Neues Enzym führt zu Antibiotika-Resistenzen. Es findet sich vor allem in den gefürchteten Krankenhauskeimen.
London. Britische Wissenschaftler warnen vor hochresistenten Bakterien, die vermutlich durch Schönheitsoperationen aus Indien eingeschleppt worden sind. Die Resistenz wird verursacht durch ein neu entdecktes Gen, das die Produktion des Enzyms New-Delhi-Metallo-1-Betalactamase (NDM-1) auslöst. Dieses Enzym berge große Gefahr, "zu einem weltweiten Gesundheitsproblem zu werden", stellten die Wissenschaftler von der Universität Cardiff in ihrer am Mittwoch veröffentlichten Untersuchung in der Fachzeitschrift "The Lancet" fest.
"Das Enzym bewirkt einen Resistenzmechanismus gegen die wirksamste Gruppe von Antibiotika, die wir zurzeit haben", sagt Prof. Martin Aepfelbacher, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene am Universitätsklinikum Eppendorf. Diese sogenannten Beta-Lactam-Antibiotika seien die am häufigsten verwendeten und zugleich auch die teuersten. Zu dieser Gruppe zählen unter anderem auch alle Penicilline.
Das Enzym findet sich vor allem in den Bakterien Escherichia coli und Klebsiella pneumoniae. "Das sind gefürchtete Krankenhauskeime, die bei den geschwächten Patienten Harnwegs- und Wundinfektionen sowie Blutvergiftungen auslösen können", betont Prof. Aepfelbacher. Zwar sind solche Enzyme schon seit Jahrzehnten bekannt, aber "alarmierend ist, dass sie jetzt von diesen Krankenhauskeimen produziert werden".
Gerade bei diesen beiden Bakterien sei in den vergangenen Jahren eine ständige Zunahme von Resistenzen zu beobachten, während Infektionen mit anderen Krankenhauskeimen, den multiresistenten Staphylokokken (MRSA), eher stagnieren.
Wenn jetzt bei den Colibakterien und Klebsiellen durch diesen neuen Mechanismus weitere Resistenzen hinzukommen, gibt es zwar immer noch einige Antibiotika, die wirksam sein könnten. "Wahrscheinlich würde man den Patienten dann eine Kombination aus unterschiedlichen Medikamenten geben. Aber es kann auch vorkommen, dass solche Erreger gegen kein Antibiotikum mehr empfindlich sind", sagt der Mikrobiologe.
Das Gefährliche an dem neuen Enzym ist auch: Die bereits unempfindlichen Bakterien können es auf andere Bakterien übertragen und damit die Resistenzen weitergeben, vor allem auf die sogenannten Enterobakterien, die sich im menschlichen Darm befinden. "Für gesunde Menschen sind diese Bakterien meist harmlos, aber bei Patienten im Krankenhaus, die sowieso schon krank sind, können sie schwere Infektionen auslösen", sagt Aepfelbacher. Das Tückische an den Resistenzen sei: "Wenn Patienten mit Antibiotika behandelt werden, sterben alle empfindlichen Bakterien ab. Dafür können sich resistente Keime besser ausbreiten."
Zwar gebe es nach Kenntnis von Aepfelbacher bisher keinen Nachweis von NDM-1 in Deutschland, aber wenn man jetzt um die Gefahr wisse, müsse man gezielt nach solchen Keimen suchen und Überwachungsmaßnahmen einleiten. Auch die Autoren der Studie setzen auf verstärkte Überwachung: eine abgestimmte internationale Zusammenarbeit sei erforderlich.
NDM-1wurde erstmals NDM-1 2008 bei einem schwedischen Patienten entdeckt, der zu einer Schönheitsoperation in Indien war. Seitdem wurden 70 weitere Fälle in zwei indischen Bundesstaaten sowie in Bangladesch und Pakistan gemeldet. Wie es im Leitartikel der Fachzeitschrift "The Lancet" hieß, wurde der Keim bislang bei Patienten in Großbritannien, den Niederlanden, den Vereinigten Staaten, Kanada und Australien festgestellt, die sich in Indien hatten behandeln lassen.