Gastbeitrag: Hamburger Tiefsee-Expertin berichtet im Abendblatt über den weitreichenden Einfluss des Klimawandels auf das Leben in den Ozeanen

Hamburg. Einen ersten Hinweis, dass der Klimawandel sich womöglich bis hinunter in die Tiefsee bemerkbar macht, gab eine Expedition in die Antarktis Anfang 2008. Damals wurde einer Planktonblüte nachgespürt und der Weg der abgestorbenen Algen bis zum Meeresboden in 4500 Meter Tiefe verfolgt. Für die dort in völliger Dunkelheit lebenden Organismen sind solche biologischen Überreste eine der seltenen Nahrungs- und Energiequellen.

Tatsächlich konnte damals mittels sehr feiner Sonden, sechs Wochen nach einer Planktonblüte, eine verstärkte biologische Aktivität am Meeresboden nachgewiesen werden. Sie lieferte für uns ein Indiz, dass sich Veränderungen an der Oberfläche der Ozeane über die Nahrungskette sogar auf das Leben in mehreren Tausend Metern Tiefe auswirken.

Weil hohe CO 2 -Werte im Meer unter bestimmten Bedingungen massive Algenblüten auslösen, verändert sich im Zuge des Klimawandels womöglich auch die Nahrungssituation in der Tiefsee. Man kann sich dies vorstellen wie eine Art Impuls, der sich von der Wasseroberfläche sukzessive bis in die Tiefe fortsetzt: In der oberen, lichtdurchfluteten Schicht bauen die Mikroalgen den Kohlenstoff in ihren Stoffwechsel ein. Die Algen werden vom Zooplankton gefressen, das wiederum Fischen und anderen Meerestieren als Nahrung dient. Was übrig bleibt, sinkt langsam durch die Wassersäule in tiefere Schichten.

Am Meeresboden angekommen, erhalten die dortigen Bakterien und Kleinstlebewesen durch diesen sogenannten "marine snow" einen regelrechten Nahrungsschub. Normalerweise laufen Wachstum und Vermehrung hier nur äußerst langsam ab. Plötzlich können sich die Spezies ausbreiten - und die isoliert lebende, sensible Artengemeinschaft womöglich nachhaltig verändern.

Der Klimawandel beeinflusst das Leben im Meer also nicht nur durch höhere Temperaturen. Mindestens ebenso wichtig ist der Einfluss des CO 2 im Meerwasser. Nicht nur weil es zur Versauerung der Ozeane beiträgt und die Kalkschalen von Organismen angreift, sondern auch weil es die biologische Produktion nachhaltig verändert.

Inwieweit die Tiefsee profitiert oder ob das ökologische Gleichgewicht aus den Fugen gerät, wollen wir jetzt mit einem Netzwerk internationaler Wissenschaftler klären. Ziel ist es, Algenblüten bzw. den Weg des enthaltenen Kohlenstoffs von der Atmosphäre bis zum Meeresboden durch Messungen und Experimente noch genauer zu analysieren. Denn noch immer wissen wir sehr wenig über dieses Ökosystem. Bei der nächsten Fahrt soll deshalb ein spezielles Schlittensystem eingesetzt werden. Es misst Sauerstoff, Temperatur und die Dichte des Wassers am Meeresboden. Außerdem sind Kameras, ein Durchflussmesser und Probenahmegefäße für Bodenorganismen mit an Bord.