Krach in der Netzgemeinde: Der Bruch zwischen dem Chaos Computer Club und OpenLeaks-Gründer Domscheit-Berg sorgt für heftige Debatten.

Berlin. Mit dem Ausschluss des WikiLeaks-Aussteigers Daniel Domscheit-Berg hat der Chaos Computer Club eine heftige Kontroverse im Netz ausgelöst. Der Vorstand begründete die Entscheidung damit, dass Domscheit-Berg den Eindruck erweckt habe, der CCC habe „eine Art Sicherheitsüberprüfung“ für seine Whistleblower-Plattform OpenLeaks übernommen. Damit habe er den guten Ruf des Vereins missbraucht.

Beide Seiten deuteten jedoch an, dass der eigentliche Grund tiefer reicht und die Umstände von Domscheit-Bergs Bruch mit der Enthüllungsplattform WikiLeaks betrifft. Dabei wurden im vergangenen Jahr auch Kopien brisanter Informationen mitgenommen – laut Domscheit-Berg aus Sorge um den Schutz der Whistleblower, die diese Daten WikiLeaks übergeben hatten.

Der stellvertretende Vorsitzende des CCC-Vorstands, Andy Müller-Maguhn, sagte am Montag der Nachrichtenagentur dpa, es sei dem Vorstand klar gewesen, dass die Entscheidung kontrovers diskutiert werde. „Aber Kontroversen gehören auch zum Charakter des Clubs.“ Die Kritiker der Vorstandsentscheidung seien auch nicht mit allen Details der Tatsachen vertraut, die zum Ausschluss von Domscheit-Berg geführt hätten, sagte Müller-Maguhn.

In Blogs sowie im Kurzmitteilungsdienst Twitter prallten die Meinungen beider Seiten aufeinander. Dabei wurde in Kommentaren zu einem Blog-Beitrag auf netzpolitik.org deutlich, dass es auch innerhalb des CCC Kritik an dem Rauswurf Domscheit-Bergs gibt. Einer der nicht dem Vorstand angehörenden CCC-Sprecher, Frank Rieger, unterstützte die Aussage des Bloggers Linux Neumann: „Dieser Rausschmiss jedoch ist verfrüht, unangemessen und zutiefst emotional statt wohlüberlegt rational.“

Domscheit-Berg baute am Montag sein Zelt in Finowfurt ab. Er reagierte mit Unverständnis und Bedauern auf die Entscheidung. Man habe ihm den Beschluss am späten Samstagabend auf dem Gelände des Camps überreicht, ohne mit ihm vorher darüber geredet zu haben, kritisierte er. In einem Workshop zu OpenLeaks habe es auf dem Sommercamp sehr viel positives Feedback zu dem Projekt gegeben. „Ich finde es sehr schade, dass dies nicht gesehen wird.“

Domscheit-Berg war Sprecher der Enthüllungsplattform WikiLeaks, verließ das Projekt aber im vergangenen Jahr nach Streitigkeiten mit dessen Gründer Julian Assange. In seinem Buch „Inside Wikileaks. Meine Zeit bei der gefährlichsten Website der Welt“ wirft er „diesem verrückten Australier“ vor, alle Entscheidungsprozesse allein auf seine Person bezogen zu haben. In seinem Buch rechtfertigt er auch die Entwendung von etwa 3500 bisher unveröffentlichten Dokumenten, weil sich Assange nicht um die Sicherheit dieser Informationen gekümmert habe. Diese Daten sollen jetzt im Besitz eines weiteren Aussteigers sein, der mit dem Decknamen „Architekt“ bezeichnet wird.

Domscheit-Bergs Alternativprojekt OpenLeaks will nicht mehr selbst Enthüllungen dokumentieren, sondern nur als neutraler Vermittler dienen zwischen Whistleblowern – also Leuten, die brisante Interna an die Öffentlichkeit bringen – und den Medien sowie Nichtregierungsorganisationen.

Der Start von OpenLeaks verzögerte sich jedoch lange. Am vergangenen Mittwoch sagte Domscheit-Berg, jetzt werde die Technik beim Sommertreffen des CCC von Experten auf ihre „Penetrierbarkeit“ getestet. Danach solle das Portal in den Dauerbetrieb gehen. Als erste Kooperationspartner nannte OpenLeaks unter anderem die Tageszeitung „taz“, die Wochenzeitung „Der Freitag“ und die Verbraucherorganisation Foodwatch.

Die Tests sollen nach Angaben Domscheit-Bergs noch bis Dienstag fortgesetzt werden. „Dann werten wir das alles in Ruhe aus und erläutern die Ergebnisse in einem Blog-Beitrag.“ Der CCC erklärte zu seiner Ausschlussentscheidung, OpenLeaks sei intransparent. Der CCC könne nicht beurteilen, ob potenzielle Whistleblower, die sich OpenLeaks anvertrauten, nachhaltig geschützt werden könnten.