Immer mehr junge Wissenschaftler messen sich bei unterhaltsamen Kurzvorträgen – den Science Slams. Was sie sich davon erhoffen.
Hamburg. Am heutigen Mittwochabend steigen im Audimax der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) junge Wissenschaftler in den Ring, um einem breiten Publikum ihre spannenden Forschungsprojekte vorzustellen. Zehn Minuten haben sie Zeit, um Jury und Publikum zu überzeugen. Science Slam nennt sich dieses Veranstaltungsformat, das schon mehrfach in Hamburg stattgefunden hat. An der TUHH feiert heute der Shell Science Slam Premiere. Sechs Nachwuchswissenschaftler aus unterschiedlichen Universitäten stellen ihre Forschungsprojekte vor. Eine von ihnen ist Saskia Oldenburg von der TUHH. Mit ihrer Idee, aus Pferdeäpfeln Geld zu machen, erregte die Hamburgerin schon im vergangenen Jahr Aufmerksamkeit, als sie auf der Suche nach Sponsoren für ihr Vorhaben war.
Pferdemist für Biogasanlagen aufzubereiten kam der begeisterten Reiterin selbst in den Sinn: „Wir haben in Deutschland 900.000 Pferde, die Mist produzieren. Und Pferdemist hat ein großes energetisches Potenzial – 2,5 Tonnen Pferdemist liefern so viel Energie wie eine Tonne Mais.“
Der einzige Haken: Die Biogasanlagen sind sehr empfindlich und reagieren besonders sensibel auf Störstoffe wie Stroh und Sand. Deshalb sitzt Saskia Oldenburg nun an der Entwicklung bestimmter Aggregate, die Strohhalme, Sand und Steine aus dem Pferdemist entfernen und ihn für die Biogasanlagen aufarbeiten. Ein Patent für die Aufarbeitungsaggregate hat die Doktorandin bereits angemeldet, zwei Gründerwettbewerbe hat sie schon gewonnen.
Und auch im Slammer-Business ist die Doktorandin schon ein alter Hase: „Ich habe schon an vielen Slams teilgenommen, die genaue Zahl weiß ich nicht mehr“, sagt die 29-Jährige, die zuletzt beim diesjährigen Famelab (einer Drei-Minuten-Variante) an der Universität Hamburg den zweiten Platz belegte und vor zwei Jahren den Women Mint Slam in Bremen gewann. Die Hamburgerin sieht in der Teilnahme an Science Slams den praktischen Vorteil, dass sie schon einmal für die Verteidigung ihrer Doktorarbeit üben kann: „Bei den Slams müssen wir selbstbewusst auf der Bühne stehen und ein großes Publikum von unserem Forschungsprojekt überzeugen. Das ist eine gute Übung. Außerdem machen wir so nicht nur Forschung fürs Labor, sondern für die breite Öffentlichkeit. Und seine eigene Arbeit zu präsentieren macht einfach Spaß.“
Anders als Saskia Oldenburg zählt Nils Christiansen heute Abend zu den Slammer-Neulingen, für ihn wird der Auftritt eine ganz neue Erfahrung sein. Als die Veranstalter ihn anriefen, war er sich zuerst nicht sicher, ob er der Einladung folgen sollte: „Erst war ich skeptisch, ob sich der hohe Vorbereitungsaufwand lohnt. Aber dann entschied ich mich doch dafür, teilzunehmen. Bei solch einer Veranstaltung kann ich einem großen Publikum zeigen, warum das, was ich mache, sinnvoll ist.“ Seit einem Jahr ist der 30-Jährige, der in Karlsruhe Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat, Doktorand an der TUHH.
In Zusammenarbeit mit dem Universitätskrankenhaus Hamburg-Eppendorf sucht er nach möglichen Energieeinsparungen an Großkrankenhäusern. „In Krankenhäusern müssen viele Räume mit großen Luftströmen versorgt und sehr exakt beheizt oder gekühlt werden. Dazu kommt eine Vielzahl von medizintechnischen Geräten, sodass der Verbrauch hier besonders hoch ist. Die Herausforderung dabei ist es, eine Methode zur objektiven Bewertung des Verbrauchs zu finden. Denn Großkrankenhäuser haben einen sehr individuellen Aufbau, wodurch sie untereinander nicht vergleichbar sind“, sagt Christiansen, Doktorand am Institut für Umwelttechnik und Energiewirtschaft. Wenn die Methode gefunden ist, soll eine Bewertungsskala entwickelt werden, mit der sich der CO2-Ausstoß von Großkrankenhäusern ermitteln lässt.
„Der richtige und nachhaltige Umgang mit Energie ist heute einfach ein entscheidendes Thema. Ich halte es für wichtig, etwas zu tun, hinter dem ich auch wirklich stehe“, sagt Nils Christiansen.
Science Slams haben ihren Ursprung nicht – wie die schon viel populäreren Poetry Slams – in den USA, sondern in Deutschland, genauer gesagt in Darmstadt, wo es 2006 den ersten Wissenschaftswettbewerb dieser Art gab. Im Gegensatz zu den Dichtern bei den Poetry Slams, die sich einzig mit ihren literarischen Werken in den Wettbewerb wagen, sind den Science Slammern bei ihrem Auftritt kaum Grenzen gesetzt: Requisiten, PowerPoint-Präsentationen und anschauliche Experimente sind durchaus willkommene Hilfsmittel. „Es geht darum, dass die Slammer ihr Forschungsprojekt möglichst verständlich und unterhaltsam präsentieren und damit nicht nur die Jury, sondern auch das Publikum begeistern“, sagt Susmit Banerjee, Sprecher von Shell in Hamburg.
Nach der Präsentation liegt die Entscheidung zu gleichen Teilen bei Jury und Zuschauern: „50 Prozent macht die Meinung der dreiköpfigen Jury aus, die vor allem den wissenschaftlichen Wert beurteilt. Die anderen 50 Prozent kommen vom Publikum, welches durch drei zufällig ausgewählte Zuschauer repräsentiert wird“, sagt Banerjee.
Die Wissenschaftswettbewerbe sind äußerst beliebt – im Uebel&Gefährlich betritt der Wissenschaftsnachwuchs am 17. Dezember zum zweiten Mal die Bühne: „Da die circa 180 Tickets für das Kulturhaus 73 immer lange im Voraus ausverkauft waren, haben wir uns entschieden, im Uebel&Gefährlich eine zusätzliche Veranstaltung zu machen. Da können wir 350 Leuten Platz bieten“, sagt die Hamburger Biologin Dr. Julia Offe, die die Plattform „Science Slam“ im Internet betreut. Hier werden bundesweit zahlreiche nicht kommerzielle Science Slams organisiert und angekündigt.
Auch die 280 kostenlosen Tickets für den Shell Science Slam am heutigen Abend im Audimax II der TUHH waren schon vor zwei Wochen vergriffen.