Tropischer Regenwald an den Küsten der Antarktis. Warme Strömungen im Meer und viel Kohlendioxid in der Luft sorgten vor Millionen Jahren für solche Verhältnisse. Das könnte sich wiederholen. Große Teile von Deutschland würden dann versinken.
Frankfurt/Main. Palmen in der Antarktis - es klingt wie ein Aprilscherz, doch vor Millionen von Jahren war das heute Unvorstellbare Realität. Wimmelndes Leben, dichter tropischer Wald - so muss einer der unwirtlichsten Orte der heutigen Erde vor 52 Millionen Jahren ausgesehen haben. Vor der Küste der Antarktis holten Forscher der Universität Frankfurt und des Biodiversität und Klima Forschungszentrums (BiK-F/Frankfurt) uraltes Material aus der Tiefe herauf. In den Bohrkernen, die bis in 1000 Meter unter den Meeresboden reichten, fanden sie Pollen und Sporen - die Reste eines tropischen bis subtropischen Regenwaldes. Die im Fachjournal "Nature" veröffentlichte Studie belege einen Regenwald an der Küste der Antarktis, wie er heute nur in den Tropen vorkomme, teilte das BiK-Forschungszentrum mit.
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+++ Antarktis-Eis schmilzt auch durch veränderte Winde +++
Vor dem Hintergrund des aktuellen Klimawandels interessieren sich Klimaforscher besonders für vergangene Warmzeiten. "Vor 52 Millionen Jahren war es in der Antarktis 50 bis 60 Grad wärmer als heute", sagte der Paläoklimatologe Prof. Jörg Pross von der Universität Frankfurt. "Wir befanden uns auf dem Höhepunkt der sogenannten Greenhouse-Phase, danach wurde es immer kühler." Für diese warmen klimatischen Verhältnisse seien der hohe Gehalt an Kohlendioxid (CO2) in der Atmosphäre und warme Meeresströmungen verantwortlich gewesen. Die CO2-Konzentration sei mehr als doppelt so hoch gewesen wie heute.
Der Blick in die Vergangenheit erlaube eine Prognose für das künftige Klima auf der Erde: "Wenn der derzeitige CO2-Ausstoß durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe ungehindert voranschreitet, werden atmosphärische CO2-Konzentrationen, wie sie damals herrschten, wahrscheinlich in wenigen Hundert Jahren wieder erreicht sein", sagte Pross.
Aktuelle Klima-Modellierungen weisen darauf hin, dass die zukünftige Klimaerwärmung in den hohen Breiten, also in der Nähe der Pole, besonders drastisch ausfallen wird. Wenn der globale Meeresspiegel um 70 bis 80 Meter steige - das wäre durch ein Abschmelzen der Eismassen in einem künftigen Treibhausklima nach Einschätzung der Forscher langfristig unvermeidbar -, werden Pross zufolge große Teile Deutschlands im Wasser versinken. Hamburg und Norddeutschland wären überflutet, Köln läge 30 Meter unter dem Meeresspiegel, Mainz und Leipzig wären Hafenstädte. Die Amerikanische Ostküste läge komplett unter dem Meeresspiegel; von der New Yorker Freiheitsstatue ragten gerade noch einmal 20 Meter aus dem Wasser.
Dass die Antarktis vor 52 Millionen Jahren eisfrei war, ist allein durch den hohen CO2-Gehalt in der Atmosphäre nicht zu erklären, sagte Pross. "Ein weiterer wichtiger Faktor war der Wärmetransport durch warme Meeresströmungen." Die Antarktis, die immer schon am Südpol lag, und das heutige Australien bildeten früher noch einen gemeinsamen Megakontinent. Durch die Plattentektonik wurde Australien jedoch nach Norden weggedrückt, und es entwickelte sich ein nach Westen offener Golf, durch den warme Meeresströmungen hineinkamen. Als jedoch durch weitere Plattenverschiebungen der Golf auch nach Osten aufbrach, strömten nun kalte Wassermassen in die Region - die Antarktis kühlte sich zum Ende des Eozäns (vor etwa 40 Millionen Jahren) ab. Pross: "Das wäre so, als wenn wir heute den Golfstrom abschalten würden."
Anhand der Pollen und Sporen rekonstruierten die Forscher die antarktische Pflanzenwelt vor dieser Abkühlung: Wo heute der Eispanzer liegt, gediehen damals offenbar extrem frostempfindliche Pflanzen wie Palmen und Vorläufer der heutigen Affenbrotbäume. An den Küsten hätten selbst im Winter milde zehn Grad plus geherrscht - trotz dreimonatiger Polarnacht. Im Inneren des Kontinents sei es merklich kühler gewesen, dort habe es gemäßigten Regenwald mit Südbuchen und Araukarien gegeben, wie er heute in Neuseeland vorkomme.
Reste von Tieren haben die Forscher in den Bohrkernen, die sie 200 Kilometer vor der Küste des antarktischen Wilkeslandes gewannen, nicht gefunden. "Aber es muss dort jede Menge Insekten gegeben haben", sagte Pross, denn die meisten Pflanzen seien von Insekten bestäubt worden. "Urtiere gab es dort sicher auch." Deren Reste seien aber am Meeresboden nicht erhalten geblieben.
Als die Antarktisküste unter den Einfluss kühlerer Meeresströmungen geriet, sei die tropenähnliche Vegetation verschwunden. Und mit ihr die Insekten und mögliche Urtiere.
Mit Material von dpa