Beim Start gingen beide in Flammen auf. Der Frachter sollte Nachschub zur Internationalen Raumstation ISS transportieren. Die Rückkehr des deutschen Astronauten Alexander Gerst bleibt von dem Vorfall unbenommen
Washington/Moskau. Eine Rakete mit dem unbemannten Versorgungsfrachter „Cygnus“ ist beim Start zur Internationalen Raumstation ISS explodiert. Nach Angaben der US-Raumfahrtbehörde Nasa gab es weder Tote noch Verletzte. Doch der Schaden für die US-Raumfahrt ist enorm.
Die private amerikanische Antares-Rakete mit dem Frachter „Cygnus“ hatte am Dienstagabend pünktlich um 18.22 Ortszeit (23.22 MEZ) vom Weltraumbahnhof Wallops (US-Staat Virginia) abgehoben. Sekunden später stürzte sie in einem riesigen Feuerball auf die Erde. Flammen umhüllten die Startplattform, brennende Trümmer flogen in alle Richtungen. Die Ursache der Explosion war nach Angaben der Nasa zunächst unklar. Offensichtlich seien die Treibstofftanks der Rakete explodiert. „Es ist noch viel zu früh, um genau zu wissen, was passiert ist“, sagte der ehemalige Nasa-Astronaut Frank Culbertson, der jetzt Vizepräsident der privaten Firma Orbital Sciences ist.
Der von Orbital Sciences entwickelte Frachter „Cygnus“ sollte rund 2300 Kilogramm Lebensmittel, Vorräte und wissenschaftliches Material zur ISS bringen. Seit 2013 gab es drei erfolgreiche Flüge. Nach Nasa-Angaben waren aber keine dringend benötigten Versorgungsgüter an Bord der „Cygnus“. „Die Mannschaft ist in keiner Gefahr“, sagte der Nasa-Chef für bemannte Raumfahrt, William Gerstenmaier.
Nach den Worten Culbertsons war bei dem Unglück nach einer ersten Explosion der Befehl zur völligen Zerstörung des Fluggeräts gegeben worden. Mit einer solchen Maßnahme soll etwa verhindert werden, dass Raketenteile auf bewohntem Gebiet einschlagen. Die Rakete und der Transporter, die zusammen umgerechnet mehr als 157 Millionen Euro kosteten, seien verloren, sagte Culbertson. Ob auch die Startrampe und andere Einrichtungen zerstört wurden, war zunächst unklar.
„Wir sind sehr enttäuscht“, sagte Gerstenmaier. Das Unglück zeige, „dass Raumfahrt ein harter Job ist“, der nicht ohne Gefahren sei. Culbertson fügte hinzu: „Wir werden herausfinden, was schiefgegangen ist, wir werden es beheben, und wir werden wieder fliegen.“
„Cygnus“ ist ein Frachter, der nach einem Flug nicht wiederverwendet wird. Das Raumfahrzeug, das auf dem Rückweg von der ISS Müll befördert, verglüht beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Es wäre der vierte Versorgungsflug von „Cygnus“ gewesen. Ein erster Startversuch am Montag war abgesagt worden, weil in der Gegend um die Abschussrampe ein Segelboot gesichtet worden war.
Die Nasa hatte 2011 ihr Shuttle-Programm nach rund 30 Jahren beendet. Seitdem sind US-Astronauten auf „Mitfahrgelegenheiten“ russischer Raumkapseln angewiesen. Zur Versorgung der Astronauten und zur Lieferung wissenschaftlicher Ausrüstung setzten die USA seitdem auf private Unternehmen.
„Leider kommt es vor, dass Raketen explodieren. Flüge in den Kosmos sind eine riskante Sache“, sagte der russischen Raumfahrtsprecher Wladimir Solowjow. Das Unglück habe keine schlimmen Auswirkungen auf die Versorgung der Crew. „Lebensmittel und Treibstoff reichen für drei bis fünf Monate“, sagte Solowjow.
Vom Absturz des Raumfrachters ist jedoch auch ein Experiment mit deutscher Beteiligung betroffen. Es handle sich um das dritte Experiment aus einer Versuchsreihe zum Verhalten von Flüssigkeiten, sagte Andreas Schütz, Pressesprecher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Das von Prof. Werner Köhler vom Physikalischen Institut der Universität Bayreuth koordinierte Experiment soll neue Erkenntnisse für eine verbesserte Förderung an Erdöllagerstätten bringen.
Die Experimente von Alexander Gerst seien nicht betroffen, sagte Thomas Reiter, Direktor für bemannte Raumfahrt und Missionsbetrieb bei der Europäischen Weltraumorganisation Esa. Der deutsche Astronaut kehre trotz der Explosion wie geplant von der Raumstation zur Erde zurück. „Die Kapsel, mit der sie zurückkommen, ist ja an die Station angedockt“, sagte der ehemalige Astronaut Thomas Reiter. Gerst soll am 10. November zurückkommen. Derzeit arbeiten außer Gerst noch drei Russen und zwei US-Amerikaner auf dem Außenposten der Menschheit in rund 400 Kilometer Höhe.
Am Mittwochmorgen startete ein Frachtschiff der russischen Weltraumbehörde von Kasachstan zur ISS, wo es sechs Stunden später mit drei Tonnen Lebensmittel eintraf. Der reibungslose Flug stand in Kontrast zum fehlgeschlagenen US-Raketenstart. Die russische Mission war bereits lange vor dem Unglück geplant gewesen.