Schiffbaumesse SMM: Alternative Antriebe stehen in der Schifffahrt noch am Anfang der Entwicklung
Hamburg. Es ist das Erste seiner Art: Das Transportschiff "E-Ship 1" des Auricher Unternehmens Enercon, spezialisiert auf den Transport der hauseigenen Windenergieanlagen, ist seit gut einem Monat auf europäischen Gewässern unterwegs. Zwei Elektromotoren treiben es an, unterstützt von vier sogenannten Flettner-Rotoren, die das 130 Meter lange Schiff zusätzlich segeln lassen. Die Variante, den Wind als Hilfsantrieb zu nutzen, ist eine Möglichkeit der "Windkraftnutzung auf See". Unter diesem Motto trafen sich gestern Experten aus der Schifffahrt, Forschung und dem Bereich der erneuerbaren Energien zu einem Symposium im Rahmen der Schiffbaumesse SMM in Hamburg.
Auch die Hamburger Firma SkySails vermarktet den Hilfsantrieb Wind bereits erfolgreich in Form von automatisch gesteuerten Zugdrachen. Heinz Otto vom Bundesverband Windenergie favorisiert jedoch echte Segelschiffe: "Massengut- und Kreuzfahrtschiffe können gut mit reinem Segelantrieb vorankommen. Bei Starkwind dreht der Propeller mit und produziert Strom, der, etwa bei Hafenmanövern, Elektromotoren antreibt." Bei windschwachen Fahrten könnte hilfsweise ein Dieselmotor bereitstehen, um Strom zu erzeugen. Aber im Großen und Ganzen könnten moderne Windschiffe den alten Rahseglern ähneln, so Otto.
Von solch einer "Segelschiff-Romantik" hält Dr. Valerie Wilms, Bundestagsabgeordnete der Grünen, nichts. Die Maschinenbauingenieurin möchte zwar auch möglichst schnell erneuerbare Energieträger für den Schiffsantrieb nutzen, aber sie sollten nur indirekt zum Zuge kommen. "Die Elektrifizierung des Antriebs ist die Basis. Die Stromerzeugung an Bord muss mehrstufig sein", sagt Wilms und spricht dabei über ein Konzept, das zum Teil beim "E-Ship 1" bereits realisiert ist. Eine Zukunftsvision ist dagegen der Einsatz von Ökostrom, der an den Küsten erzeugt wurde. Überschüsse aus der Stromproduktion von Meereswindparks könnten genutzt werden, um Wasserstoff zu erzeugen, so Wilms. Da die Wasserstoff-Technologie und -Infrastruktur noch in den Kinderschuhen steckt, schlägt sie vor, mit dem Wasserstoff Methan zu produzieren. "Damit ließe sich die vorhandene Gasinfrastruktur nutzen. Zudem beseitigen wir das Treibhausgas Kohlendioxid. Denn die chemische Reaktion lautet: Aus Wasserstoff und CO2 entsteht Methan und Wasser", sagt Wilms.
Als Übergang fordert Wilms von den Reedern, dass sie vom Kraftstoff Schweröl, dessen Verbrennung neben CO2 große Mengen Schadstoffe wie Schwefel- und Stickoxide freisetzt, auf leichte, schwefelfreie Kraftstoffe umsteigen. Ideal seien Flüssiggas (LPG) und Flüssigerdgas (LNG), als Übergang zum regenerativ erzeugten Methan.
Elektroantriebe seien für die Schifffahrt der einzig sinnvolle Weg, um aus der Abhängigkeit vom fossilen Treibstoff Öl wegzukommen, betonte auch Prof. Hartmut Graßl vom KlimaCampus Hamburg: "Derzeit heißt es immer: ,Ins postfossile Zeitalter fahren Schiffe mit Biokraftstoffen.' E-Antriebe werden kaum diskutiert. Aber Biokraftstoffe können den Bedarf nicht im Entferntesten decken. Wir müssen zurück zur Basisphysik, zur Nutzung von Wind und Sonne. Wenn es uns gelingt, zehn, vielleicht 20 Prozent des Potenzials zu nutzen, so reicht dies leicht aus, um die Welt zu versorgen." Auch Graßl hält den von Wilms skizzierten Alternativ-Antrieb mit regenerativ erzeugtem Methan oder Wasserstoff für sinnvoll.
"Was wir hier machen, kommt einige Jahrzehnte zu spät", bedauert er, "an der globalen Erwärmung bis 2040 werden wir nichts mehr ändern, bestenfalls die anschließende Erwärmung dämpfen können." Der Boom der Containerschifffahrt hat in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass der Seetransport inzwischen mit drei Prozent am globalen CO2-Ausstoß beteiligt ist und damit so viel Treibhausgase ausstößt wie ganz Afrika.
"E-Ship 1" könnte helfen, den Trend umzukehren. Seine vier rotierenden, 27 Meter hohen Zylinder erzeugen eine Segelwirkung, die bei günstigen Winden den Dieselantrieb vollständig ersetzen kann, so Enercon. Nachdem das Schiff bei seiner Jungfernfahrt erfolgreich Windenergieanlagen nach Irland ausgeliefert hat, befindet es sich jetzt auf dem Weg ins Mittelmeer vor Portugal. Über die bisher erreichten Treibstoffeinsparungen hüllt sich Enercon in Schweigen: "Die ersten Erfahrungen werden noch ausgewertet, Zahlen kann ich noch nicht nennen", sagt Unternehmenssprecher Volker Uphoff.