Transplantierte Organe von Lebenden halten in der Regel länger als die von Toten
Die Anzahl der sogenannten Lebendspenden nimmt seit Jahren zu. Über die Gründe und Vorteile spricht Professor Björn Nashan (50), Direktor der Klinik für Hepatobiliäre Chirurgie und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Eppendorf, im Interview:
Abendblatt:
Welche Rolle spielen Lebendspenden inzwischen in der Transplantationsmedizin?
Prof. Björn Nashan:
Die Zahl der Spenden zu Lebzeiten steigt kontinuierlich an. Rund 22 Prozent der Nieren-Transplantationen in Deutschland sind inzwischen Lebendspenden - vor zehn Jahren waren es nur 15 Prozent. Allein im vergangenen Jahr gab es 600 Nieren-Lebendspenden und 2200 Nierentransplantationen nach der sogenannten postmortalen Spende.
Was sind die Gründe für diesen Anstieg?
Diese Entwicklung hängt mit dem Mangel an postmortalen Organen zusammen und mit den besseren Erfolgsaussichten bei einer Lebendspende.
Bei einer Lebendspende arbeiten nach zehn Jahren noch rund 80 Prozent der transplantierten Nieren - bei einer postmortalen Spende sind es "nur" etwa 50 bis 70 Prozent. Das heißt: Lebendspenden sind erfolgreicher als Leichenspenden.
Woran liegt das?
Da sich der Spender zum Zeitpunkt der Organentnahme in einer guten körperlichen Verfassung befindet, sind seine Organe meistens in einem wesentlich besseren Zustand als die von postmortalen Spendern. Zudem befinden sich Spender und Empfänger im gleichen Krankenhaus. Das bedeutet, dass die Zeit zwischen Entnahme und Transplantation vergleichsweise kurz ist und die Organe nicht so lange gekühlt werden müssen.
Welche Risiken gibt es für den Spender?
Die Gleichen wie bei jedem anderen chirurgischen Eingriff mit Narkose. Dennoch ist das Risiko, vor allem bei Nierenentnahmen, gering. Auch Langzeitfolgen muss ein gesunder Mensch nach einer Nierenspende nicht befürchten. Es gibt zurzeit keinen Hinweis darauf, dass die Nierenfunktion beeinträchtigt wird. Die verbleibende Niere kompensiert den Ausfall.
Ihr Fazit?
Lebendspenden sind eine sinnvolle Ergänzung zur postmortalen Spende. Dank ihrer kann die bis zu siebenjährige Wartezeit auf eine Niere wesentlich verkürzt werden. Den Betroffenen bleibt so ein jahrelanges Leben an der Dialyse und eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes erspart.