Studien zeigen große Unterschiede zwischen alten Eichenbeständen, die auf ehemaligen Landwirtschafts- oder historischen Waldflächen wachsen
Lüneburg/Kiel. Das Aufforsten von Ackerland, Wiesen und Heiden bringt ursprünglich verloren gegangene Wälder nicht zurück. Das ergab eine Untersuchung in historisch jungen (aber über 110 Jahre alten) aufgeforsteten Waldgebieten im Naturpark Lüneburger Heide. Forscher der Universitäten Kiel und Lüneburg sowie Kollegen aus Leipzig und Minnesota (USA) fanden große Unterschiede zwischen jahrhundertealten Waldböden und den aufgeforsteten Standorten. Das betrifft sowohl das mikroskopisch kleine „Innenleben“ der Böden als auch das Wachstum der Bäume.
„Unsere Studie zeigt, dass sich Entwaldung nicht so einfach umkehren lässt. Wenn dies überhaupt möglich ist, dann dauert es Jahrhunderte. Nach gut hundert Jahren ist der ursprüngliche Zustand jedenfalls noch lang nicht erreicht“, sagt Dr. Andreas Fichtner vom Institut für Natur- und Ressourcenschutz der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Forscher betrachteten aufgeforstete Eichenwälder und nicht die viel häufigeren Fichtenbestände. Denn sie mussten für ihre Vergleiche dieselbe Baumart wählen. Eichen wurden vor gut einem Jahrhundert angepflanzt und finden sich zugleich an historisch alten Standorten, die für die zurückliegenden 240 Jahre gut dokumentiert sind.
Insgesamt untersuchten die Forscher 18 Waldabschnitte, sechs ursprüngliche Eichenwälder sowie jeweils sechs aufgeforstete Bestände auf ehemaligen Acker- und Heideflächen. Mit ihrer Arbeit wollen die Ökologen eine Hypothese untermauern: Ein Waldlebensraum mit langer ökologischer Kontinuität (wo seit Jahrhunderten Wald wächst) verändert die Standortbedingungen so, dass die Bäume, die dort stehen, weniger empfindlich gegenüber veränderten Umweltbedingungen sind. Die Folge: Der Wald ist stabiler.
Starke Hinweise darauf lieferten Baumringuntersuchungen. „In historisch jungen Wäldern fanden wir ein Superwachstum in Jahren mit guten Bedingungen und ein ausgesprochen schlechtes in Jahren mit ungünstigen Bedingungen wie Trockenheit. In ursprünglichen Wäldern war das Wachstum von Jahr zu Jahr viel ausgeglichener“, sagt Fichtner. Vor allem die Bäume auf ehemaligen Ackerstandorten reagierten empfindlicher auf Niederschlagsschwankungen, so Fichtner. „Die Heidestandorte nehmen eine Zwischenstellung ein, denn dort war die Nutzungsintensität geringer.“
Die Forscher gingen den Beobachtungen auf den Grund und analysierten den Boden. Auch mehr als 100 Jahre nach Aufgabe der Ackerflächen fanden sie in den Böden der aufgeforsteten Bestände aufgrund der früheren Düngung zwei- bis dreimal so viel Stickstoff und Phosphor als in den ursprünglichen Waldböden. Wo viele Nährstoffe sind, leben auch viele Bakterien und Pilze – in den ehemaligen Ackerböden waren es bis zu 80 Prozent mehr als in den jahrhundertealten Waldböden. Zudem registrierten die Ökologen unterschiedliche Lebensgemeinschaften. Fichtner: „Die historischen Waldböden sind eher pilzdominiert, die ehemaligen Ackerflächen bakteriendominiert.“
„Bislang ging man davon aus, dass die Mikroorganismenzusammensetzung unter der Erde zu ihrem ursprünglichen Zustand zurückkehrt, wenn man auf dem Acker wieder Bäume pflanzt“, sagt Prof. Goddert von Oheimb von der Leuphana Universität Lüneburg. „So schnell sich neue Bakterien und Pilze ausbreiten, so rasch können die ursprünglichen Arten im Prinzip wiederkommen. Nach 20 bis 30 Jahren sollte alles beim Alten sein – so dachte man zumindest.“
Die Lüneburger Untersuchungen zeigten das Gegenteil. Zusammen mit dem reichlichen Nährstoffangebot sorgt die Armada der Mikroorganismen dafür, dass die Bäume fast in den Himmel wachsen, wenn nur genügend Wasser vorhanden ist, um die Nährstoffe in ihre Kronen zu transportieren. Ihre Stammdurchmesser legen dann deutlich zu (abzulesen an den Jahresringen), und sie bilden eine besonders üppige Krone aus.
Letzteres macht die Bäume empfindlich gegenüber Trockenheit, denn die reichlich vorhandenen Blätter verdunsten entsprechend mehr Wasser. Zudem zeigten die Untersuchungen, dass die aufgeforsteten Eichen auf ehemaligem Ackerland flacher wurzeln. Denn die ehemals regelmäßig gepflügten oberen Bodenschichten waren lockerer und besonders nährstoffreich. Aber gleichzeitig trocknen sie bei Regenmangel viel schneller aus als tiefere Bodenschichten.
Dass jahrhundertealte Wälder mehr bedrohte Tier-, Pflanzen und Pilzarten beherbergen, ist längst bekannt. Die Forschungen zu den Böden als Basis der Wälder zeigten nun, dass historische Wälder weitere Vorteile haben. Fichtner spricht von „besseren Serviceleistungen“, etwa für den Klimaschutz: „Ein stabilerer Wald ist gleichzeitig ein stabilerer Kohlenstoffspeicher. Er kann das aus der Atmosphäre aufgenommene Kohlendioxid sicherer einlagern als ein Wald, der empfindlicher auf veränderte Umweltbedingungen reagiert.“
Aus ökologischer Sicht untermauern die gewonnene Erkenntnisse die Strategie, alten Wäldern im Naturschutz oberste Priorität einzuräumen, sagt Fichtner. Ebenso stützen sie den Ansatz, standortfremde Nadelwälder in Laubwälder umzuwandeln, damit die Baumgesellschaft wieder naturnäher wird. „Wir untersuchen jetzt Buchenwälder, um zu sehen, ob unsere Ergebnisse auch für sie gelten“, sagt Fichtner. Erste Voruntersuchungen deuteten darauf hin. Ob sich auf den aufgeforsteten Landwirtschaftsflächen jemals, vielleicht in 50 oder 100 Jahren, wieder „echte“ Waldböden bilden, vermögen die Forscher nicht zu sagen. „Es ist durchaus denkbar, dass die von Menschen verursachten Änderungen irreversibel sind“, so von Oheimb.