wächst beständig“, sagt Kirsten Brodde, Textilexpertin der Umweltorganisation Greenpeace. „Bei der Fashion Week in Berlin haben 160 internationale Aussteller ‚grüne‘ Mode gezeigt. Was dort zu sehen war, würde ausreichen, ein alternatives H&M zu füllen“, so Brodde.
Der Preis eines Kleidungsstücks sagt nichts über Standards aus
Angesichts eines geringen Angebots von Biobaumwolle auf dem Weltmarkt ist schwer zu verstehen, wie die großen der Branche die „grüne“ Ware zu Niedrigpreisen verkaufen können. Bei C&A heißt es dazu: Die Preise für Kleidung aus Biobaumwolle würden bewusst niedrig gehalten, damit sie für alle erschwinglich bleibe. Das funktioniere, weil das Unternehmen größere Mengen des Rohstoffs einkaufe und Biokleidung im Schlussverkauf weniger reduziere. So könnten Verluste aufgefangen werden. Im Klartext: „Grüne“ Ware wird quersubventioniert.
Laut „Organic Cotton Market Report“ ist C&A der weltweit größte Abnehmer von Biobaumwolle. 2014 ließ das Unternehmen den Angaben zufolge mehr als 46.000 Tonnen des zertifizierten Rohstoffs verarbeiten. Der Anteil beträgt rund 40 Prozent an der gesamten Baumwolle im Unternehmen. Bis 2020 will C&A die gesamte Baumwollkollektion auf nachhaltigen Anbau umstellen. 90 Prozent der Biobaumwolle bezieht C&A aus Indien. Da die Mengen nicht ausreichen werden, will der Konzern künftig bei Produzenten in China, Pakistan oder Afrika einkaufen.
Generell gilt: Der Preis allein sagt nichts darüber aus, ob Sozial- und Ökostandards bei der Textilproduktion eingehalten wurden. „Die Komplexität des Themas wird vom Verbraucher nicht gesehen“, sagt Gudrun Höck, Umweltexpertin des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels. Um den Preis eines Kleidungsstücks zu berechnen, werden verschiedene Posten kalkuliert: Rohstoffe, Herstellung, Transport, Werbung, Steuern. Wie genau sie ihre Preise gestalten, darüber schweigen die meisten Unternehmen.
Diese Siegel hält Greenpeace für glaubwürdig
Damit „grüne“ Mode günstig bleibt, sparten viele große Anbieter an anderer Stelle, etwa bei den Fertigungskosten. Das kritisiert die Kampagne für Saubere Kleidung beim Netzwerk Inkota. „Die Baumwolle wird zwar unter Biokonditionen angebaut. Aber die Bauern auf den Feldern oder die Arbeiter in den Textilfabriken bekommen keine existenzsichernden Löhne“, sagt Arbeitsrechtsaktivist und Inkota-Referent Berndt Hinzmann. In vielen Fabriken schufteten die Arbeiter stundenlang – ohne Pausen und ohne Vertrag. Gespart werde zudem beim Arbeitsschutz. Für Hinzmann gehören diese Kriterien genauso zu einem ethisch korrekt hergestellten Produkt, wie der biologische Anbau.
Bessere Arbeitsbedingungen in den Fabriken, mehr Umweltschutz – die Branche hat dies durchaus im Blick. Grund dafür ist öffentlicher Druck. In der Vergangenheit sorgten mehrfach Nachrichten über gesundheitsgefährdende Giftstoffe in Textilien oder Unfälle in ausländischen Produktionsstätten für Aufsehen. Höhepunkt war der verheerende Einsturz eines Fabrikgebäudes in Bangladesch, bei dem im April 2013 über 1100 Menschen starben.
Immer mehr Firmen, darunter die Sportartikelhersteller Adidas, die großen Handelsketten C&A, H&M, Kik und Tchibo, sowie die Discounter Aldi und Lidl treten Initiativen bei, die Abhilfe schaffen sollen. Greenpeace zum Beispiel hat mit einer Kampagne erreicht, dass sich 32 Firmen für eine giftfreie Textilproduktion bis 2020 verpflichten ließen. Und auch das Bündnis der Bundesregierung für bessere Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern hat Zulauf von großen Unternehmen und Verbänden der Textilbranche.
Der Verbraucher, der sich öko und fair kleiden will, hat trotzdem noch immer ein Problem: Ein einheitliches Textilsiegel, das dem Kunden bescheinigt, dass sowohl Öko- als auch Sozialstandards bei der Produktion eingehalten wurden, gibt es nicht. Kirsten Brodde aber sieht Fortschritte. „Im besten Fall haben wir sehr bald zwei wirklich gute Siegel, eines für ökologische Standards, eines für Fairness.“
Für Greenpeace sind Siegel und Standards aber nur zwei Aspekte des persönlichen Umgangs mit Kleidung. Kirsten Brodde sagt: „Kleidung gebraucht kaufen, teilen, tauschen oder leihen, das könnte auch ein Modetrend der Zukunft sein.“