Die re:publica in Berlin sucht neue Modelle für Internet, Politik und Gesellschaft. Der Verein “Digitale Gesellschaft“ will virtuelle Paten für Politiker.
Berlin. Netzaktivisten wollen Abgeordnete „adoptieren“: „Virtuelle Paten“sollen mit Politikern über Netzpolitik diskutieren und sie verstärkt mit ihren Anliegen konfrontieren. Dazu stellte der Verein Digitale Gesellschaft auf der Bloggerkonferenz re:publica die Initiative „Adoptier Deinen Abgeordneten“ vor. Die Idee: Internetnutzer werden „virtuelle Paten“ und informieren öffentlich über ihre Kommunikation mit den Abgeordneten. Als Beispiel nannte die Stellvertretende Vorsitzende des Vereins, Lavinia Steiner, eine Patenschaft mit dem CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach und Beratungen über die Vorratsdatenspeicherung. „620 Abgeordnete brauchen einen Paten“, sagte Steiner am Donnerstag in Berlin.
Wir haben das Problem, dass sehr viele Initiativen da sind, die einfach gestoppt werden müssen“, sagte der Vereinsvorsitzende Markus Beckedahl und nannte neben der Vorratsdatenspeicherung das internationale ACTA-Abkommen zum Urheberrecht. „Der ganze netzpolitische Diskurs ist leider noch ein Abwehrkampf.“ Der seit einem Jahr bestehende Verein Digitale Gesellschaft wolle Nutzerrechte gegenüber Politik und Wirtschaft vertreten und als gemeinsame Plattform für öffentliche Kampagnen von Netzaktivisten dienen.
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Die re:publica beschäftigte sich an ihrem zweiten Tag auch mit kritischen Fragen zu privaten Eigentumsverhältnissen öffentlich genutzter Internet-Plattformen. Der Blogger und Autor Sascha Lobo sagte in einer Diskussionsrunde am zweiten Tag der Konferenz, von Privatfirmen eingerichtete Soziale Netzwerke wie Facebook, Google+ und Twitter vermittelten ihren Nutzern den fälschlichen Eindruck, öffentlich zu sein. „Daraus ergeben sich unterschiedliche Facetten von Problemen“, sagte Lobo – bis hin zur Möglichkeit, inhaltliche Diskussionen zu kontrollieren. Lobo sprach sich für eine internationale Regelung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) solcher Plattformen aus.
Ralf Lesser, Referent für Netzpolitik im Bundesinnenministerium, gab zu bedenken, dass es für komplexe Themen des Lebens keine einfachen juristischen Antworten gebe. Ein guter Ansatz sei aber das Prinzip der Datenportabilität, also die Verfügbarkeit der Nutzer über ihre eigenen persönlichen Daten mit der Möglichkeit, diese von einer Plattform auch wieder zu entfernen und zu einem anderen Anbieter zu bringen. Dies sei auch die Forderung der Bundesregierung an Facebook, Google und andere Anbieter, sagte Lesser.
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In einem weiteren Themenblock ging es um die Rolle Sozialer Medien im Arabischen Frühling. Fadi Salem von der Dubai School of Government sagte, dass die Online-Plattformen während der Proteste sehr intensiv für politische Zwecke genutzt worden seien. In vielen Ländern der arabischen Welt habe etwa Facebook den Anstoß zu Demonstrationen gegeben. Zeynep Tufekci von der University of North Carolina sagte: „Soziale Medien verändern die Dynamik, wenn bereits Unzufriedenheit herrscht.“
Die re:publica versteht sich als „Spiegel der digitalen Gesellschaft genauso wie als Plattform der aktiven Netzgemeinde“. In diesem Jahr nehmen rund 4000 Blogger und sonstige „Netzbewohner“ teil. Das Programm gestalten 350 Redner aus 30 Ländern, darunter EU-Kommissarin Neelie Kroes, der Internet-Unternehmer Lars Hinrich, Chaos-Computer-Club-Sprecherin Constanze Kurz, Piraten-Politikerin Marina Weisband und der twitternde Regierungssprecher Steffen Seibert. Veranstalter der re:publica sind die Agentur newthinking communications und der Spreeblick-Verlag.
(dpa)