Frankfurt/Main. Fleischlos, ohne Tierprodukte – und doch Weltklasse-Sportler? Für Dirk Nowitzki selbstverständlich. Doch Vegan-Sportler leben mit Risiken.
Was haben Tennis-Ass Venus Williams, Basketball-Star Dirk Nowitzki und der frühere Fußball-Nationaltorwart Timo Hildebrand gemeinsam? Die sportlichen Erfolge, klar - und der Inhalt ihrer Kühlschränke: weniger Fleisch, Käse, Quark & Co. Keine typische Proteinbomben, die Tendenz geht stattdessen zur veganen Ernährung. Mal strenger, mal lockerer - nicht nur wegen der Tiere, sondern vor allem der Gesundheit zuliebe. „Meine Ernährung umzustellen hat einen großen Unterschied gemacht“, sagt Williams, die an der Autoimmunkrankheit „Sjögren-Syndrom“ leidet. Streng vegan leben diese Sportler nicht. „Ich ess auch mal Fisch oder wenn ich irgendwo unterwegs bin, trinke ich einen Cappuccino mit Milch. Aber ich denke, jedes Essen, bei dem man sich bewusst ernährt, ist ein Schritt in die richtige Richtung“, meint Hildebrand. Vielen gilt er deshalb als Vorbild – wie einst Leichtathletik-Legende Carl Lewis: „Ich sage jedem, meine besten Leistungen brachte ich, als ich 30 Jahre alt war und Veganer.“ Und das ganz ohne tierisches Eiweiß.
Protein hat im menschlichen Körper vielfältige Funktionen und ist nicht nur für den Muskelaufbau zuständig. Auch Immunsystem, Muskulatur, Enzyme und Hormone bestehen aus körpereigenen Eiweißen. Gerade in Fleisch, Fisch, Milch oder Eiern ist es drin, Veganer verzichten darauf aber vollständig. „Ich bin damals weggegangen von Kuhmilch, weil man ja sagt, Kuhmilch ist nicht unbedingt gesund“, erklärt der 36 Jahre alte Nowitzki. „Deswegen nehme ich überhaupt keine Kuhmilch mehr, wenig Käse, keinen Joghurt, überhaupt nichts“ - und das, seit er Ende Zwanzig ist.
Marco Koch, Vize-Weltmeister im Schwimmen, hat vegane Rezepte in seinen Speiseplan aufgenommen. „Ich kann härter trainieren, regeneriere schneller, habe fünf Kilo abgenommen und bin trotzdem stärker geworden“, lautet sein Fazit. Das bestätigen auch Fußball-Profi Hildebrand und Eishockey-Nationalspieler Sebastian Osterloh. „Ich fühle mich besser, leichter und nicht mehr so schwer nach den Mahlzeiten“, sagt der derzeit vereinslose Hildebrand. „Ich bin tagsüber viel agiler und fitter. Mein Körper muss durch die vegane Ernährung nicht so viel arbeiten und kann sich so auf das Wesentliche konzentrieren“, meint Osterloh.
Ist vegane Ernährung der neue Geheimtipp unter Sportlern? Ernährungsexperte Uwe von Renteln sieht das kritisch. Seit Jahren berät er Spitzensportler, auch den Deutschen Leichtathletik-Verband. Bei veganer Ernährung mangele es am für den Energiestoffwechsel notwendigen Vitamin B12, sagt von Renteln. „Auch die Eisenaufnahme ist problematisch, denn Eisen wird größtenteils über tierische Nahrungsmittel aufgenommen.“ Das Spurenelement ist für den Sauerstofftransport und die Energieerzeugung wichtig. Diese Stoffe müssen gerade Sportler zusätzlich einnehmen.
Aus Sicht von Hans Braun, Ernährungswissenschaftler an der Sporthochschule Köln, spricht gegen vegane Ernährung im Sport nichts – sofern die Eiweißzufuhr gedeckt ist und eine gute Mischung aus pflanzlichen Produkten besteht. „Besonders Quinoa, Hirse und Getreide sind sehr eisenreich“, sagt der Berater des Olympia-Stützpunktes Rheinland in Köln. In Kombination mit Vitamin-C-reichen Lebensmitteln wie Paprika oder Südfrüchten verbessert es die Eisenaufnahme.
Braun schränkte aber ein: „Ich würde Nachwuchsleistungssportlern abraten, sich vegan zu ernähren, weil Wachstum und Entwicklung noch mal viel mehr im Vordergrund stehen.“ Grundsätzlich solle jeder Spitzensportler, der sich für eine vegane Ernährung entscheidet, regelmäßig seinen Immunstatus und die Blutwerte checken. „Wichtig ist vor allem, auf die Signale des Körpers zu hören.“
Ob Fleisch, Fisch oder keine tierischen Lebensmittel – für den Berater der Spitzensportler gilt vor allem eins: „Ein Athlet muss ein positives Gefühl aus dem Essen mitnehmen. Wenn es ein negativer Bestandteil des Alltags wird, ist es nicht leistungsförderlich.“
Eine wissenschaftliche Bestätigung dafür, dass auch vegan sinnvoll ist, hat auch Hildebrand noch nicht bekommen. Für den 35-Jährigen ist das aber auch zweitrangig: „In Prozentzahlen kann man das schwer messen, aber ich kann nur sagen, dass ich mich einfach richtig gut fühle dadurch.“