Das Agaplesion-Dioakonieklinikum und das Mammazentrum beteiligen sich an Pilotstudie. Hierbei wird die Aggressivität des Krebses bestimmt.
Hamburg. Welche Frauen mit Brustkrebs möglicherweise auf eine Chemotherapie verzichten können, soll eine neue Studie klären. Zwei Hamburger Kliniken gehören zu den zwölf Zentren bundesweit, die Patientinnen in der Pilotphase des Projekts betreuen sollen: das Agaplesion-Diakonieklinikum Hamburg und das Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem. Die Studie gilt als weiterer Schritt in Richtung einer personalisierten Medizin und bezieht Frauen mit einem sogenannte hormonabhängigen Tumor ein. "Es geht darum: Ist der Brustkrebs eher ein langsam wachsender oder ein aggressiver Typ, bei dem die Zellteilung 'außer Rand und Band' ist?", erläutert Prof. Christoph Lindner vom Agaplesion-Diakonieklinikum Hamburg.
Das Projekt ist eine Kooperation zwischen der Westdeutschen Studiengruppe (WSG), der US-Firma Genomic Health und der Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg. Die WSG ist eine nationale Forschungseinrichtung mit Standorten in verschiedenen Städten und diversen Industriepartnern.
"Das Ziel der Studie ist es, unnötige Chemotherapien bei Frauen zu vermeiden, aber auch Patientinnen herauszufinden, die unter Umständen keine Chemotherapie bekommen würden nach bisherigen Kriterien, jedoch eine solche zur Heilung benötigen. Früher hat man die Chemotherapie sehr breitflächig eingesetzt, heute soll dies gezielt, das heißt effektiver erfolgen", sagt Lindner. In der vergangenen Woche wurde die erste Patientin aus seiner Klinik in die ADAPT-Studie aufgenommen. Läuft die Studie gut, sollen sich 60 bis 80 Zentren und mehr als 4300 Patientinnen beteiligen.
Wenn sich ein Knoten in der Brust als Krebs herausstellt, überprüfen Mediziner, ob der Tumor schon in Lymphknoten gestreut hat, ob die Zellen bestimmte Rezeptoren für Hormone oder Wachstumsfaktoren tragen und ob Metastasen vorliegen.
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"Die große Herausforderung der derzeitigen Forschung ist die Beantwortung von folgenden Fragen: Wer hat ein so geringes Rückfallrisiko, dass keine weitere Therapie, insbesondere keine weitere Chemotherapie gebraucht wird? Und bei wem ist die Antihormontherapie so wirksam, dass eine Chemotherapie umgangen werden kann?", sagte Prof. Ulrike Nitz, Medizinische Leiterin der WSG. "Seit einigen Jahren nimmt man in der Brustkrebsbehandlung zur Kenntnis, dass sich die Krebsarten mehr unterscheiden, als man dachte. Man unterscheidet nun nicht mehr nur nach Lage, Größe, befallenen Lymphknoten und Metastasen, sondern auch nach der Tumorbiologie. Mit Biomarkern kann man die Aggressivität klassifizieren", erklärt Lindner.
Das persönliche Risiko der Frauen soll auf der Grundlage von zwei Gewebeproben bestimmt werden, die vor und nach einer Antihormontherapie entnommen werden. Es können nur Frauen teilnehmen, die einen hormonabhängigen Tumor haben, wenige Lymphknoten dürfen befallen sein.
"Bevor die Behandlung beginnt, wird der Tumor unter Ultraschallkontrolle punktiert. Dabei wird histologisch bestimmt, ob ein Krebs vorliegt oder nicht", erklärt Lindner. Zusätzlich werde in der Studie eine Gewebeprobe in die USA geschickt, um spezielle genetische Informationen des Tumors zu analysieren. Zudem erfolge an der Medizinischen Hochschule Hannover die Bestimmung des Eiweißes Ki-67, mit dem man Aussagen über die Zellteilung machen kann. Nach dieser Untersuchung müssten die Patientinnen drei Wochen lang eine Antihormontherapie einnehmen, danach erfolgt die eigentliche Operation.
"Anhand von Gewebeproben, die während der Operation entnommen werden, wird überprüft, wie gut der Tumor auf diese Therapie angesprochen hat", ergänzt Dr. Kay Friedrichs vom Mammazentrum am Krankenhaus Jerusalem. Dabei spielt das Eiweiß Ki-67 eine Rolle, das Unternehmen Genomic Health übermittelt die Daten aus dem Gentest, den "Recurrence Score".
"Den Gentest gibt es seit mehr als fünf Jahren", sagt Friedrichs. "An Gewebeproben von Brustkrebspatientinnen aus den 80er-, 90er-Jahren wurde getestet, wie gut er ist, um die Notwendigkeit einer Chemotherapie zu erfassen." Der Wert werde in drei Stufen angegeben. Studien zufolge führe der Test in etwa 30 Prozent der Fälle zu einer Änderung der geplanten Therapie. Der Gentest wird laut den Experten beispielsweise bei Grenzfällen eingesetzt, wenn es um die Entscheidung geht "Chemo ja oder nein?". Er kostet laut Lindner normalerweise etwa 3000 Euro und werde zum Teil von den privaten Kassen übernommen. Die AOK Rheinland/Hamburg übernimmt die Kosten nun im Rahmen der Studie. Auf dem Jahrestreffen der Amerikanischen Gesellschaft für Klinische Onkologie sollen neue Daten zu dem Test vorgestellt werden. Die Experten treffen sich vom 1. bis 5. Juni in Chicago.
"Die Studie ist nun in der Pilotphase, es ist nicht unrealistisch, dass andere Kassen aufspringen, wenn sich viele Frauen rekrutieren lassen", sagt Friedrichs. Mit den Ergebnissen könnten unterschiedliche Risikoprofile von Patientinnen erstellt werden. Das individuelle Vorgehen werde wie üblich intensiv mit den Frauen besprochen.
Nicht alle Patientinnen mit Brustkrebs können teilnehmen. Sie dürfen keine Metastasen und keinen inflammatorischen Brustkrebs haben, die Zellen dürfen keine Wachstumsfaktorrezeptoren (HER2) tragen. Der Krebs muss zum ersten Mal aufgetreten sein und die Frauen sollten zwischen 18 und 75 Jahre alt sein.