Der Ego-Shooter “Crysis 2“ erhält den mit 50.000 Euro dotierten Deutschen Computerspielpreis. Zuvor hatten Politiker die Auszeichnung heftig kritisiert.
Berlin. Trotz heftiger Kritik ist der Ego-Shooter „Crysis 2“ als bestes deutsches Computerspiel ausgezeichnet worden. Mit dem Game hätten erstmalig Entwickler aus Deutschland ein weltweites Publikum technologisch und ökonomisch überzeugt, hieß es in der Begründung der Jury des Deutschen Computerspielpreises 2012. Die mit insgesamt 385.000 Euro dotierte Auszeichnung wurde am Donnerstagabend in Berlin unter anderem vom Branchenverband BIU in mehreren Kategorien vergeben.
Der Preis für das beste Kinderspiel ging an „The Great Jitters: Pudding Panic“. Als bestes Jugendspiel wurde „Harveys Neue Augen“ ausgezeichnet. Vor der Verleihung des Preises hatte der kulturpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Börnsen, die Nominierung des Spiels „Crysis 2“ als „unvertretbar“ bezeichnet. Er kritisierte, dass bei der Wahl offenbar vor allem auf technische und nicht auf pädagogische Aspekte geachtet wurde. „Sogenannte Ballerspiele dürfen nicht honoriert werden, auch wenn sie technisch noch so ausgereift sind“, sagte Börnsen. Dazu müsse notfalls die Jury neu besetzt werden.
Der Spieleanbieter Electronics Arts, der „Crysis 2“ vertreibt, wies Börnsens Kritik zurück. Beim Computerspielpreis gelte es, unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen – neben dem pädagogischen Wert auch die Unterhaltung, erklärte Sprecher Martin Lorber der Nachrichtenagentur dpa. „Genau wie bei Buch, Film oder anderen Medien setzen Spiele-Entwickler unterschiedliche Stilmittel ein, um bei den Spielern eine Emotion zu erzeugen.“ Das könnten auch Gewalt und Aggression sein. Beim Branchenverband BIU hieß es, die unabhängige Jury werde durch die Kritik aus der Union beschädigt.
Kritische Stimmen gab es aber auch aus dem Bundestag: Der Vorsitzende des Unterausschusses Neue Medien, Sebastian Blumenthal (FDP), meinte: „Es ist nicht hilfreich, wenn die Politik in diesem Zusammenhang in eine undifferenzierte Killerspiel-Rhetorik verfällt - da waren wir schon mal weiter.“
In der SPD-Bundestagsfraktion erklärte der Sprecher der Arbeitsgruppe Kultur und Medien, Siegmund Ehrmann, allein die Verwendung des Begriffs „Killerspiel“ wecke Zweifel, ob die Union ein Interesse an einer sachlichen und differenzierten Debatte habe. Die unabhängige Jury, der auch Vertreter der Unionsfraktion angehörten, habe ihre Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit getroffen und dürfe nicht diskreditiert werden.
Für die Grünen erklärten Malte Spitz und Tabea Rößner als Sprecher für Netz- und Medienpolitik: „Computerspiele sind grundsätzlich ein kulturelles Gut, damit genießen sie sowohl Kunstfreiheit wie auch die Freiheit, nicht gefallen zu müssen.“ Sie warfen Börnsen vor, in „alte Schützengräben“ zurückzufallen.
Zurechtgewiesen wurde Börnsen auch aus den eigenen Reihen. Der kürzlich von mehreren Unionsabgeordneten gegründete Verein Cnetz hielt dem Kollegen entgegen, er habe sich offenbar gar nicht selbst mit dem Spiel beschäftigt. Allein seine Sprachwahl zeige „von einer groben Unkenntnis in der Sache“. Der Verein für Netzpolitik verglich „Crysis 2“ mit dem Film „Inglourious Basterds“ – dort gebe es mehr gewaltverherrlichenden Szenen als in „Crysis 2“, und der Film sei im Unterschied zu dem Computerspiel mit öffentlichen Mitteln gefördert worden. „Menschen aus allen Gesellschaftsschichten spielen mit Leidenschaft Spiele wie Crysis 2“, hieß es in der Cnetz-Erklärung. „Computerspiele sind längst ein weit verbreitetes und anerkanntes Kulturgut.“
Mit Material von dpa und dapd