Göttinger Forscher erfand ein Mikroskop, das lebende Zellen schärfer darstellt, als es möglich schien
Hamburg. Für die Erfindung eines neuen Mikroskops erhielt der 48 Jahre alte Physiker Stefan Hell vom Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie gestern in Hamburg den mit 750 000 Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft. Hell sei eine "wegweisende Entdeckung" gelungen, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) im großen Festsaal des Rathauses vor 600 geladenen Gästen, unter ihnen auch die Vizepräsidentin der Hamburgischen Bürgerschaft, Barbara Duden, die Ehrenbürger Helmut und Hannelore Greve, Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeld und Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts.
Stefan Hell ist etwas gelungen, das lange als unmöglich galt: Er hat die Auflösungsgrenze von Lichtmikroskopen überwunden. Eigentlich, so formulierte es der Physiker Ernst Abbe bereits 1873, dürften sich Objekte, die enger als 200 millionstel Millimeter zusammenliegen, nicht unterscheiden lassen - sie verschmelzen im Lichtmikroskop zu einem einzigen Fleck. Das von Stefan Hell erfundene STED-Mikroskop umgeht diese Regel mit einem Trick: Es nutzt zwei unterschiedlich starke Laserstrahlen, um markierte Moleküle nacheinander zum Leuchten zu bringen - und sie so getrennt betrachten zu können. Damit lässt sich die Probe bis zu zehnmal schärfer abbilden.
"Man ahnt, welche Erkenntnisse und letztlich Therapiemöglichkeiten, über die die Medizin bisher nicht verfügte, sich durch die STED-Mikroskopie ergeben könnten", sagte Scholz weiter. Hirnforschern war es 2008 erstmals mit einer Auflösung von 60 millionstel Millimetern gelungen, die Bewegungen an den Kontaktstellen von Nervenzellen sichtbar zu machen.
Wie Stefan Hell die scheinbare Grenze der Auflösung überwand, erläuterte TV-Moderator Ranga Yogeshwar im Gespräch mit dem Preisträger am Beispiel des Festsaals: Würde man die Gäste in der letzten Reihe um Handmeldungen bitten, könnten man die einzelnen Personen vom Podium aus kaum unterscheiden - die Entfernung wäre zu groß. Würde man nun dafür sorgen, dass einige Gäste ihre Hände wieder herunternähmen, sähe man bestimmte Personen deutlicher.
Christian Wriedt, der Vorstandsvorsitzende der Körber-Stiftung, lobte Stefan Hell als "Forscher, der auch dann von seiner Intuition überzeugt ist, wenn andere sie für vermessen halten". Damit spielte er darauf an, dass Hell lange um Anerkennung und Geld kämpfen musste: Die Idee für das STED-Mikroskop veröffentlichte der Physiker bereits 1994 - das erste Gerät kam aber erst 2007 auf den Markt.
Mit dem Preisgeld will Hell erforschen, wie sich Proben mit weniger Licht an- und ausschalten ließen. Das würde die Auflösung weiter erhöhen, außerdem ließe sich die schädigende Wirkung reduzieren, welche die Laser auf die Zellen haben können.