Kaffee aus Äthiopien, Hosen aus Indien, Tomaten aus Spanien: Wie viel Wasser für die Herstellung von beliebten Produkten verbraucht wird, ist vielen Endverbrauchern oft nicht bewusst.
Berlin. Ein Tag ohne Kaffee ist für viele Deutsche undenkbar. Doch wer frühmorgens schon zur ersten Tasse greift, könnte bereits drauf und dran sein, seine Umweltbilanz zu ruinieren: Für einen Becher Kaffee werden etwa 130 Liter Wasser verbraucht – das entspricht etwa einer Badewannenfüllung. Nicht in Deutschland, wo es ausreichend Wasser in guter Qualität gibt. Doch Kaffee kommt häufig aus Regionen, in denen es Probleme mit Wassermangel oder Wasserverschmutzung gibt – etwa Äthiopien oder Brasilien. Dort wird das knappe Gut zur Bewässerung von Kaffeeplantagen verwendet. Den Deutschen schmeckt es trotzdem: Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbands lag der Pro-Kopf-Verbrauch 2013 im Schnitt bei 165 Litern – und damit höher als der Verbrauch von Mineralwasser oder Bier.
Als drittgrößte Importnation ist Deutschland auf viele Waren aus dem Ausland angewiesen, die ohne den Einsatz von Wasser nicht verfügbar wären: So kommen beispielsweise Tomaten aus Spanien, Baumwolle aus Indien oder Metalle aus Südafrika. „Dabei werden neben Produkten auch besorgniserregende Wasserrisiken importiert“, heißt es in einer Studie, die die Naturschutzorganisation WWF (World Wide Fund For Nature) im Juli veröffentlichte. Die Umweltexperten wollen darin zeigen, wie deutsche Unternehmen weltweit zu Wassermangel und Umweltverschmutzung beitragen – und sich dabei am Ende unter Umständen selbst schaden.
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) stuft globale Wasserkrisen als eines der fünf weltweit größten Risiken ein. Die Zahlen des globalen Problems sprechen für sich: Nach Schätzungen der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wird sich der Wasserverbrauch der Menschen ausgehend vom Beginn des Jahrtausends bis 2050 mehr als verdoppeln. Demzufolge wird im gleichen Zeitraum zudem das Süßwasser knapper. Somit dürften zur Mitte des 21. Jahrhunderts mehr als 40 Prozent der Weltbevölkerung in Gebieten leben, in denen Wasserknappheit herrscht. Dürren, Hunger, Krankheiten und Wasserkriege könnten die Folgen sein.
Der WWF-Wasserexperte Philip Wagnitz hat mit seinen Kollegen Wirtschaftssektoren und Einfuhrländer genauer auf ihre Abhängigkeit von Wasser und ihr Wasserrisiko hin überprüft. Eine wesentliche Rolle bei den Berechnungen spielte der sogenannte Wasserfußabdruck. Damit wird nicht nur der direkte Wasserverbrauch etwa von Deutschland kalkuliert – also das Wasser, das Menschen hierzulande etwa zum Duschen, Kochen oder Putzen benutzen. Das Konzept berücksichtigt auch das Wasser, das im Ausland beispielsweise zur Herstellung von Produkten wie Lebensmitteln, Papier oder Kleidung verbraucht wird, die dann in Deutschland konsumiert werden.
Der britische Wissenschaftler John Anthony Allen vom King’s College in London hat hierfür in den 1990erJahren den Begriff „virtuelles Wasser“ geprägt.
Angaben des Umweltbundesamts (UBA) zufolge betrug Deutschlands gesamter Wasserfußabdruck im Jahr 2013 etwa 117 Milliarden Kubikmeter Wasser – mehr als der zweieinhalbfache Inhalt des Bodensees. Der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch von 3900 Litern liegt damit knapp über dem globalen Durchschnitt von 3800 Litern. Demnach verbrauchte jeder Bundesbürger täglich an die 26Badewannen Wasser.
„Nur ein geringer Teil dieses Wassers wird jedoch tatsächlich im Haushalt verwendet“, sagt Jörg Rechenberg vom Umweltbundesamt. „Der größte Anteil steckt in landwirtschaftlichen Gütern und anderen Produkten, die wir häufig aus dem Ausland importieren.“ Wie WWF-Experte Philip Wagnitz schildert, ist der indirekte Verbrauch durch den Konsum von Gütern etwa 42-mal höher als der direkte Verbrauch. Viele der Importgüter stammen demnach aus Ländern, in denen Wasser knapp und die Ökosysteme empfindlich sind.
Tatsächlich würde es viele Lebensmittel in deutschen Kochtöpfen ohne Wasserverbrauch im Ausland nicht geben. Beispielsweise bezog die deutsche Wirtschaft gemäß der WWF-Studie allein im Jahr 2013 rund 180.000 Tonnen Tomaten im Wert von 250 Millionen Euro aus Südspanien, wo die Felder aufwendig bewässert werden müssen. Dafür werde mit hohen Kosten Meerwasser entsalzt, weil nicht genug Grundwasser vorhanden ist. „Europas Gemüsegarten in Südspanien droht sich durch teils illegale Bewässerung selbst auszutrocknen“, warnen Wagnitz und seine Kollegen.
Von der Automobilbranche bis zum Maschinenbau – ohne die Einfuhr von Rohstoffen aus dem Ausland würden in Deutschland viele Bänder stillstehen. So importierten hiesige Unternehmen aus dem wasserintensiven Bergbausektor in Südafrika 2012 insgesamt rund 5,5 Millionen Tonnen Güter im Wert von knapp zwei Milliarden Euro – darunter Steinkohle, Metalle und Erze. Bei der Förderung und Verarbeitung werden große Mengen an Wasser verbraucht, etwa für Kühlung oder Staubreduzierung. „Verschmutztes Grubenwasser ist die größte Umweltauswirkung der Bergbauindustrie in Südafrika“, berichtet Wagnitz.
Ebenso richtet die Produktion von Kleidung, die aus dem Ausland importiert wird, häufig enorme Umweltschäden an. Die Weltbank geht davon aus, dass das Färben von Textilien und deren Behandlung weltweit rund 20 Prozent der industriellen Wasserverschmutzung verursachen. Dabei mischen auch hiesige Firmen mit: Wie aus der WWF-Studie hervorgeht, hinterlassen deutsche Unternehmen allein in Pakistan durch den Import von Baumwolle und Textilien jedes Jahr einen Wasserfußabdruck von 5,46 Kubikilometern – das entspricht beinahe dem doppelten Volumen des Starnberger Sees.
Durch bewussten Konsum können Verbraucher Einfluss nehmen
Dem WWF zufolge werden die Wasserrisiken aber nicht nur Entwicklungsländer und Wüstenregionen treffen, sondern auch Deutschlands Wirtschaft selbst. „Von Reputationsschäden bis hin zu Standortschließungen, versteckte Wasserrisiken können im Extremfall Milliardenausfälle für deutsche Unternehmen nach sich ziehen“, mahnt Experte Wagnitz.
Doch was können Verbraucher tun, um den globalen Wasserhaushalt nicht übermäßig zu strapazieren? Ausschlaggebend sei nicht unbedingt das Leitungswasser, das in Deutschland gespart werde, meint Wagnitz. Vielmehr lasse sich durch bewussten Konsum erheblich mehr bewirken. „Verbraucher sind sich ihrer Macht zu selten bewusst“, sagt der Forscher. „Dabei sind sie in der besten Position, nachhaltige Produkte von den Unternehmen zu fordern.“ Die Firmen selbst rief der WWF dazu auf, sich gemeinsam mit lokalen Partnern um Wasserschutzprojekte zu kümmern.
Für den gezielten Verzicht auf wasserhungrige umweltschädliche Produkte müssten Verbraucher in Deutschland besser informiert sein, meint auch Wasserexperte Rechenberg. „Nur ein gut informierter Verbraucher kann umweltbewusst entscheiden.“ Deswegen sei eine bessere Kennzeichnung von Produkten hinsichtlich ihrer Herkunft und der Produktionsbedingungen notwendig. Als Faustregeln für einen Beitrag zur Verringerung des Wasserfußabdrucks empfiehlt das Umweltbundesamt: weniger Lebensmittel wegwerfen, Textilien länger nutzen und in der Küche auf regionale, saisonale und ökologisch produzierte Lebensmittel setzen.