Hamburgs Ärzteteam könnte den Kampf gegen Ebola voranbringen: Dr. Stefan Schmiedel behandelte erfolgreich den ersten Patienten in Hamburg und reist nächste Woche nach Sierra Leone.
Eppendorf. Sie haben Tag und Nacht gearbeitet, und manchmal sind sie über die Grenzen ihrer Belastbarkeit hinausgegangen. Fünf Wochen lang hat ein Team aus Ärzten, Krankenschwestern, Pflegern und Technikern um den Tropenmediziner Dr. Stefan Schmiedel am Universitätskrankenhaus Eppendorf (UKE) einen Ebola-Patienten behandelt. Am 3. Oktober konnte der Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als geheilt entlassen werden. „Wir wurden erschlagen von den enormen Schwierigkeiten bei der Behandlung“, sagt Schmiedel.
Der Mann aus dem Senegal, der als Epidemiologe in einem Ebola-Behandlungszentrum in Sierra Leone im Einsatz gewesen ist, war Ende August mit einem US-Spezialflugzeug in Hamburg eingeflogen worden. Er hatte hohes Fieber, hat sich häufig erbrochen und hatte ständig Durchfall. „Er hatte einen sehr hohen Flüssigkeitsverlust und war sogar zu schwach, um sich alleine im Bett umzudrehen“, sagt Schmiedel. Der Patient habe häufig Schluckauf gehabt, sei von starken Bauchschmerzen geplagt worden und immer wieder seien bei ihm lang anhaltende Zustände der Verwirrtheit aufgetreten. „Und er hat aus dem Nasen- und Rachenraum geblutet.“
Die Behandlung von hochgefährlich infizierten Patienten wurde jahrelang trainiert
Der Mann hatte sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei einem Kollegen infiziert, der an Ebola verstorben ist. Zehn Tage später brach die Krankheit bei ihm selbst aus. Und zehn Tage danach kam er ins UKE. Mit 18 Mitarbeitern hätten sie sich um den Patienten gekümmert. Jahrelang wurde am UKE die Behandlung von hochgefährlich infizierten Patienten trainiert. In der Theorie. Das Anziehen der Schutzkleidung, die mühevolle Arbeit unter schwierigsten Bedingungen.
„Wir wollten alle vier Stunden das Behandlungsteam in der Isolierstation austauschen“, sagt Schmiedel. Doch in der Realität stellte sich schnell heraus, dass die Helfer nach drei Stunden mit ihren Kräften völlig am Ende waren.
„In den astronautenähnlichen Anzügen fängt man spätestens nach zehn Minuten an zu schwitzen, nach 30 Minuten ist man klitschnass und schwimmt in den Plastikschuhen.“ Dann beschlägt die Maske, die Sicht ist getrübt. „Und man hat immer das Gefühl, man könne nicht richtig atmen.“ Dazu komme die permanente Vorsicht, bloß nicht mit den Körperflüssigkeiten des Patienten in Berührung zu kommen. „Man muss ständig aufpassen, dass man sich nicht irgendwo die Kleidung aufreißt.“
Man braucht dicke Schläuche, die man in den Patienten einführt
Zur Behandlung des Ebola-Patienten standen den UKE-Medizinern zwei antivirale Chemikalien zur Verfügung – doch sie haben sich gegen eine experimentelle Therapie entschieden. Warum? „Weil wir gemerkt haben, dass das Immunsystem des Patienten den Kampf gegen das Virus aufgenommen hatte.“ Sie setzten deshalb auf eine unterstützende Intensivmedizin, um die lebensgefährliche Magen-Darm-Lähmung zu bekämpfen. „Um den irrsinnigen Flüssigkeitsverlust auszugleichen, braucht man dicke Schläuche, die man in den Patienten einführt“, sagt Schmiedel. „In den ersten drei Tagen benötigte der Mann bis zu zehn Liter am Tag, um sich zu stabilisieren.“
Um mit der Belastung fertigzuwerden, wurden die Helfer am UKE psychologisch unterstützt. „Trotz der enormen Anstrengung über einen sehr langen Zeitraum war die Stimmung im Team sehr gut. Wir fühlten uns ja auch irgendwie ausgezeichnet, dass wir den Ebola-Patienten behandeln konnten“, sagt Schmiedel.
Als die Viruslast in den verschiedenen Proben aus Blut, Speichel, Schweiß, Urin, Stuhl oder Tränenflüssigkeit zurückging und die Funktionen von Leber und Niere wiederhergestellt waren, schien der Patient über den Berg. Doch am 13. Krankheitstag verschlechterte sich sein Zustand aufgrund einer schweren Blutvergiftung. Verursacht durch Bakterien, die sich gegen verschiedenste Antibiotika als resistent erwiesen.
Das Ebola-Virus kann sich im Organismus des Menschen verstecken
Die Folge: ausgeprägte Bewusstseinsstörungen und eine zunehmend eingeschränkte Lungenfunktion. „Das Ebola-Virus ist sehr hartnäckig und kann sich im Organismus des Menschen verstecken.“ Mit künstlicher Beatmung und einer gezielten Antibiotika-Therapie haben sie das Leben des Patienten gerettet.
Wichtig sei auch die kurze Entfernung zum Bernhard-Nocht-Institut (BNI) für eine sehr schnelle Diagnose gewesen.
In fünf Tagen wird Stefan Schmiedel selbst nach Sierra Leone fliegen. Er hat das zu Hause mit seiner Frau und den vier Kindern besprochen. Sie haben seine Entscheidung akzeptiert. Es ist nicht sein erster Einsatz in Afrika: Er hat in Nigeria das Lassafieber bekämpft, aber Ebola ist etwas anderes. „Das Virus unterscheidet sich von anderen vor allem durch die sehr hohe Sterblichkeit.“
Angst vor seinem Einsatz in dem Epidemiegebiet in einer der von Ebola am stärksten betroffenen Regionen Afrikas hat er nicht. „Wenn ich Angst hätte, dann würde ich dort nicht hinfliegen, um den Menschen zu helfen“, sagt er. Aber er hat Respekt vor dem Virus: „Den sollte man auch haben.“ Was ihn erwartet? „Ein afrikanisches Dorfkrankenhaus mit 150 Betten.“ Er wird in Kenema arbeiten. Die Stadt ist mit rund 160.000 Einwohnern die drittgrößte des Landes und liegt etwa sechs Autostunden südöstlich der Hauptstadt Freetown.
„Sind Sie ein Held?“, ist er gestern noch gefragt worden. „Nein“, hat Stefan Schmiedel gesagt und gelacht. „Ich bin bestimmt kein Held, aber ich bin ein Profi.“