Am Mittwoch hat in Hamburg der Deutsche Schmerzkongress begonnen, zu dem insgesamt mindestens 2500 Teilnehmer erwartet werden.
Hamburg Unerträglich, reißend, bohrend, ein Dämon – so beschreiben Menschen, die unter Cluster-Kopfschmerzen leiden, diesen Schmerz, der sie in einseitigen Attacken immer wieder heimsucht, of begleitet von einem tränenden Auge und einer verstopften Nase. Wie Betroffene im Internet berichten, sind die Schmerzen so stark, dass sie am liebsten schreien würden oder mit dem Kopf gegen die Wand schlagen. Und die Attacken können bis zu drei Stunden anhalten. In Deutschland leiden etwa 100.000 Menschen unter einem Cluster-Kopfschmerz.
Jetzt gibt es eine neue Behandlungsmethode, die auf dem viertägigen Deutschen Schmerzkongress in Hamburg vorgestellt wird, der am Mittwoch in Hamburg begonnen hat und zu dem mehr als 2500 Teilnehmer erwartet werden.
Bei der sogenannten sphenopalatinen Ganglienstimulation (SPG) wird eine Spule unter die Haut am Oberkiefer implantiert, von der eine Elektrode zu einem bestimmten Nervenknoten (Ganglion) gelegt wird. Bekommt der Patient eine Schmerzattacke, hält er von außen ein Gerät, eine Art Fernbedienung, gegen seine Wange. „Dann fließt Strom und das Ganglion wird stimuliert“, erklärt Prof. Arne May, einer der beiden Präsidenten des diesjährigen Schmerzkongresses und Kopfschmerz-Spezialist am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).
Wissenschaftler des UKE haben zusammen mit Kollegen der Uniklinik Essen und weiteren europäischen Zentren das in den USA entwickelte Verfahren in einer Studie getestet. „Wir haben unseren Patienten empfohlen, das Gerät zehn Minuten einzusetzen“, sagt May. Das Ergebnis: Bei 60 Prozent der Patienten konnten über einen Zeitraum von vier Wochen die Schmerzen reduziert werden, die Attacken wurden seltener oder hörten sogar ganz auf. May berichtet, dass bei manchen Patienten der Schmerz schon nach einer Anwendung von zwei bis drei Minuten nachließ.
Über den Gesamtbeobachtungszeitraum von 18 Monaten war die Erfolgsrate zwar deutlich niedriger, lag aber immer noch zwischen 30 und 50 Prozent. Langzeitergebnisse über mehrere Jahre gibt es zu diesem Verfahren noch nicht. Aber die Studien werden weitergeführt. Mittlerweile haben die UKE-Wissenschaftler schon einige Erfahrungen mit der neuen Methode gesammelt. „Wir haben am UKE bis heute über 20 Eingriffe vorgenommen“, sagte Arne May.
Das Leiden an chronischen Schmerzen ist in Deutschland ein weit verbreitetes Phänomen. Nach Angaben von Prof. Thomas Tölle, dem Präsidenten der Deutschen Schmerzgesellschaft, werden zwölf Millionen Menschen in Deutschland von chronischen Beschwerden gequält. Wichtig sei vor allem, dass akute Schmerzen gleich von Anfang an ernst genommen und behandelt werden, damit sie nicht dauerhaft bleiben, sagte Tölle.
Vor diesem Hintergrund verwies er auch auf den „Nationalen Aktionsplan gegen den Schmerz“, der bereits vor drei Jahren ins Leben gerufen wurde. Damit sei es gelungen, mehr Bewusstsein für dieses Problem zu schaffen, aber die Forschung müsse weiter gefördert und die Versorgung der Patienten verbessert werden.
Für die Umsetzung des Aktionsplans forderte er auch die Mitwirkung der Politik: „Nur von der Politik kann die Unterstützung kommen, damit wir den Aktionsplan umsetzen können“, sagte Tölle.
Ein koordiniertes Handeln sollte aus Sicht der Deutschen Schmerzgesellschaft unter anderem auf folgenden Eckpunkten basieren: Bundesweit mangele es an Transparenz über Strukturen, Qualität und Möglichkeiten der Schmerzversorgung in Deutschland. Das Thema Schmerz sollte ein eigenständiger Beratungspunkt der Gesundheitsministerkonferenz sein. Überfällig sei der Aufbau der Versorgungsforschung, etwa durch ein deutsches Schmerzregister bei chronischen Schmerzen. Notwendig sei zudem die Einbindung der Schmerzmedizin als Prüfungsfach in die Lehre der Universitäten. „Wir müssen auch über Patienten mit akuten Schmerzen mehr nachdenken. Da gibt es noch große Lücken in der Versorgung an den Klinken“, sagte Tölle.
Am Sonnabend, 26.10. findet von 10.30–12 Uhr
im Rahmen des Kongresses im CCH, Saal 8, ein Patiententag statt. Experten informieren über
Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Schmerzen durch Krebserkrankungen. Der Eintritt ist frei.