Hamburg. Am Dienstag startet die Gaming-Plattform des Internetgiganten. Das Abendblatt hat Google Stadia schon ausprobiert.
"Du kannst ruhig hinter den Fernseher gucken, wir haben keine Konsole versteckt." Von Google Stadia, der am 19. November startenden Gamingplattform des Internetgiganten, sind die freundlichen Menschen, die einen Journalisten nach dem nächsten durch die Räume an der ABC-Straße in Hamburg schleusen, mehr als überzeugt.
Klar ist das erstens ihr Job, und zweitens wäre es schon ziemlich dramatisch, wenn nicht einmal die Mitarbeiter von Google daran glauben würden, dass ihr Streamingangebot imstande ist, den Multimilliardenmarkt Videospiele umzukrempeln.
Stadia: Spielen nicht mehr an PC oder Konsole, sondern in der Google-Cloud
Aber ein bisschen angesteckt wird man schon, wenn man den Stadia-Controller (der auf den ersten Blick an den einer XBox erinnert, aber auch enge Verwandtschaft zum Controller einer PlayStation hat) in der Hand hält. Die Eingewöhnungszeit ist für Konsolen-Gamer minimal: Alle Knöpfe und Analog-Sticks sind da, wo man sie erwartet. Was nicht da ist: die Konsole, die man erwarten würde.
Denn das ist der Trick an Stadia, das Pfund, mit dem Google wuchert: Hardware braucht man eigentlich überhaupt keine; keinen teuren PC, keine Konsole – eigentlich nicht einmal den Controller, wenn man am PC spielen möchte. Denn die Spiele laufen nicht auf dem Gerät, das vor einem steht, sondern auf Google-Servern in der viel bemühten Cloud.
So will Google das Geschäft mit den Zockern umkrempeln: Statt regelmäßig Geld in das Upgrade von Hardware zu investieren, um auch die neuesten Titel spielen zu können, soll man lieber einen Zehner im Monat an Google zahlen. Außerdem müsse man sich nicht mehr mit Patches und Updates herumärgern: Auspacken, einschalten, spielen ist das Credo von Stadia.
Wie spielt es sich mit Google Stadia?
Im Prinzip ist tatsächlich nicht mehr als ein leidlich schneller Internetzugang nötig: Für eine Auflösung von 720p reicht eine Geschwindigkeit von 10 Megabit pro Sekunde (MBit/s), für 1080p empfiehlt Google 15–20 MBit/s. Und um in voller 4K-Auflösung zu spielen, braucht man nicht mehr 35 MBit/s. Zum Vergleich: Netflix empfiehlt fürs reine Anschauen von 4K-Inhalten 25 MBit/s, Anbieter wie die Telekom, 1&1 oder Kabel Deutschland bieten Anschlüsse mit mehreren Hundert MBit/s an.
So weit die Theorie: Praktisch ausprobiert merkt man bei Spielen wie "Destiny 2" kaum einen Unterschied zum Spielerlebnis auf beispielsweise einer PlayStation 4 Pro. Die Ladezeiten sind sogar ein wenig kürzer. Zwischendurch gibt es minimale Schluckaufs, die einem zugegebenermaßen nur dann auffallen, wenn man danach sucht.
Auch in "Mortal Kombat 11" spritzt das Pixelblut flüssig, die digitale Schlägerei flutscht ohne Mucken – der Computergegner hat keine Chance gegen das exzessive Buttonmashing, schnell steht der Sieger fest.
Der Härtetest für Google Stadia steht noch bevor
Der eigentliche Härtetest steht aber in beiden der zum Ausprobieren bereitgestellten Spiele noch aus: das Spiel gegen andere Menschen. Sowohl im Shooter "Destiny 2" als auch im Beat-em-up "Mortal Kombat 11" kommt es da auf Millisekunden an: Trifft man den Gegner? Schlägt oder schießt man vorbei? Kann man rechtzeitig ausweichen? Das wird sich zeigen.
Denn Google Stadia ist noch nicht öffentlich: Das ändert sich am 19. November, 18 Uhr deutscher Zeit. Und selbst dann werden die Google-Rechner noch nicht wirklich gefordert: Die Vorbesteller, die sich seit dem Sommer die sogenannte "Founder's Edition" für 129 Euro sichern konnten, werden in der Reihenfolge ihrer Bestellung beliefert. Die Menge der Spieler erhöht sich also nicht schlagartig, sondern Stück für Stück.
Wann kann man anfangen zu spielen?
Nachdem die "Founder's Edition" ausverkauft war, folgte die "Premiere Edition" (ebenfalls für 129 Euro): Wer die aktuell bestellt, kann laut Google Store mit einer Auslieferung bis Ende November rechnen – übrigens das gleiche Datum wie für eine Ende August georderte "Founder's".
Anders als mit einem dieser Pakete kommt man augenblicklich nicht zu Stadia. Denn erst mit dem Versand der – dann doch für den Moment notwendigen – Hardware bekommt man einen Code zugeschickt, mit dem man sein Stadia-Konto einrichten kann.
Auf diesen Geräten funktioniert Google Stadia zum LaunchFernseher: HDMI-Anschluss, Chromecast Ultra und Stadia Controller benötigt PC/Mac: Googles Browser Chrome benötigt Smartphones: Google Pixel 3, Pixel 3a, Pixel 4 (weitere Modelle sollen folgen) |
Was kann man bei Google Stadia überhaupt spielen?
In beiden Paketen sind drei Monate Zugang zu "Stadia Pro" enthalten: Für den oben bereits erwähnten Zehner im Monat, den Pro kostet, bekommt man die volle 4K-Auflösung mit Surround-Sound und neben dem Zugriff auf den kostenpflichtigen Spielekatalog auch Gratis-Spiele: Für den Anfang den Bungie-MMO-Shooter Destiny 2, später sollen weitere Spiele folgen. Wann und wie viele, dazu gibt es im Augenblick keine Auskunft.
2020 startet dann auch "Stadia Base": Hier zahlt man keine monatliche Gebühr, dafür laufen Spiele nur in Full-HD-Auflösung und mit Stereo-Sound. Auch auf die Gratis-Spiele hat man keinen Zugriff, sondern muss jedes Spiel einzeln bezahlen.
Welche Spiele der Katalog von Stadia bisher umfasst
(eifrige Leser werden schnell bemerken, dass einige Titel der Liste noch gar nicht erschienen sind):
- Assassin's Creed Odyssey
- Attack on Titan 2: Final Battle
- Baldur's Gate 3
- Borderlands 3
- Cyberpunk 2077
- Darksiders Genesis
- Destiny 2: The Collection
- Destroy All Humans!
- Doom
- Doom Eternal
- Dragon Ball Xenoverse 2
- Farming Simulator 19
- Final Fantasy XV
- Football Manager 2020
- Get Packed
- Ghost Recon Breakpoint
- Gods & Monsters
- Grid
- Gylt
- Just Dance 2020
- Kine
- Marvel's Avengers
- Metro Exodus
- Mortal Kombat 11
- NBA 2K20
- Orcs Must Die! 3
- Rage 2
- Red Dead Redemption 2
- Rise of the Tomb Raider: 20 Year Celebration
- Samurai Shodown
- Shadow of the Tomb Raider: Definitive Edition
- Supercross 3
- Superhot
- The Crew 2
- The Elder Scrolls Online
- Thumper
- Tom Clancy's The Division 2
- Tomb Raider: Definitive Edition
- Trials Rising
- Watch Dogs Legion
- Windjammers 2
- Wolfenstein: Youngblood
Ist Google Stadia das Netflix für Spiele?
Um Missverständnissen vorzubeugen: Google Stadia ist kein Netflix für Spiele, bei dem man mit der Monatsgebühr den Zugang zum gesamten Katalog freischaltet: Abgesehen von den wenigen ausgewählten Gratis-Games für Pro-Kunden kauft man die Spiele wie auf allen anderen Plattformen auch.
Mit dem für Ungeduldige nicht ganz unwichtigen Unterschied, dass man, wenn man für Red Dead Redemption 2 bezahlt hat, nur noch auf "Play" drücken muss – keine 90 Gigabyte Download, die mit etwas Pech Stunden benötigen. Und keine Festplatte, die schneller voll ist, als man "Terabyte" sagen kann. Übrigens war hinter dem Fernseher tatsächlich keine Konsole versteckt.