Jena/Hannover (dpa/tmn). Wer Natur nicht nur genießen, sondern auch erkennen will, kann von Apps lernen. Mit manchen lassen sich Tiere und Pflanzen bestimmen. Vor allem für Wildpflanzen und Vögel gibt es viele Optionen.
Bewegung im Freien bedeutet fast immer auch Kontakt mit der Natur. Selbst diejenigen, die beim Spazierengehen, Joggen, Radfahren oder Wandern für sich eher den sportlichen oder gesundheitlichen Aspekt in den Vordergrund stellen, dürften sich draußen hin und wieder fragen: Wie hieß noch gleich die Pflanze da?
„Grün“ - viel spezifischer können Menschen Pflanzen oft nicht beschreiben, sagt Anke Bebber. Die Wissenschaftskommunikatorin vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena meint damit das Phänomen der sogenannten Pflanzenblindheit.
Anders als bei Tieren, nähmen die meisten Menschen Pflanzen nicht als einzelne Organismen wahr. „Die Konsequenz ist, dass die wenigsten nach einem Ausflug „ins Grüne“ beschreiben können, welche Pflanzen sie gesehen haben.“ Das sei problematisch, denn durch den Klimawandel verschwänden immer mehr Pflanzenarten - und wir bekämen es nicht mit.
Was da helfen kann? Apps zur Pflanzenbestimmung. „Die Fähigkeit Pflanzen zu bestimmen, ist sehr schwierig zu erlernen“, sagt Bebber. Man müsse sehr viel Wissen aufbauen, einen guten Blick fürs Detail haben und lange üben. Mit der Software-Hilfe aus dem Smartphone könne man Pflanzen dagegen auch ohne entsprechende Kenntnisse sicher bestimmen.
Pflanzenbestimmungs-Apps: Flora Incognita, Naturblick und Pl@ntNet
Eine der bekanntesten Apps zur Pflanzenbestimmung ist Flora Incognita, in deren Projekt-Team auch Anke Bebber mitarbeitet. Die App ist ein Gemeinschaftsprojekt der Technischen Universität Ilmenau und des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena und kann kostenlos heruntergeladen werden.
Der Fokus der App liege auf der Bestimmung von Wildpflanzen, derzeit für 16.000 Arten möglich. „Zur Einordnung: In Deutschland gibt es etwa 3600 Wildpflanzenarten“, so Bebber. Das heißt, die App ist auch auf internationalen Wandertouren ein wertvoller Begleiter.
Hat man mit dem Hosentaschencomputer eine Art bestimmt, kommt ein ausführlicher Steckbrief aufs Display. Erläutert wird, ob eine Pflanze essbar ist, auf der Liste geschützter Arten steht und wo sie verbreitet ist. Die Pflanzen, die man bestimmt hat, werden in einer Liste und interaktiven Karte gesammelt. Diese Funktion verfolgt einen Gamification-Ansatz: Über das „Sammeln“ bestimmter Pflanzen gibt es Abzeichen zu ergattern.
Greta Friedrich vom Computerfachmagazin „c't“ klassifiziert Flora Incognita als besonders einsteigerfreundlich, weil sie beim Bestimmen der Pflanzen mit Hilfe der Smartphone-Kamera durch den Fotoprozess leite: „Es werden Tipps gegeben, wie man Fotos macht, die die App dann auch erkennen kann.“
Flora und Fauna in der Hosentasche
Neben Flora Incognita empfiehlt Friedrich auch die App Naturblick des Museums für Naturkunde Berlin, mit der sich nicht nur die Flora, sondern auch die Fauna, also Tiere, in urbanen Gebieten bestimmen lassen. „Man kann Pflanzen, Vögel und Insekten identifizieren - gerade für Kinder ist das sicher gut geeignet.“ Auch Naturblick hat eine automatische Bilderkennung, und sie kann Vögel anhand ihrer Stimmen bestimmen. Die App ist allerdings auf etwa 600 Arten begrenzt.
Eine ebenfalls weit verbreitete App zur Pflanzenbestimmung ist Pl@ntNet. Die kostenlose Software wurde bisher über 10 Millionen Mal im Google Play Store heruntergeladen. Gegründet wurde Pl@ntNet von mehreren französischen Forschungseinrichtungen. Die Bestimmung erfolgt auch hier per Foto. Im Rahmen des Pl@ntNet-Projekts wurden bislang an die 15 Millionen Bilder von nahezu 38.000 Arten gesammelt.
Ab ins Tierreich: Vogelwelt & Co.
Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat in Zusammenarbeit mit Sunbird Images, einer Firma, die auch Schmetterlings-, Wildbienen- und Pilz-App oder eine Libellen-App herausgebracht hat, Vogelwelt entwickelt.
„Das Kernstück dieser App sind aufwendige Bildtafeln, auf denen jede Vogelart in ihren verschiedenen Kleidern durch freigestellte Porträts dargestellt ist“, sagt Ornithologe und Mitentwickler Fabian Karwinkel. „Das Federkleid jeder Art kann aufgrund von Geschlecht und Alter sowie innerhalb des Jahresverlaufs variieren.“
Alle Vogelarten Deutschlands
In der App sind Karwinkel zufolge alle in Deutschland vorkommenden Arten gespeichert, auch seltene Vögel, wenn sie öfter als zehn Mal im Jahr in Deutschland gesichtet werden. Insgesamt seien das mehr als 300 Vogelarten. Die Basisversion ist kostenlos, wer die Vögel auch digital zwitschern hören will, muss die Vogelstimmen zukaufen. Für eine Vogelstimmenerkennung muss ein kostenpflichtiges Abo abgeschlossen werden.
Wer das nicht möchte, kann sich immerhin den Lexikon-Charakter der App zunutze machen: Indem man Merkmale auswählt, kann man Vögel auch bestimmen oder sich über Ökologie und Verhalten der Tiere informieren: „Die User:innen sollen für die Welt der Vögel begeistert werden“, wirbt Karwinkel.
Als Alternative empfiehlt Greta Friedrich Die Vogel App!, entwickelt von einer Hobby-Ornithologin, die mit über 230 mitteleuropäischen Arten zwar nur eine kleine Datenbank habe, für die gängigen Arten in Deutschland aber völlig ausreichend sei. „Die Bestimmung erfolgt dort anhand von Merkmalen, die man auswählt - daher funktioniert die App auch offline“, sagt Friedrich. Es gibt sie aber ausschließlich im Google Play Store, nicht in Apples App Store.
Algorithmus analysiert Vogelgesang
Eine wesentlich umfangreichere App ist Birdnet, entwickelt von der TU Chemnitz und dem Cornell Lab of Ornithology: Laut Friedrich enthält die App gut 3000 Arten und ebenfalls eine Audio-Bestimmungsfunktion: Ein Algorithmus analysiert Tonaufnahmen von Vogelgesang und gibt ein Ergebnis aus.