Neue Studie des Zukunftsrats zeigt: Viele Einwohner der Hansestadt wollen vom Auto nicht lassen und steigen öfter ins Flugzeug als vor zehn Jahren
Hamburg. Sie leben in der Umwelthauptstadt 2011 - doch für viele Hamburger sind Umweltschutz und Nachhaltigkeit offenbar weniger wichtig als vor zehn Jahren. Das geht aus einer Umfrage des Zukunftsrats Hamburg hervor. Er präsentierte sie mit Blick auf Deutschlands erste Messe für nachhaltigen Konsum "goodgoods", die morgen beginnt.
Zwar sind sich 68 Prozent der Befragten bewusst, dass der Lebensstil vieler Menschen weltweit die Erde schädigt. Dennoch meinen 35,8 Prozent, also mehr als ein Drittel aller Hamburger, sie müssten sich keine Gedanken darüber machen, welche Folgen ihr Lebensstil für zukünftige Generationen haben könnte. Noch stärker verbreitet ist diese Einstellung unter den jüngsten Befragten, den 19 bis 24 Jahre alten Hamburgern: 43 Prozent dieser Altersgruppe wollen sich nicht damit auseinandersetzen, ob ihr Handeln nachhaltig ist.
Trotz höherer Benzinpreise wollen nur wenige auf Bus und Bahn umsteigen
Bei der Mobilität lässt die Umfrage sogar Zweifel aufkommen, ob sich die Hamburger überhaupt auf den Weg zur Nachhaltigkeit gemacht haben. So ist die Bereitschaft, vom Auto auf den HVV umzusteigen, gesunken. Besonders fällt auf, dass nicht einmal mehr zehn Prozent der Befragten sagten, sie würden angesichts höherer Benzinpreise auf Bus oder Bahn umsteigen - 2000 sagte dies noch fast ein Viertel der Befragten. Zudem steigen die Hamburger heute eher ins Flugzeug als vor zehn Jahren und damit in das klimaschädlichste Verkehrsmittel.
Wie ist diese Entwicklung zu erklären? "Vielleicht hat die Euphorie für einen umwelt- und sozialverträglichen Lebensstil etwas nachgelassen", kommentierte Jochen Menzel vom Zukunftsrat Hamburg.
Doch es gibt auch positive Entwicklungen. So sei bei Verkehrszählungen eine zunehmende Anzahl von Fahrrädern in der Stadt registriert worden. "Das Fahrrad ist gesellschaftsfähig geworden, die Radler haben nicht mehr das Image von Ökos mit Fahrradklammern", sagte Menzel. Aber: "Hier liegt noch viel Potenzial brach, das mit dem Aufbau der Infrastruktur und Maßnahmen für mehr Sicherheit auf den Straßen geweckt werden sollte."
Eine größere Rolle spielt die Umwelt für die Hamburger beim Kauf von Lebensmitteln. Hier zeigt sich der Umfrage zufolge ein deutlicher Trend zum nachhaltigen Konsum: 62,2 Prozent der Befragten versuchen möglichst regional einzukaufen (2000: 42,2 Prozent). Allerdings ist unklar, ob sie dies tatsächlich tun, um der Umwelt Transportwege zu ersparen, oder vielmehr, weil sie frischere und womöglich gesündere Produkte erwarten. Die Quote der Haushalte, die oft oder sehr oft Bio-Lebensmittel kaufen, erhöhte sich im zurückliegenden Jahrzehnt von 25 auf 30 Prozent, und auch Produkte aus dem fairen Handel landen häufiger in den Einkaufskörben. Dies sei vor allem dem inzwischen breiten Angebot solcher Produkte in Supermärkten zu verdanken, so die Studie. Zudem sank die Zahl derer, die täglich Fleisch essen.
Wasser- und stromsparende Geräte haben in den Haushalten zwar zugenommen. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der stromfressenden Haushaltshelfer wie Geschirrspüler, Mikrowelle, Computer und Mobiltelefone. Vor allem zwei Sparmaßnahmen sind weit verbreitet, beide gehören heute zur technischen Standardausstattung: die WC-Spartaste und die Nachtabsenkung der Heizung. Jochen Menzel fordert, dass die Hersteller mehr tun müssten: "Wir haben festgestellt, dass das Ausschalten vom Stand-by-Betrieb seltener genannt wurde. Vermutlich verlieren die Konsumenten bei der Vielzahl elektronischer Geräte allmählich den Überblick. Die Hersteller müssen ihre Produkte so gestalten, dass ein hoher Stromverbrauch im Stand-by-Betrieb von vornherein vermieden wird."
"In zehn Jahren gab es kaum Fortschritte beim Umweltbewusstsein der Hamburger Verbraucher", lautet das Fazit des Zukunftsrates.
Es wäre voreilig, jungen Erwachsenen ein Problembewusstsein abzusprechen
Eine optimistischere, bundesweite Sicht präsentierte vor wenigen Monaten das Umweltbundesamt. "Eine Mehrheit der Befragten sieht Möglichkeiten, selbst etwas für den Umweltschutz zu tun: Hier sehen im Bevölkerungsdurchschnitt zwischen 58 und 68 Prozent der Befragten die Chance, durch umweltfreundliches Konsumverhalten oder weniger Autonutzung und Flugreisen einen Beitrag zu leisten", hieß es in der Mitteilung des Amtes.
Es wäre wohl auch voreilig, insbesondere den jungen Erwachsenen ein Umweltbewusstsein abzusprechen. Darauf lässt eine Umfrage des Wuppertal-Instituts unter 14- bis 29-Jährigen schließen. "Etwa die Hälfte der jungen Leute versteht das Problem", sagt Dr. Maria Jolanta Welfens vom Arbeitsbereich Nachhaltige Produktion und Konsum des Wuppertal-Instituts. "Sie sind bereit, alternative Wege zu gehen, um ressourcen- und energieeffizienter zu handeln." Das bedeute zum Beispiel, dass die jungen Leute zwar mobil bleiben wollten, aber nicht unbedingt das Auto nutzten.
Diese Menschen müssen die Chance jetzt nur noch ergreifen.