Der Fischer Gunnar Gerth-Hansen handelt gegen die Vermüllung der Meere. Er folgt dem Aufruf des Naturschutzbundes und fischt Müll.
Burgstaaken. Früher war Fischen romantisch. Vor ein paar Jahrzehnten angelte Gunnar Gerth-Hansen prächtige Dorsche aus der Ostsee, heutzutage kann es ihm passieren, dass sich ein Auto oder Kühlschrank im Grundschleppnetz verfängt. "Die Weltmeere sind mittlerweile große Müllhalden", sagt der kleine stämmige Fischer und blickt auf die Ostsee. Der 47-jährige Fehmaraner schloss sich als erster deutscher Fischer in diesem Sommer der Kampagne des Naturschutzbundes (Nabu) gegen die Vermüllung der Meere an und wirft nun eingefangenen Unrat nicht wieder über Bord, sondern bringt ihn an Land.
Gerth-Hansen ist Fischer in fünfter Generation. Damit seine Kinder die Tradition fortsetzen und weiterhin, wie er sagt, "leckeren Ostseefisch an Land bringen können", müsse der Fisch gesund bleiben. "Wenn ich Farbeimer, rostige Dosen und Plastiktüten in meinem Netz zwischen den Dorschen habe, dann werde ich wütend", sagt Gerth-Hansen laut.
Als er im Mai dieses Jahres von dem Europäischen Meeresschutzprogramm "Fishing for Litter" (Abfallfischen) hörte, war er sofort Feuer und Flamme. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hatte es vorgestellt. "In den Niederlanden, England und Schottland beteiligen sich bereits um die 350 Schiffe aus 35 Häfen an dem Projekt", sagt Kim Cornelius Detloff, Meeresschutzexperte beim Nabu. "Wir haben jetzt in Burgstaaken und Heiligenhafen die ersten deutschen Fischer, die ins Netz gegangenen Abfall anlanden."
Die Nabu-Initiative verfolge dabei drei Ziele, so Detloff: Abfälle aus dem Meer entfernen, das Bewusstsein für das Problem stärken und Daten über die Verschmutzung erfassen. "Nach Erhebungen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen gelangen jährlich etwa 6,4 Millionen Tonnen Müll in die Weltmeere. Für die Nordsee wird der Eintrag auf 20 000 Tonnen geschätzt. Zur Ostsee gibt es bislang keine Zahlen, doch wird eine ähnliche Größenordnung angenommen", sagt Detloff.
Internationale Untersuchungen zeigen, dass etwa 70 Prozent des Unrats auf dem Meeresboden landet. 15 Prozent schwimmt an der Oberfläche, weitere 15 Prozent enden als Strandgut. Am Müll im Meer, speziell an Plastikteilen, strangulieren sich Seevögel und andere Meeresbewohner. Wellen zermalmen ganz allmählich die groben Kunststoffteile zu kleinsten Partikeln. So winzig, dass sie von Fischen, Vögeln und Muscheln mit - oder anstelle - der Nahrung aufgenommen werden. In den Mägen von Eissturmvögeln haben Forscher im Durchschnitt 0,34 Gramm Plastik gefunden. Übertragen auf die Größe des menschlichen Magens entspreche dies einem Teller voll Kunststoffmüll, rechnet das internationale Netzwerk Kimo vor, das das Projekt des Abfallfischens in den anderen Ländern betreibt.
Auch die Kutter verheddern sich im Müll. Gerth-Hansen erinnert sich an einen erheblichen finanziellen Schaden: Ein großer Segelsack war in den Propeller seines Schiffs "Tümmler" geraten und blockierte ihn. "Zwei Tage Liegezeit. Ich konnte mit dem ,Tümmler' nicht rausfahren und fischen. Da wusste ich, dass es nun wirklich an der Zeit ist, intensiv gegen die Meeresverschmutzung anzukämpfen."
Zunächst blieb er in Burgstaaken als Müllfischer allein. "Schließlich werden wir nicht dafür bezahlt, den Schrott aus dem Wasser zu holen. Wir machen es nebenbei, wir fischen unsere Fische und holen gleichzeitig den Müll aus dem Meer", sagt er und blickt durch seine Sonnenbrille wieder aufs Wasser. Nachdem scharfkantiger Schrott immer häufiger Netze zerschnitten hat, konnte Gerth-Hansen mittlerweile die meisten Kollegen überzeugen, bei "Fishing for Litter" mitzumachen.
Vor jeder Fangfahrt deckt sich Gunnar Gerth-Hansen mit Müllsäcken und Kisten ein. Sie bieten Platz für maximal eine Tonne Müll. Meist holt er pro Fahrt fünf bis sechs Kilo Plastikabfall an Bord, aber einmal habe er auch einen Kühlschrank aus dem Wasser gezogen, und Kollegen hatten mehrmals Kleinwagen im Netz. Zwölf bis 14 Stunden bleibt er auf See. Sein Schleppnetz kann bis zu 400 Kilo Dorsche fangen. "Zweimal einen Hol machen wir im Schnitt, macht maximal 800 Kilo." Wenn das volle Netz an Deck des Kutters liegt, muss er den Fang sortieren: Zerkratzte Farbeimer, Angelruten oder Plastikplanen finden sich zwischen den Fischen.
Den regulären Fang legt Gerth-Hansen in Plastikkübel und verkauft ihn später auf dem Fischmarkt in Burgstaaken. Aber auch auf der heutigen Fahrt friemelt er wieder Müll aus dem Netz, sammelt ihn in den Kisten und wird ihn später in Burgstaaken in den "Fishing for Litter"-Container werfen. Der Behälter fasst sieben Kubikmeter Müll und füllt sich allmählich. Wenn er voll ist, wird er in Kooperation mit dem DSD (Duales System Deutschland)in einer Sortieranlage getrennt und möglichst weitgehend verwertet.
Der 15 Meter lange "Tümmler" rollt durch die Wellen und knarrt ein wenig. Gunnar Gerth-Hansen hat Holzbänke an Deck geschraubt - "für die Gäste, zum Hinsetzen". Denn von April bis Oktober bietet der Fehmaraner auch Gästefahrten und Schaufischen an - als kleinen Zuverdienst und um die Menschen auf das Müllproblem aufmerksam zu machen.
Draußen auf der Ostsee wirft er bei diesen Fahrten ein kleines Netz aus, zieht es über den Meeresgrund und holt dann den Inhalt an Bord: Krabben, Krebse, Seenadeln, Graskarpfen, kleine Dorsche, Plastiktüten und winzige Plastikkrümel. "So können meine Gäste auch die kleinen Plastikteilchen im Wasser sehen." Er sei stolz darauf, "den Leuten beizubringen, auf unsere Meere zu achten". Und er hat auch ein persönliches Interesse: "Mir ist es wichtig, dass der Fisch auf meinem Teller nicht verseucht ist. Ich habe keine Lust, Fische zu essen, die sich von Plastikteilchen ernähren."