Hochschule für Angewandte Wissenschaften baut in Bergedorf Test- und Entwicklungslabore sowie zwei eigene Windenergieanlagen.
Hamburg. Die Stadt bekommt ein neues Technologiezentrum für Windenergie und die Integration von erneuerbaren Energien ins Stromnetz: Im Frühjahr 2013 soll an der Ausfahrt Bergedorf der Marschenautobahn (A 25) ein Energie-Campus entstehen. Dort wollen Forscher der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Kooperation mit Unternehmen innovative Ansätze entwickeln, die die Nutzung von regenerativen Energien weiter vorantreiben. Neben Laboren werden die HAW-Mitarbeiter zwei Windenergieanlagen betreiben - "dass eine Hochschule eigene Anlagen hat, ist schon sehr ungewöhnlich", sagt der Projektleiter Prof. Werner Beba.
Der neue Energie-Campus werde Hand in Hand mit dem Zentrum für grüne Technologien der Technischen Universität Hamburg-Harburg zusammenarbeiten, betonte gestern Wirtschaftssenator Frank Horch bei der Präsentation des Projekts. "Dies ist ein wichtiger Meilenstein auf Hamburgs Weg, erneuerbare Energien zu nutzen und zu entwickeln", sagte der Senator. 1400 Unternehmen aus diesem Bereich hätten sich in der Metropolregion bereits angesiedelt.
+++Baustart für den Windpark der Superlative+++
+++Investitionsrekord bei erneuerbaren Energien+++
Schon die Vorgängerregierung hatte die erneuerbaren Energien als Wachstumsbranche für Hamburg entdeckt. Dabei geht es nicht so sehr um die Produktion, sondern um Forschung, Dienstleistungen (wie Zertifizierung) und Handel. Um dieses starke Stück Hamburg weiter zu fördern, investiert die Stadt 3,7 Millionen in das neue Zentrum. Weitere 3,1 Millionen Euro zahlt der Europäische Fonds für regionale Entwicklung. Für die zwei Windräder (Baukosten: zehn Millionen Euro) werden im Rahmen einer Projektfinanzierung Investoren gesucht.
Die Rotoren sollen drei Megawatt Nennleistung haben und Teil eines kleinen Windparks südlich der A 25 werden, der aus fünf Anlagen besteht. Jenseits der Autobahn, auf der Bergedorfer Seite, wird das zweistöckige Gebäude des Energie-Campus stehen. Auf 1000 Quadratmeter Nutzfläche werden ein Wind- und ein Smart-Grid-Labor eingerichtet. "Im Windlabor können wir unterschiedliche Anlagenkonstruktionen am Computer entwerfen und virtuell testen", erklärte Werner Beba, "das erspart den langwierigen und teuren Bau von Prototypen." Mehr Strom aus dem Wind zu ernten, sei ein Ziel des Labors, ein anderes sei die Umweltverträglichkeit der Anlagen. Beba: "Wir wollen die Lärmemission reduzieren. Ein zweiter, sehr spannender Aspekt ist der Fledermausschutz." Der Naturschutzbund geht davon aus, dass jährlich bis zu 200 000 Fledermäuse an deutschen Windrotoren verunglücken.
Eine gute Handvoll Mitarbeiter wird das Windenergielabor betreiben. Dazu kommen Studenten, die an einzelnen Projekten arbeiten. 25 bis 30 ständige Mitarbeiter werden das Smart-Grid-Labor mit Leben füllen. Der Begriff steht für intelligente Netze, die nicht nur Strom transportieren, sondern gleichzeitig die Auslastung des Netzes managen. Denn der unstetige Strom aus Wind und Sonne beschränkt den Anteil der Ökoenergien im Netz, um dessen Stabilität zu gewährleisten.
Ein Smart Grid liefert einen Ausweg aus dem Dilemma, denn es bindet die Verbraucher in die Netzsteuerung mit ein: Ist das Stromangebot wetterbedingt groß, gehen Verbraucher ans Netz, die nicht kontinuierlich Strom beziehen müssen, sondern auch "häppchenweise" beliefert werden können, etwa Kühlhäuser, Haushaltsgeräte oder Klimaanlagen. Fehlt dagegen Strom, schalten sie sich komplett ab, oder gehen zumindest für alle paar Sekunden kurz vom Netz.
Im Projekt Smart Power Hamburg wollen die HAW-Forscher exemplarisch vorführen, wie ein solches Lastmanagement in der Realität funktioniert. Dieses und andere Projekte zur effizienten Energienutzung und zu den Ökoenergien werden derzeit im HAW-Campus Berliner Tor entwickelt, im Kompetenzzentrum 4E. EE steht für erneuerbare Energien, das zweite EE für Energieeffizienz - zusammen also 4E.
Das im Sommer 2008 gegründete Zentrum habe sich zum wichtigsten Kompetenzzentrum seiner Hochschule entwickelt und deren Attraktivität weiter gesteigert, sagte HAW-Präsident Prof. Michael Stawicki. Ein wichtiger Bestandteil ist das Ausbildungszentrum für Energietechnik in der historischen Maschinenhalle der Hochschule. Dort werden Klima- und Kälteanlagen auf Effizienz getrimmt, Wärmespeicher und Solaranlagen getestet.
"Mehr als 1000 Studierende sind bereits 4E-infiziert", freut sich Stawicki. Er hofft, das neue Aushängeschild Energie-Campus im ersten Quartal 2014 in Betrieb nehmen zu können. Es soll auch Hamburger Bürger begeistern. Beba: "Wir brauchen für die ehrgeizigen Ziele der Energiewende mehr Innovationen, aber auch mehr Akzeptanz durch die Menschen. Wir wollen einen offenen Dialog schaffen, mit Vorträgen, Führungen und Ausstellungen."
Eine Animation des Projekts: www.abendblatt.de/energie-campus