Auf dem Mobile World Congress in Barcelona boten Experten einen Ausblick auf die ferne Zukunft des Smartphones - und zeigten ihre Neuheiten.
Barcelona. Wie sieht die Mobilfunkwelt der Zukunft aus? Wird das Handy den Autoverkehr in den überfüllten Innenstädten lenken? Werden Mails und Nachrichten bald vom Handy aus der Jackentasche an die Armbanduhr übertragen und dort diskret angezeigt? Wird das Smartphone zum zentralen persönlichen Computer? Zum Büro und zur Unterhaltungszentrale gleichermaßen? Fragen über Fragen.
Beim Mobile World Congress in Barcelona, dem wichtigsten Treffen der Mobilfunkbranche, boten Experten Antworten darauf an und versuchten sogar einen Ausblick auf das Jahr 2022.
Das klingt bei einer angeblich so schnelllebigen Branche fast verwegen. Doch vieles, was jetzt in Barcelona als Neuheit präsentiert wird, ist unter Fachleuten bereits seit sechs bis zehn Jahren im Gespräch. So zum Beispiel das nächste - viel schnellere - Mobilfunknetz. Die ersten Entwürfe für dieses Handy-Netz der vierten Generation wurden bereits 2006 vorgestellt und heißen passenderweise Long-Term-Evolution (LTE; deutsch: Langzeitentwicklung). Auf der Messe in Barcelona zeigten nun viele Hersteller ihre ersten LTE-Smartphones, die Daten mit bis zu 300 Megabit (und damit deutlich schneller als UMTS oder heimische DSL-Anschlüsse) übertragen können. Eine andere - vor zehn Jahren erstmals vorgestellte - Technik namens Nahfeld-Kommunikation (NFC) soll das Handy zum Portemonnaie machen. Drahtlos wird das digitale Kleingeld an die Kasse im Supermarkt übertragen.
+++Als die Handys sich in Smartphones verwandelten+++
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Den ersten Schritt in die Richtung, das Smartphone als zentralen persönlichen Computer zu etablieren, präsentierte Sony in Barcelona: Die Japaner stellten eine intelligente Armbanduhr vor, die per Bluetooth-Funk mit dem Handy verbunden ist. Auf dem kleinen Display werden Anrufer, Nachrichten und sogar Videos vom Handy angezeigt. Mit einem Tipp auf die Uhr kann man sogar Favoriten über die Uhr anrufen.
Bei dem, was auf das Handy der Zukunft an Aufgaben wartet, ist vor allem eines gefragt: Leistung. In Barcelona stellte der chinesische Hersteller Huawei mit dem Ascend D das weltweit schnellste Smartphone mit einem Vierkern-Prozessor und 1,5 Gigahertz Taktfrequenz vor. Das entspricht etwa der Leistung einfacher Büro-PC. Solche aufgerüsteten Smartphones könnten bald die komplette Haustechnik und die Unterhaltung im Wohnzimmer steuern und die Rechnerleistung im Büro zur Verfügung stellen. Das Handy könnte sich mit Bildschirm und Tastatur verbinden - und zum Arbeitsrechner werden. Sony präsentierte etwas Ähnliches bereits mit einer Dockingstation für das Wohnzimmer. Wenn das Xperia mit dem Fernseher verbunden wird, verändert sich die Bedienerführung und das Smartphone lässt sich mit der Fernbedienung des TV-Geräts steuern.
Mehr Leistung in einem anderen Bereich präsentierte auch Nokia. Der finnische Hersteller zeigte mit dem Nokia 808 Pure View das erste Smartphone mit 41-Megapixel-Kamera. Bei der Präsentation vor laufender Kamera überschlug sich die Stimme eines TV-Moderators fast: "Nein, ich habe noch nichts getrunken. Sie haben richtig gehört: 41 Megapixel!"
Bill Ford, Urenkel des Autopioniers Henry Ford, will die Autos im Jahre 2022 zu rollenden Computern machen. Die entweder eingebauten Smartphones oder auch die Mobiltelefone der Fahrer sollen jeweils mit den benachbarten Autos kommunizieren. So soll der Verkehr flüssiger werden. Bremst das Vorderauto, gibt das Handy den entsprechenden Befehl an den nachfolgenden Wagen weiter - und führt ihn aus. Auch Informationen über Staus und Routenänderungen werden so weitergegeben. Der 54 Jahre alte Ford-Aufsichtsratchef forderte in Barcelona die Telekomindustrie dazu auf, gemeinsam mit den Automobilkonzernen für diese Vision einen gemeinsamen Standard zu schaffen. Denn bislang arbeiten mehrere Hersteller wie etwa BMW, Mercedes oder Ford an eigenen Lösungen. Sinn mache eine solche Technik aber nur, wenn sie in möglichst vielen Autos eingebaut sei, sagte Bill Ford.
Die Mobiltelefonbranche soll sich zusammenraufen? Kaum vorstellbar, dass der Wunsch des Autopionier-Urenkels in allzu naher Zukunft Wirklichkeit wird. Die großen Spieler der Branche wie Apple, Samsung und Google (über seine Neuerwerbung Motorola) bekämpfen sich in Patentstreitigkeiten vehement vor den Gerichten der Welt.
Wer wird im Jahre 2022 das Rennen anführen? Ist es das von vielen Herstellern unterstützte System Google - mit seinen derzeit täglich 850 000 neu angemeldeten Android-Geräten? Oder wird es Branchenneuling Apple sein, der als einzelner Hersteller in den vergangenen fünf Jahren einen Marktanteil von gut 20 Prozent erreicht hat und vielfach das Maß der Dinge ist.
Wie schwierig der Blick in die Zukunft aber auch sein kann, demonstrierte iPhone-Hersteller Apple. Der Gigant war - wie immer - nicht offiziell auf der Messe in Barcelona. Doch just, als Googles Aufsichtsratsmitglied Eric Schmidt in den Hallen der Weltausstellung von 1929 seine Vision von der vernetzten Zukunftswelt präsentierte, gingen die Einladungen zur Vorstellung des iPad 3 am kommenden Mittwoch raus, plötzlich schaute die Technik-Welt wieder nach Kalifornien. Überhaupt ist das mit dem Blick in die Zukunft bei Apple so eine Sache: Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass Apple heute eine solche Rolle im umkämpften Mobiltelefonmarkt spielen würde? 2001 hatte Apple gerade einen Verlust von 25 Millionen Dollar gemacht, und es gab durchaus Zweifel, ob die Firma die nächsten Jahre überstehen würde. Das schöne an der Zukunft ist halt: Sie lässt sich doch nicht vorhersehen.