In Deutschland gibt es zu wenig Spenderorgane. Deshalb werden immer öfter Pumpen zur Unterstützung eingesetzt. UKE hat das Universitäre Transplantations-Centrum gegründet.
Hamburg. Gerade zehn Monate ist es her, dass ein Organspendeskandal die deutsche Öffentlichkeit erschütterte. An mehreren großen Kliniken wurden Fälle bekannt, in denen Patienten durch Manipulation von Daten auf der Warteliste für eine Spenderleber nach oben rückten. Die Ärztekammer zog daraus schnell die Konsequenz. „Es sind jetzt fast alle Lebertransplantationsprogramme überprüft worden“, sagt Prof. Hermann Reichenspurner, Direktor des Universitären Herzzentrums am Universitätsklinikum Eppendorf, selbst Mitglied der Überwachungskommission der Bundesärztekammer. Auch die Transplantationsprogramme für alle anderen Spenderorgane sollen jetzt nach und nach überprüft werden.
Als Konsequenz aus dem Skandal hat das UKE jetzt das Universitäre Transplantations-Centrum gegründet, in dem künftig alle Patienten behandelt werden, die eine neue Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse oder ein neues Herz brauchen. „Mit diesem virtuellen Centrum wird organisatorisch die gesamte Transplantation im UKE unter ein Dach gestellt. Ziel ist, die Abläufe standardisierter und transparenter zu machen“, sagt Reichenspurner, der die ärztliche Leitung des neuen Centrums übernimmt.
Nichtsdestotrotz hat der Skandal einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung bewirkt, auf den auch der Rückgang der Organtransplantationen zurückgeführt wird. Laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation ist die Zahl der Organspender von Januar bis April 2013 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres deutlich rückläufig. 2012 gab es in dieser Zeit 368 Organspender, 2013 waren es nur noch 301, ein Rückgang um 18,2 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich bei den Herztransplantationen. Laut einer Statistik der Deutschen Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie, war die Zahl der Herztransplantationen 2012 mit 327 auf dem Tiefstand. Die höchste Zahl in den vergangenen 19 Jahren lag 1998 in Deutschland bei 526 Herztransplantationen.
Auch in Hamburg geht die Zahl zurück: „Ich habe im vergangenen Jahr zwölf Transplantationen durchgeführt, 2007 waren es noch 25“, sagt Reichenspurner. Jetzt werde in Fachgremien diskutiert, wie man eine Verbesserung der Organspenderate erzielen könne. Dazu gehöre zum Beispiel der Einsatz von Transplantationskoordinatoren an Kliniken, die für die Organspende infrage kommen. Sie kümmern sich darum, dass potenzielle Organspender gemeldet werden und dass die Organisation und Durchführung der Organspende so durchgeführt wird wie vorgeschrieben. „Damit hat Spanien gute Erfolge erzielt. Dort liegt die Rate bei 32 Organspendern pro eine Million Einwohner, in Deutschland sind es nur 13 bis 14“, sagt der Hamburger Mediziner.
Aber die Herzchirurgen müssen auch neue Wege finden, um Patienten, die wegen einer Herzschwäche oder nach einem Herzinfarkt eine Transplantation brauchen, versorgen zu können. „Es stehen dreimal so viele Patienten auf der Warteliste, wie wir im Moment transplantieren können“, sagt Reichenspurner. Und von den 1000 Menschen, die in Deutschland auf der Warteliste für ein neues Herz stehen, sterben pro Jahr 200.
Als Alternative zur Transplantation werden seit einigen Jahren immer häufiger mechanische Herzunterstützungssysteme eingesetzt, die ständig weiterentwickelt werden. „Schon die erste Generation dieser Geräte war deutlich besser als die medikamentöse Therapie, die zweite Generation war noch besser, aber immer noch schlechter als die Transplantation, und die dritte Generation, die wir jetzt verwenden, ist mindestens während der ersten zwei Jahre ähnlich erfolgreich wie eine Herztransplantation“, sagt Reichenspurner. Allein 2012 erfolgten im UKE 25 Einsätze dieser Systeme.
Eingebaut wird eine solche kleine Pumpe in der Herzspitze. Sie zieht das Blut aus der linken Herzkammer und pumpt es durch einen Schlauch, der an die Hauptschlagader angeschlossen wird, in den Körper. Vor allem werden die Kunstherzen in die linke Herzkammer eingesetzt. Wenn auch eine Schwäche des rechten Herzens besteht, ist es auch möglich, auf beiden Seiten ein solches Kunstherz einzusetzen.
Allerdings muss die Energieversorgung für das Kunstherz immer noch von außen erfolgen, über ein dünnes Kabel, das durch die Bauchdecke nach außen geführt und an Akkus angeschlossen wird, mit denen der Patient sechs bis acht Stunden mobil ist, oder an eine Ladestation zu Hause. Diese Technik ist auch die Ursache für die Hauptkomplikation bei den Kunstherzen, die etwa bei jedem fünften Patienten auftritt: eine Infektion des Kabels. „Wenn es zu einer richtigen Kabelkomplikation gekommen ist, ist sie meist mit Antibiotika nicht heilbar. Dann kann man nur das Kunstherzsystem austauschen. Patienten mit einer solchen Infektion erhalten auch eine hohe Dringlichkeitsindikation auf der Transplantationsliste“, sagt der Herzchirurg. Eine weitere Komplikation, die aber nur in bis zu zehn Prozent auftritt, sind Blutungen und die Bildung von Blutgerinnseln. „Das entsteht dadurch, dass die Patienten, die mit diesen Kunstherzen versorgt werden, blutgerinnungshemmende Mittel einnehmen müssen.“ Deswegen sind Menschen, die an Störungen der Blutgerinnung leiden oder an Krankheiten, die mit einer erhöhten Blutungsneigung einhergehen, nicht für diese Therapie geeignet.
Für die Anwendung der Kunstherzen gibt es zwei große Gruppen: „Die eine Gruppe sind Patienten, bei denen mit der Maschine die Wartezeit bis zur Transplantation überbrückt wird“, sagt Reichenspurner. Die andere Möglichkeit, die Destinationstherapie, sei für Patienten gedacht, für die eine Transplantation nicht infrage kommt – zum Beispiel, wenn sie dafür zu alt sind, eine schwere Tumorerkrankung oder eine chronische Infektion haben.
Die Haltbarkeit der Pumpen ist unterschiedlich. „So kann es nötig sein, eine Pumpe schon nach einem Jahr auszutauschen. Wir haben aber auch Patienten, bei denen die Geräte schon seit drei bis vier Jahren problemlos funktionieren“, sagt der Herzchirurg.
Und die Entwicklung geht weiter. Wie Reichenspurner berichtet, waren die Kunstherzen ein Schwerpunktthema auf dem Kongress der internationalen Gesellschaft für Herz- und Lungentransplantation, der im April in Montreal stattfand. Dort wurde auch das neueste Gerät vorgestellt, das mit 2,5 Zentimetern nur noch halb so groß ist wie das Kunstherz, das zurzeit verwendet wird. Es soll nun in Studien erprobt werden.
Tatsache ist aber schon jetzt: Die Zahl der Implantationen von Kunstherzen ist in Deutschland seit 2004 ständig gestiegen und war 2012 fast dreimal so hoch wie die Zahl der Herztransplantationen. 2004 überwogen noch die Transplantationen.