Laut DAK-Studie mussten 474 junge Patienten wegen der Erkrankung 2012 in einer Hamburger Klinik behandelt werden
Hamburg. Sie leiden unter Stimmungsschwankungen, können sich nur schwer zu etwas aufraffen und sich in der Schule nur schlecht konzentrieren. Hinzu kommen mangelndes Selbstvertrauen und psychosomatische Probleme, wie zum Beispiel Schlafstörungen. Solche Symptome sind bei Kindern und Jugendlichen typisch für eine Depression. Bei immer mehr Hamburger Kindern und Jugendlichen ist die Erkrankung so gravierend, dass eine ambulante Behandlung nicht mehr ausreicht und sie in Kliniken stationär behandelt werden müssen. Das teilt die DAK-Gesundheit mit und bezieht sich dabei auf aktuelle Daten des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 2000 bis 2012.
Danach ist die Zahl der jungen Patienten im Alter zwischen zehn und 19 Jahren, die wegen einer Depression stationär behandelt werden müssen, innerhalb von zwölf Jahren fast um das Achtfache gestiegen. 2012 wurden nach den aktuellen Daten 474 depressive Kinder und Jugendliche in Hamburger Kliniken behandelt, im Jahr 2000 waren es nur 61. Diese Steigerung ist deutlich höher als im Bundesdurchschnitt, bei dem sich die Zahlen im gleichen Zeitraum von 2145 auf 12.567 versechsfacht haben.
Außerdem zeigt die Statistik, dass der Anteil der stationären Behandlungen in Hamburg im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt zugenommen hat, von 1,8 Prozent im Jahr 2000 auf 3,8 Prozent 2012. Sowohl in Hamburg als auch im Bundesdurchschnitt ist die Zahl der behandelten Fälle in Krankenhäusern insbesondere seit 2009 deutlich angestiegen. Genauso wie überall in Deutschland sind auch in Hamburg Mädchen deutlich häufiger von dieser Erkrankung betroffen als Jungen. Rund zwei Drittel der Patienten sind Mädchen und junge Frauen.
Einer der Gründe für die Steigerung sei die Zunahme der Erschöpfungsdepression aufgrund eines Burnouts, sagt Prof. Michael Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf. Dieses entstehe durch Leistungsdruck bei gleichzeitig zunehmender Unsicherheit über die Zukunftsperspektiven. Zwar seien davon immer noch mehr Mädchen als Jungen betroffen. „Ich sehe aber auch zunehmend Jungen mit einer Erschöpfungsdepression, und der Anteil wird wahrscheinlich noch zunehmen“, sagt der Kinderpsychiater. Dass mehr Jugendliche mit einer Depression in die Klinik müssen, liegt nach seiner Meinung vor allem daran, dass der Schweregrad der Erkrankung zunimmt.
Die DAK-Gesundheit bewertet die steigenden Zahlen aber auch als Zeichen einer Enttabuisierung, die es Betroffenen leichter macht, über die Erkrankung zu sprechen. „Heute ist es kein Makel mehr, wenn jemand an einer Depression erkrankt. Auch werden Anzeichen für eine depressive Störung viel eher erkannt“, sagt die Hamburger DAK-Chefin Regina Schulz. Denn es gibt mittlerweile in der Bevölkerung eine höhere Sensibilität für psychische Erkrankungen. Trotzdem werden Depressionen im Kindes- und Jugendalter nach Meinung von Experten immer noch zu oft übersehen.
Ähnlich äußert sich auch die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, -psychosomatik und -psychotherapie, die zu dem Schluss kommt, dass die meisten depressiven Kinder und Jugendlichen gar nicht oder ambulant behandelt werden. Auch die zunehmende Zahl der Klinikaufenthalte schätzt die Fachgesellschaft im Vergleich zur Häufigkeit der Erkrankung eher noch als gering ein und betrachtet sie vor allem als Ausdruck einer verbesserten Diagnostik. Auch Schulte-Markwort sieht in diesem Bereich eine Verbesserung: „Wir diagnostizieren die schwere Form der Depression heute zu einem früheren Zeitpunkt“, sagt der Kinderpsychiater. Früher sei diese Diagnose bei den Betroffenen häufig erst Jahre später im Erwachsenenalter gestellt worden.
Niemand sollte sich scheuen, mit seinem Kind einen Spezialisten aufzusuchen, wenn es Symptome einer Depression zeigt. In den vergangenen Jahren sind in Hamburg die Kapazitäten für die Behandlung von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen ausgebaut worden, sowohl im ambulanten Bereich als auch in Krankenhäusern und Tageskliniken. Die Erkrankung ist heute gut behandelbar. Und je früher die Therapie beginnt, umso besser ist die Prognose. „Je nach Schweregrad werden zur Behandlung eine Psychotherapie und Medikamente, sogenannte Antidepressiva, eingesetzt“, sagt Schulte-Markwort.