Bei den Konzentrationen von Kohlendioxid, Methan und Lachgas haben Klimaforscher in der Atmosphäre neue Höchstwerte gemessen.
Genf/Hamburg. Die Konzentration der drei wichtigsten Treibhausgase Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Lachgas (N2O) hat neue Rekordwerte erreicht. Das meldete gestern die Weltorganisation für Meteorologe (WMO) mit Sitz in Genf. Zusammen mit weiteren langlebigen Klimagasen sorgen die drei dafür, dass der vom Menschen verursachte (anthropogene) Treibhauseffekt sich seit 1990 um 30 Prozent verstärkt hat. 85 Prozent des Anstiegs gehen allein auf das Konto von CO2.
Die WMO präsentiert ihre jährliche Inventur zum Zustand der Atmosphäre jeweils im Vorfeld der Uno-Klimagipfel - nächste Woche werden sich Tausende Verhandler und Beobachter zur 18. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimakonvention in Doha (Katar) treffen. "Vor zwei Jahren hat man sich auf der Konferenz in Cancún, Mexiko, zu dem Zwei-Grad-Ziel bekannt. Demnach soll der Klimaschutz so stark vorangetrieben werden, dass der Temperaturanstieg bis Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad beschränkt bleibt. Wenn die Emissionen jetzt noch weiter steigen, muss später die Trendumkehr umso drastischer erfolgen", kommentierte Prof. Jochem Marotzke, Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie, die WMO-Zahlen.
Da alle wichtigen anthropogenen Treibhausgase nur in geringen Konzentrationen vorkommen, sprechen Wissenschaftler auch von Spurengasen. Die geringen Mengen sind beim Klimagleichgewicht jedoch das Zünglein an der Waage. Denn sie bringen den balancierten Zustand, der im vorindustriellen Zeitalter herrschte, aus dem Gleichgewicht.
Das wichtigste Treibhausgas bleibt das Kohlendioxid. Es trägt fast zu zwei Dritteln zur Erderwärmung bei. Seine Konzentration in der Atmosphäre liegt inzwischen bei 390.9 ppm (Parts per Million) oder 0,391 Promille und damit 40 Prozent über dem ursprünglichen, vorindustriellen Wert. Die Verbrennung von fossilen Energieträgern ist mit einem Anteil von fast 80 Prozent die wichtigste CO2-Quelle. Ebenfalls bedeutend ist die Brandrodung vor allem von tropischen Wäldern.
Gut die Hälfte des CO2-Ausstoßes verbleibt in der Atmosphäre und sorgt dafür, dass sich die Konzentration des Treibhausgases derzeit jährlich um zwei ppm erhöht. 45 Prozent des CO2 wird derzeit auf natürlichem Wege neutralisiert; das Gas wird von der Vegetation aufgenommen oder löst sich in den Ozeanen. "Das muss nicht notwendigerweise so weitergehen", sagte Michel Jarraud, Generalsekretär der WMO. "Die Ozeane werden durch die Aufnahme von Kohlendioxid saurer. Das könnte Folgen haben für die marine Nahrungskette und für Korallenriffe. Es gibt viele weitere Wechselwirkungen zwischen den Treibhausgasen, der Biosphäre und den Ozeanen. Wir müssen unsere Messkapazitäten und unser Fachwissen erweitern, um diese Zusammenhänge besser zu verstehen."
Das zweitwichtigste Klimagas ist das Methan. Seine Konzentration in der Atmosphäre ist heute 1,6-mal, also 160 Prozent höher als vor der Industrialisierung. 40 Prozent des Ausstoßes entsteht auf natürlichem Wege. So gast Methan durch bakterielle Zersetzung aus Feuchtgebieten aus, ebenso wenn Termiten Holz zersetzen. Doch auch hier überwiegt der menschliche Einfluss: Aus Reisfeldern und Rindermägen, Müllkippen sowie bei der Öl- und Gasexploration wird das Treibhausgas frei.
Das Dritte im Bunde ist das Lachgas, chemisch Distickstoffmonoxid. Seine Konzentration in der Atmosphäre ist um 20 Prozent erhöht, unter anderem durch den starken Einsatz von Stickstoffdüngern. Aber auch bei verschiedenen industriellen Prozessen entsteht N2O. Mit einem Anteil von 60 Prozent überwiegen hier noch die natürlichen Quellen: In Böden und den Ozeanen produzieren Stickstoffbakterien das Treibhausgas, das fast 300-mal wirksamer ist als CO2, aber in deutlich geringeren Konzentrationen vorkommt.
Das Lachgas hat einen zweiten schädlichen Einfluss in der Atmosphäre: Wenn es abgebaut wird, entstehen Substanzen, die die Ozonschicht angreifen. Sie schirmt alle Erdbewohner gegen zu viel schädliche UV-Strahlung ab. Am Beispiel des Gases lässt sich gut zeigen, dass menschliches Handeln auch indirekt die Emissionen hochtreiben kann: Flache Küstengewässer, die durch Überdüngung zu "toten Zonen" mit großer Sauerstoffarmut geworden sind, emittieren bis zu 10 000-mal mehr Lachgas als der offene Ozean, fanden US-Forscher heraus. Das heißt, dass die Verschmutzung von Gewässern mit Nährstoffen über diesen Weg den Treibhauseffekt verstärken kann.
Vor zwei Tagen ergab eine für die Weltbank durchgeführte Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, dass die Menschheit mit ihrem Emissionsverhalten auf eine Klimaerwärmung von vier Grad zum Ende des Jahrhunderts zusteuert. Die Forscher warnten vor Hitzewellen, Missernten und einem Anstieg des Meeresspiegels von bis zu einem Meter. Marotzke setzt dagegen auf mehr Klimaschutz in den kommenden Jahren. Allerdings hält auch er es für kaum mehr möglich, dass die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden wird.