Masern, Typhus, Ruhr, Cholera: Durch die Verwüstungen, die Taifun „Haiyan“ hinterlassen hat, steigen die gesundheitlichen Risiken für die Menschen.

Berlin. Am 8. November raste der Taifun „Haiyan“ über die Philippinen und hinterließ eine Spur der Verwüstung. Der Wirbelsturm forderte bisher 3976 Menschenleben. Mehr als 1600 Menschen werden noch vermisst. Millionen von Menschen sind obdachlos. Doch die Gefahren sind noch nicht vorüber. Durch die Verwüstungen und den Zusammenbruch der Infrastruktur drohen den Menschen weitere Gesundheitsrisiken. Was das im Einzelnen bedeutet, darüber sprach das Abendblatt mit Dr. Christiane Haas, Expertin für Gesundheit und Hygiene beim Deutschen Roten Kreuz in Berlin.

So kann es in den betroffenen Gebieten vermehrt zu Infektionen der Atemwege, wie etwa Bronchitis und Lungenentzündungen, kommen. „Die Ursache dafür ist, dass die Menschen dort keine richtigen Unterkünfte haben. Ihre Häuser sind beschädigt oder komplett zerstört, sodass sie weiteren Regenfällen schutzlos ausgeliefert sind“, sagt die Ärztin. Begünstigt werden diese Erkrankungen auch durch das enge Zusammenleben in den Unterkünften, in die sich die Menschen gerettet haben. Dieses Zusammenleben auf engem Raum und ein ungenügender Impfschutz kann auch den Ausbruch einer Masernepidemie begünstigen. „Masern ist eine der am meisten gefürchteten Krankheiten in solchen Situationen, weil sie hoch ansteckend ist und sich schnell ausbreitet“, sagt Haas.

Zudem drohen Infektionen durch unsauberes Trinkwasser. Das sind vor allem Durchfallerkrankungen wie Typhus, Ruhr und Cholera. Hinzu kommt ein erhöhtes Risiko für Malaria und Denguefieber. „Dadurch, dass das Wasser nicht mehr richtig abfließen kann, erhöht sich die Zahl der Brutplätze für Moskitos, die diese beiden Infektionen übertragen“, erklärt die Hamburger Infektiologin.

Wie hoch die Seuchengefahr sei, lasse sich zurzeit schwer einschätzen. „Aber wir sehen, dass die Zahl der Menschen, die wegen der Katastrophe die betroffenen Gebiete verlassen, ansteigt. Das ist einer der wesentlichen Risikofaktoren“, sagt Haas. Die Zahl der Menschen, die aus den betroffenen Gebieten flüchten, und ihr Gesundheitszustand bestimmen zum Großteil mit, ob Seuchen ausbrechen. Hinzu kommen die Lebensumstände, auf die die Menschen treffen, ob sie für lange Zeit ohne ein Dach über dem Kopf ausharren müssen, ob sie ausreichend Trinkwasser und Nahrungsmittel haben und ob sie auf engem Raum zusammenleben. Die Menschen müssen sich auf neue Lebensumstände einstellen, die für sie völlig unklar sind und haben kaum Möglichkeiten, ihre gewohnten Hygienepraktiken anzuwenden.

Ein weiteres Risiko ist überall die Unterversorgung mit Nahrungsmitteln, insbesondere für Schwangere und Kinder unter fünf Jahren. „Diese Gruppe hat einen erhöhten Bedarf und wird, wenn immer möglich, mit zusätzlichen Nährstoffen und Nahrungsmittelangeboten versorgt“, sagt Christiane Haas.

Die Situation der Bevölkerung auf allen Ebenen zu verbessern ist das Ziel der zahlreichen Hilfsorganisationen, die jetzt auf den Philippinen die Menschen versorgen. Immer mehr Organisationen treffen ein und die Hilfsmaßnahmen kommen vor Ort an. „Zu kurz kommt mir dabei der Aspekt der Sanitärversorgung. Sie muss sichergestellt werden, um Epidemien zu verhindern. Das ist einer der Gründe, warum wir gestern mit einem Hilfsflug auch ein Modul mit Toiletten und einer Abwasserentsorgung geschickt haben, dass eine Sanitärversorgung für 20.000 Menschen gewährleistet“, sagt die Ärztin.

Mit an Bord sind auch Medikamente, medizinisches Verbrauchsmaterial und Verbandsstoff für 60.000 Menschen für einen Monat. Denn es müssen in den Gebieten auch Tausende von Verletzten versorgt werden. „Die Vereinten Nationen geben die Zahl der Verletzten mit 12.500 an, wobei noch unklar ist, um welche Art von Verletzungen es sich handelt. In den Berichten der Uno ist aber auch von Wunden die Rede, die über längere Zeit nicht versorgt worden sind, und davon, dass die Möglichkeit besteht, dass die Menschen sich mit Tetanus infizieren, wenn eine rasche Wundversorgung und eine ausreichende Behandlung mit Tetanusimpfstoff nicht möglich sind. Das ganze Ausmaß der Katastrophe ist aber noch nicht zu überblicken“, sagt Haas.

Sie weist aber auch darauf hin, dass neben den direkten Folgen der Katastrophe noch andere Dinge bedacht werden müssen. So haben die Vereinten Nationen die Bevölkerung auf den Philippinen schon davor gewarnt, die Pflanzzeit für die wichtigsten Nahrungsmittel wie zum Beispiel Reis, die im Dezember beginnt, nicht aus den Augen zu verlieren. Denn dann würde die Ernte im April ausfallen und damit die eigenständige Nahrungsmittelproduktion des Landes, was die Lebensmittelknappheit weiter verschärfen würde.