Mehr als 900 Millionen Jünger hat Facebook um sich geschart. Aber nicht jeder möchte Teil dieser “Online-Bewegung“ sein und verweigert sich.

New York. Und doch gibt es sie – die Facebook-Abstinenzler. Ihr Credo ist denkbar einfach: Sie wollen Facebook nicht, brauchen es auch nicht. Zu jenen, bei denen man vergeblich auf die Beantwortung einer Freundschaftseinladung per Klick wartet, gehört MaLi Arwood aus Chicago. „Ich halte umfassend zu jedem in meinem Leben Kontakt, mit dem ich es will“, erklärt die Gastronomin. „Und ich muss keine Trivialitäten mit jemandem austauschen, den ich vielleicht vor zwölf Jahren sechs Monate lang gekannt habe.“

Der 77-jährige Len Kleinrock stößt in das gleiche Horn. Facebook sei für seine Enkel gut, aber nichts für ihn. „Ich will nicht noch mehr Ablenkungen haben“, erklärt er. „Ich werde schon jetzt von E-Mails überschwemmt. Meine Freunde und Kollegen können mich immer kontaktieren.“

Von einer zu 900 Millionen Nutzer in acht Jahren

Aber auch ohne Arwood und Kleinrock bleibt Facebook eine der größten Erfolgsgeschichten, seit die Menschheit Geschäfte macht. Als Gründer Mark Zuckerberg 2004 in seinem Studentenzimmer der Universität Harvard erstmals am Netzwerk-Prototyp tüftelte, hatte die Website mit dem weißen „F“ auf blauem Grund zum Jahresende schon eine Millionen Nutzer. Zwei Jahre später waren es schon zwölf Millionen. Im Sommer 2010 meldete Facebook dann 500 Millionen Nutzer. Am 31. März 2012 wurde nach Unternehmensangaben die 900-Millionen-Marke überschritten.

Und nun also der Börsengang: Am Donnerstag brach Facebook alle Rekorde und nahm mindestens 16 Milliarden Dollar (knapp 12,6 Milliarden Euro) ein. Für seine Aktien erzielte es den Höchstpreis. Die Anteilsscheine gingen am Donnerstag für 38 Dollar das Stück an die Investoren, wie das Unternehmen mitteilte. Facebook könnte mit einem geschätzten Marktwert von rund 100 Milliarden Dollar Konzerne wie Kraft Foods, Ford oder Disney in den Schatten stellen.

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Aber es gibt noch Luft nach oben. Vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern, deren Bewohner erst mit dem Internet vertraut werden, könnte sich Facebook ein lukrativer Wachstumsmarkt erschließen. Schon jetzt leben 80 Prozent der Nutzer außerhalb der USA und Kanada.

Facebook als Arbeit

Und wenn Facebook den vorbörslichen Riesenerwartungen gerecht werden und begierige Investoren beglücken will, muss das Unternehmen vor allem die Abstinenzler überzeugen. Zwei von fünf erwachsenen Amerikanern haben sich nicht dem sozialen Netzwerk angeschlossen, wie aus einer jüngsten Studie der Nachrichtenagentur AP und dem TV-Sender CNBC hervorgeht. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Zahl der aktiven Nutzer laut der Website allfacebook.de bei 22,1 Millionen.

Neben einem fehlenden Computer oder Internetanschluss gaben die Befragten laut der Studie von AP und CNBC Sorgen um Datenschutz und Privatsphäre als Grund für ihre Facebook-Abstinenz an. Zudem können US-Bürger ohne Universitätsabschluss oder Geringverdienende am wenigsten mit dem sozialen Netzwerk anfangen. Die Grenzen verlaufen auch gerade zwischen den Generationen: 75 Prozent der Senioren haben laut der Studie keinen Facebook-Account, während der Klick auf die Website für mehr als die Hälfte der unter 35-Jährigen zum Alltag gehört.

„Ich will einfach keine andere Dienstleistung haben, bei dem ich mich dazu verpflichtet fühle, regelmäßig nachzugucken“ sagt der 77-jährige Kleinrock. Sein Widerstand sei einfach eine Generationenfrage, mit einer Abneigung gegen Technologie habe das nichts zu tun. Denn immerhin gilt der Rentner als der erste Internetnutzer der Welt. Als Professor an der Universität von Kalifornien (UCLA) gehörte er 1969 dem Forscherteam an, das den Vorläufer des heutigen Internets testete – das sogenannte Arpanet Netzwerk.

Für viele Verweigerer sei Facebook auch eher lästige Arbeit, sagt Steve Jones, Professor für Internetkultur und Kommunikation an der Universität von Illinois in Chicago. „Wir haben das soziale Netzwerken in unser Leben integriert. Wir haben unseren Tag aber keine weitere Stunden hinzugefügt“, erklärt er. „Die Entscheidung, bei Facebook online zu sein, ist gleichzeitig eine Entscheidung, nichts anderes zu machen.“